Ramones - Adios Amigos


¡Adiós Amigos!

 

Ramones

Veröffentlichungsdatum: 18.07.1995

 

Rating: 7 / 10

von Mathias Haden, 16.08.2015


Würdiges Abschiedswerk der alternden Punk-Dinos.

 

Wenn Alter nicht mehr vor Torheit zu schützen vermag, ja wozu ist es dann überhaupt gut? Die Gelenke nutzen sich ab, das Gesagte ist Größenteils nur mehr weichgekochter Schwachsinn, kurz: dies wird weder eine Ode auf das Älterwerden, noch ein liebevoll vorgetragener Lobgesang auf alternde Helden, die die passende Ausfahrt verpasst haben und nicht rechtzeitig aufhören wollten. In diese Kategorie fallen die liebsten Punker aus New York aber ohnehin nicht. Fast auf den Tag genau zwanzig Jahre im Spiel, konnten sie dieses Schicksal gerade noch abwenden und strichen nach dem x-ten, genau genommen vierzehnten, sich kaum verkaufenden Album die Segel. Aus Joey, Johnny, Dee Dee und Tommy war ohnehin längst Joey, Johnny, C.J. und wer auch immer - seit einigen Jahren war es wieder Marky - trommeln wollte, geworden. Die Platte verkauften sich wie gesagt nicht, dafür gingen die Fanartikel weg wie warme Semmeln, auch die Tourneen waren jeglichen stimmlichen Abnutzungserscheinungen zum Trotz immer noch legendär und meistens von Erfolg gekrönt.

Zeit also, eine Entscheidung zu treffen und sich diesen entmutigenden Spagat nicht länger anzutun. Ein Ultimatum wurde gestellt, wonach die Band bei moderaten Verkäufen von ¡Adiós Amigos! noch ein bisschen länger im Business verweilt wäre. Wenig überraschend wurde daraus auch im x-ten, genau genommen vierzehnten, Anlauf nix und die einflussreichste Punk-Band aller Zeiten lebte fortan im Perfekt.

 

Diesem ehrenhaften Titel wird das Quartett jedenfalls auch beim letzten gemeinsamen Abrocken gerecht, einige Aspekte springen besonders schnell ins geübte Auge bzw. Ohr. C.J., der den Punk-Opas nach Dee Dees Abgang eine ordentliche Portion jugendlicher Frische verpassen sollte, wirkt endlich bestens integriert. Nachdem bei den beiden Vorgängern die aufgerissene Lücke des abgewanderten Bassisten noch nicht so recht zu stopfen war, agiert er hier in der Bandkonstellation als vollwertiger und scheinbar auch gleichberechtigter Ramone - und das heißt, wie wir wissen, in erster Instanz eines: richtig Gas geben! Mit Produzent und Joeys Kumpel Daniel Rey und dem kernigen Gitarrensound, den er der LP beschert, herrscht auf und abseits der Platte eine Aufbruchsstimmung, wie man sie seit Too Tough To Die nicht mehr vernommen hatte, die selbstironische Illustration der Dinosaurier am Artwork anstatt der konservativen Bandfotos trägt ebenfalls zur guten Stimmung bei.

Umso schöner ist dann eigentlich nur noch, dass sich selbst auf dieser, der allerletzten Ramones-Scheibe auch noch der ein oder andere bandeigene Klassiker herausfiltern lässt. Das von Tom Waits geschriebene I Don't Want To Grow Up ist den Punkern und vor allem Joeys Attitüde auf den Leib geschnitten, seine bemühte, zeitlos unverwüstliche Performance in Verbindung mit dem bereits angeschnittenen Gitarrensound, der noch weiter für Furore sorgen würde, ist einfach grandios. Die besten Momente gehen auch anderswo auf sein Konto. Das in seinem sonnigen Optimismus lieblich anmutende Life's A Gas kommt auch mit seinem knappen Dutzend an verwendeten Worten bestens aus, zeichnet damit und mit Joeys unverwechselbaren, schlicht unnachahmbaren Gesang den klassischen Song des charismatischen Sängers, mit dem düsteren She Talks To Rainbows geht es mit fesselnder Bildsprache in die andere Richtung, ohne allerdings einen Hauch von Intensität einzubüßen.

 

Während Joey auf der letzten LP also mit weißer Weste davonkommt, seine beiden Nummern neben dem Waits-Cover als absolute Highlights herausragen, wirft sein bemühter Mitspieler C.J. deutlich gemischtere Ergebnisse ab. Scattergun kommt mit seinem mächtigem Gitarrenriff vielversprechend daher, zeigt in seinem hohlen Text aber deutlich die songschreiberischen Schwächen des Bassisten auf, während I Got A Lot To Say die ordentliche Portion Selbstironie und jene, in seiner Schlichtheit an die Anfangszeit erinnernde Aussage parat hält, die ¡Adiós Amigos! zu so einem würdigen Abschluss machen.

Mit Ausnahme einer mäßigen Marky-Nummer (Have A Nice Day) und einem soliden Johnny Thunders-Cover (I Love You) verdankt die Band den Rest ihrem alten Kumpel Dee Dee und Produzent Daniel Rey. The Crusher wird zum überaus gelungenen Zusammenspiel von Joey und C.J., das seine Magie gerade in der Gegensätzlichkeit ihrer beiden Parts und dem - ich erwähne es gerne erneut - wohl besten Gitarrensound einer Ramones-LP entfaltet und mit dem abschließenden Born To Die In Berlin, auf dem Dee Dee sogar einen Gastauftritt verbucht und sich wie so oft in letzter Zeit ein Kreis schließt, endet die noch jedem Album nach 1977 gerecht geworden wäre.

 

Da tut es auch nichts zur Sache, dass der nicht erwähnte Rest keiner Erwähnung bedarf. Die Ramones kämpfen ein letztes Mal, bescheren sich mit Daniel Rey die beste Produktion seit Too Tough To Die und verabschieden sich mit einem Album, das in der Summe deutlich mehr ist, als seine Einzelteile. Alter mag vielleicht nicht vor Torheit schützen, aber ein bisschen Torheit braucht es manchmal, um nach über zwanzig Jahren und ebenso vielen Rückschlägen noch eine LP herauszuhauen, die dem Standard einer großen Band mehr als nur gerecht wird.

"Life's a gas, life's a gas, life's a gas, a gas, oh yeah

Life's a gas, life's a gas, life's a gas, a gas, oh yeah"

 


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