von Mathias Haden, 08.03.2020
Mit den Füßen voraus in die Ramones-Hölle, die Erste: Aufbruchsstimmung.
Als Quasi-Freelancer oder Teilzeitpraktikant oder freundlicher Helfer aus dem Off und gänzlich ohne jegliche Verpflichtung und Schreibvorgaben möchte ich in dieser besonderen Reihe einer ganz speziellen Liebe meinerseits nachgehen: den wunderbaren, unvergessenen und seit kurzem nicht mehr platinlosen Ramones. Der Gedanke dazu ist folgender: In relativ kurzer Zeit möchte ich die auf MusicManiac noch fehlenden, immerhin neun LPs der New Yorker unter das Rezensionsmesser legen und mit passenden Worten bedenken. Dass es hier - wie spitzzüngige und gleichermaßen ahnungslose Kritiker auch über die Musik der Ramones urteilen würden - wenige Überraschungen geben dürfte, ist angesichts der verjährten, aber beinahe immer noch gültigen Top 10 eh klar, geht es doch vorwiegend um eine gar nicht so kleine Würdigung meinerseits der coolsten amerikanischen Band aller Zeiten gegenüber und um nichts anderes. In welcher Reihenfolge die fehlenden Alben, die ich chronologisch anpacken werde, online lesbar sein werden, überlasse ich dem Kollegen, dafür spare ich mir mit dieser copy+paste-Einleitung fortan ein wenig Zeit und Gehirnschmalz. In diesem Sinne an den großen Big Boss und alle anderen: man sieht sich, man liest sich, man hört sich. Nun, man liest sich zumindest.
Es ist schon irgendwie ein bisschen suspekt, dass man weitestgehend immer von den drei, manchmal auch vier großen Ramones-Platten zum Anfang ihrer Karriere liest und dabei keiner auf die Idee kommt, auch mal das stiefmütterlich behandelte Leave Home in eine Liste zu packen. Schon klar, das Debüt hat den Startbonus und mit Blitzkrieg Bop oder Now I Wanna Sniff Some Glue die ikonischen Songs, während Rocket To Russia mit dem richtigen, dynamischen Sound versehen wurde, der dem Erstwerk noch nicht gegönnt war, doch liegt das zweite Album in dieser Entwicklung exakt dazwischen und ist praktisch mit einer identischen Magie und den gleichen Tugenden ausgestattet. Dürften ja auch immerhin dieselben Songwriting-Sessions gewesen sein, die uns die 42 Songs des Triple-Packs beschert haben. Und Leave Home legt verdammt großartig los. Glad To See You Go zum Auftakt braucht keine halbe Minute, um richtig Dampf zu machen und dabei Charles Manson ins Spiel zu bringen, Gimme Gimme Shock Treatment nimmt eine Thematik vorweg, derer sich die Band auch später immer wieder mit Freude und Stücken wie Teenage Lobotomy oder Psycho Therapy widmen sollte und Oh Oh I Love Her So schickt sich an, mit den einleitenden, lebensnahen Zeilen "I met her at the Burger King / we fell in love by the soda machine" keine Zeit verlieren zu wollen. Das Tempo, auf das Band-Zampano Johnny in musikalischen Belangen bekanntlich am meisten Wert legte, ist schon schneller als am Debüt und die knackigere Produktion tut ihr Übriges zur Güte der vierzehn Stücke.
So ist es wieder dieses von mir längst heiliggesprochene Konglomerat aus crispem Zusammenspiel von sägender Gitarre und Rhythmusabteilung, simplen und gleichermaßen coolen Lyrics sowie der einzigartigen Präsenz eines Joey Ramone, dessen beherzter, naiv belegter Gesang ihn in seiner Wirkungskraft in beste Gesellschaft von Stimmgewalten a la Nina Simone über Sam Cooke hin zu Roy Orbison rückt. Wer übrigens keine Schwäche für die lässigen Texte aus den Federn von Dee Dee, Joey und Tommy und ihren bizarren Humor entbehren kann, darüber hinaus aber bei John Cleese, Terry Gilliam und Konsorten laut losbrüllt, den möchte ich gerne zum Schießduell vor dem örtlichen Saloon bitten:
"They
do their best, they do what they can
They get them ready for Vietnam
First
rule is "the laws of Germany"
Second rule is "be nice to mommy"
Third rule is "don't talk to Commies"
Fourth rule is "eat kosher salamis"
Da die Stärken der LP ohnehin längst auf der Hand liegen und in den Reviews der ummantelnden Alben hinreichend besprochen wurden, könnte man ja kurz noch erörtern, was denn auf die beiden legendären Longplayer fehlen soll. Die Antwort ist einfach: Eigentlich nichts und das Debüt ist sowieso nur einen Atemzug entfernt, der sich wohl am besten mit dem fehlenden Überraschungseffekt und den im direkten Vergleich vielleicht minimal unterlegenen Stücken (im direkten tête-à-tête der beiden Schnüffler-Hymnen zieht Carbona Not Glue schon deutlich den kürzeren, ähnliches Schicksal trifft auch das obligatorische Rock 'n' Roll Cover California Sun, dessen Gitarrenriff im Ramones-Oeuvre dafür Einzigartigkeit genießt) begründen lässt.
Wie oben bereits beschrieben, fristet Leave Home seit über vierzig Jahren das traurige Schicksal als - verblödet gesagt - tolles Album inmitten zweier supertoller. Bei jeder Reissue-Party selbstverständlich an vorderster Front, aber doch nur als zweites Glied hinter der vorausreitenden, den Anlass überhaupt stiftenden Kavallerie in schimmernder Rüstung. Dabei hat die zweite LP praktisch genauso viele großartige Momente, mitreißende Hooks und darüber hinaus noch das strahlende Meisterwerk Swallow My Pride, das es längst mit den bekanntesten Stücken der Band aufnehmen kann. Mehr will ich eigentlich gar nicht sagen. Big props for Leave Home and god bless the father of motherfuckers. C U at B.K.
Anspiel-Tipps: