von Kristoffer Leitgeb, 09.04.2016
Das Musik-Text-Paradoxon und die alles entscheidende Frage, wie die Weltrettung passieren soll.
Politik ist schwierig, mühsam, kompliziert, lösungslos und latent ernüchternd. Zum Scheiß'n also, wie der Wiener sagt. Vor allem dann, wenn man sich mit ihr über einen längeren Zeitraum auf einem Niveau beschäftigt hat, das die Schlagzeilen der "Heute"-Zeitung übersteigt. Deswegen ein dreifaches Hoch auf ein Revival des Biedermeier-Rückzugs ins Privatleben. Die endgültige Kapitulation vor der Komplexität gesellschaftlichen Zusammenlebens, natürlich. Aber für das im Millionenverbund recht machtberaubte Individuum ein Schritt in eine mögliche Sorgenfreiheit und das ohne große Konsequenzen. Ok, es geht nobler, mutiger, optimistischer, aber es bedarf schon entweder einer narzisstischen Sicherheit bezüglich der eigenen Ideen oder naiver Gutgläubigkeit, um wirklich darauf einzusteigen. Man könnte ja mal bei Rage Against The Machine nachfragen, was eher der Fall ist. Die sind auch auf Album #2 noch damit beschäftigt, der Welt die Welt zu erklären und den Aufstand gegen die Obrigkeit anzuzetteln. Auf die Musik wird nicht vergessen, was den Widerspruch zum Programm werden lässt.
Zumindest wäre er es, hätte nicht bereits die Qualität dieses Plätzchen eingenommen. Es ist dies nicht umsonst die Band, die selbst so manchem Rap- und Nu-Metal-Feind noch ein Freudentränchen beschert hat, damals, in den turbulenten 90ern. Die musikalischen Fertigkeiten vor allem eines Mannes, Tom Morello, sind nur schwer zu überschätzen. Der kennt sich nicht nur an seiner Gitarre, sondern offensichtlich auch mit dem breit gefächerten Drumherum sehr gut aus, was ihn hier mehr noch als auf dem Vorgänger die Effekt-Hascherei zur Kunst erheben lässt. Ob mit offensichtlicher Nähe zum Funk-Metal der Chili Peppers, mit punkiger Uneleganz wie in Tire Me oder dem Gitarrenäquivalent von an der Tafel kratzenden Fingernägeln im Closer Year Of Tha Boomerang, fad wird's mit ihm nicht.
Was er so klanglich aufführt, ist eine Besinnung auf die Stärken von Sabbath und Led Zeppelin mit deftigen Riffs, die den Blues im Gepäck haben, aber auch ein Umherstreifen in den Sphären des Funk. Dem begegnet man kaum einmal wirklich funkig, zumindest kann bei den knochigen und ausgetrockneten Riffs von People Of The Sun oder Vietnow nicht von entsprechender Atmosphäre die Rede sein. Doch im Verbund mit dem zurückhaltenden, aber antreibenden Bass und den aus härteren Gefilden stammenden Drums baut die LP schnell eine interessante Eigendynamik auf. Eine, die sich mit gekonnten Tempowechseln einstellt, mit dem Gefühl für den richtigen Einsatz beklemmender Ruhe und, ganz wichtig, mit der notwendigen rohen Kraft.
Was nun zum schwierigen Dilemma wird, ist die offensichtliche Inkongruenz des musikalischen Fundaments mit den eigentlich gewichtigen Worten vom Master of Ceremony, Zach de la Rocha. Der ist, so viel sei gesagt, ein ordentlicher Rapper in dem Sinne, dass er sich seiner Rhymes energiegeladen und mit aller gebotenen Wut entledigt, dabei nicht darauf vergisst, die Harmonie mit der Musik zu suchen. Das wäre schon ein starkes Gesamtpaket, bliebe nicht der Wermutstropfen, dass man von den eigentlich so stark gebastelten Texten oft eher wenig mitbekommt. Keine Notwendigkeit, doch die so präzise eingestreuten Riffs, die geradlinige und doch manchmal recht abenteuerliche Background-Gestaltung, sie lenken ab. Das ist deswegen schade, weil bei Zeiten so verdammt viel zusammenpasst, dass man es sich auch gerne öfter vorstellen könnte. Revolver ist so ein Fall, eigentlich sogar der Paradefall. Dort trifft man mit den düsteren, ruhigen Strophen und de la Rochas gedämpften Zeilen den idealen Ton, spendiert noch dazu den perfekt intonierten Wutausbruch pünktlich zum Refrain. Dabei beginnt der Song mit seinen psychedelisch angehauchten, verschwommenen Gitarren-Echos zu Beginn so anders, streut noch ein Led Zeppelin-Gedenk-Intro ein. Beginnt aber die Geschichte von der schießwütigen Frau, die sich am gewalttätigen Mann rächt, ist das schnell vergessen, die harte Realität klingt dann auf ihre Art virtuos und bedenklich gleichzeitig.
Ähnlich atmosphärisch ist man sonst nie, dafür umso aggressiver. Das wirkt selten Wunder, doch sowohl die sehr straighte Erfolgssingle Bulls On Parade als auch das kurze Tire Me zeigen die Stärken des in Quartett-Form angetretenen Kraftpakets sehr überzeugend auf. Dort findet dann das eine Fortsetzung, was schon auf dem Debüt für die besten Momente gesorgt hat, nämlich von systemkritischer Politik geprägte Raserei, die trotzdem nie so sehr außer Kontrolle gerät, dass sie ihre Form verliert. Etwas subtiler ist trotzdem auch ganz nett, wobei man sich ohnehin nie ein Blatt vor den Mund nimmt. Vietnow illustriert aber bestens die Ambivalenz des Sounds, der zwischen dem Blasen zum Angriff gegen politische Radioprediger und fast schon locker-eingängigem Groove steckt. Wiederum fällt der Fokus auf den Text schwer und doch lohnt er sich:
"While tha paranoid try to stuff tha void
Let's capture this A.M. mayhem undressed
And blessed by the lord
Tha power pendulum swings by tha umbilical cord
Shock around tha clock, from noon 'til noon"
Year Of Tha Boomerang kann nicht weniger, stützt sich auf eine der wirksamsten Annäherungen an funkige Rhythmik, verschärft aber den Ton mit den kratzigen, schrillen Gitarreneffekten ohne auf übremäßige Krafteinsätze zu bauen. Damit hält man sich in einer Schwebe zwischen melodischer Anziehungskraft und gewollt mühsamer Eindringlichkeit.
Doch der Mangel an Kraftakten, vor allem in der zweiten Hälfte, ist es auch, der hinter die gelungene Zusammensetzung der großartigen Arbeit jedes Band-Bausteins ein bisschen ein Fragezeichen setzt. Während sich nämlich Morello genüsslich an seiner Gitarre austobt, Tim Commerford in Without A Face zwischenzeitlich gemütlich einen auf John Paul Jones macht und Roll Right abseits der manipulierten Gitarrennadelstiche überhaupt nach einer Led Zeppelin-Rendition klingt, geht das Momentum verloren. Botschaften versanden, auch wenn sie sich noblen Themen widmen, de la Rochas erfinderische Texte wirken mitunter dank diverser Referenzen auf dies und das überhaupt eher obskur als zündend, verbergen ihren waren Gehalt.
Das lässt dann endgültig das Programm für eine liberalere und sozialere Gesellschaft aus dem Fokus geraten. Und es ist einigermaßen überraschend, wie wenig das ausmacht. Das wiederum bedeutet nur einen weiteren Qualitätsbeweis, kann doch eine der politischsten Rock-Bands der 90er auch darauf verzichten, klar und deutlich gehört zu werden, ohne wirklich zu versanden. Dafür klingt man zu versiert, zu präzise und zu leidenschaftlich. Dahingehend hat sich nicht viel geändert seit dem Debüt, nur subtiler ist man geworden, sowohl musikalisch als auch textlich. Für die einen ist das ein zusätzlicher Bonus, für die anderen fordert es kleine Abstriche. Die Realität ist: Rage Against The Machine sorgen mit ihrem feingetunten Metal dafür, dass die Politik nicht mehr so mühsam wirkt und fast sogar Veränderung in der Luft liegt. Nicht gar so sehr wie anno dazumal Dylan, aber man muss es ja nicht gleich übertreiben mit den Erwartungen.