Letztes Durchatmen vor dem großen Knall: Ein Pedant sucht sich selbst.
Die Kunst, die Kunst, sie ist eine Gunst. Von Göttern gegeben, umsunst [sic]! Was für ein Mann, was für ein Albumcover. Wie sagte einst ein Kollege von noblem Stande, ehe er Letzteres zum schlechtesten Cover aller Zeiten und damit tatsächlich vor den CSN-Würsten, Heino und Back To The Shit kürte? "Allerdings macht es einem die unglaublich majestätische Mischung aus seiner wallenden Mähne, seines fein getrimmten Bärtchens und des Pelzansatzes an der Hühnerbrust dann doch wieder leicht, die richtige Entscheidung zu treffen. [...] Tja, Prince eben." Tja, Kunst eben! Man muss dem naiven Kollegen schon zugutehalten, dass er seinen kümmerlichen Sinn für Ästhetik stets mit einem flotten Spruch zu kaschieren weiß. Verzeihlich ist diese Majestätsbeleidung aber keineswegs, strahlt die Kunst des selbstbetitelten zweiten Albums vom letztjährig verstorbenen Vollblutmusiker in all seiner babyblauen Pracht und wird nur noch vom Backcover der LP übertroffen, auf dem der Exzentriker nackt und verschwommen auf einem weißen Pegasus sitzt.
Von dieser Kunst könnten sich die neun versammelten Tracks gerne eine Scheibe mehr abschneiden. Zugegeben, es war kein einfacher Weg für Prince, vom braven R&B-Singer-Songwriter mit Hang zu sexuellem Mitteilungsbedürfnis zum provokativen Soundtüftler zwischen Pop-Perfektion und Funk-Exzess. Immerhin, Lead- und erste Hit-Single I Wanna Be Your Lover pendelt sich in seiner Albumversion bereits genau dort ein, wo der gutgemeint laszive Falsettgesang der Single-Version in einem sanften Fade-Out ausklingen würde, hier aber noch zwischen optimistischen Synthesizern gute drei Minuten bald obligatorisch werdende Funk-Rhythmen zelebriert. Die Instrumente der LP spielte Prince, wie auch schon am Debüt, übrigens alle selbst ein - gemeinsam mit der stets in Eigenregie erledigten Produktionsarbeit eines der prägenden Charakteristika für das Schaffen des Perfektionisten. Und nach dem kommerziellen Flop seiner Debütplatte vor allem ein mutiger Zug. Wer so früh in seiner Karriere bereits alle künstlerischen Freiheiten genießt und über ein derartiges Selbstbewusstsein verfügt, der kommt gelegentlich auf blöde Ideen, die einem ein anderer Produzent als man selbst oder potenzielle Kollegen womöglich ausreden hätten können. Da hätten wir einmal die trägen Balladen, die sich hier in Form von When We're Dancing Close And Slow und besonders With You ausdrücken. Später sollte Prince ein gutes Gefühl dafür entwickeln, seine Upbeat-Brecher mit seinen besser werdenden, gefühlvollen Downbeat-Songs zu kontrastieren. Hier fehlt es dafür noch an allem. Zu brav, zu wenig originell, zu kitschig oder einfach: stinklangweilig. Musikalisch weit spannender, indes noch unausgereift, ist die Idee von Bambi. Als raubeiniger Rocker mit verzerrten Gitarrenlicks immerhin die Blaupause für seine Vorstellung einer Vermählung von Funk-Synthesizern mit seinem in weiterer Folge charakteristisch werdenden Gitarrenspiel.
Am besten ist das Album dann, wenn es auf den positiven Meriten seines ebenfalls zerfahrenen Vorgängers aufbaut und mit tanzbarem Disco-Funk auffährt. Neben der prima Lead-Single I Wanna Be Your Lover trifft das in erster Linie auf I Feel For You, das einige Jahre später zu einem großen Hit und Grammy-Abräumer für Chaka Khan werden sollte, und Why You Wanna Treat Me So Bad? zu. Während letztgenannte Nummer nicht zuletzt wegen ihrer überdrehten Natur samt quirliger Synth-Sequenzen die Tür für spätere Kracher mit selbigen Attributen öffnen sollte, ist es auf erstgenannter primär der geschmeidige Funk-Beat, an den sich der Falsettgesang von Prince fein anschmiegt und der dadurch zum Katalysator für einige der besten Minuten auf der LP wird. Prinzipiell lässt sich in diesem frühen Stadium in Prince‘ Karriere schon sagen, dass sich der Künstler abgesehen von späteren minimalistischen Experimenten (Kiss) in diesen beschwingteren, gleichzeitig vermehrt ausgetüftelten Klangsphären besser entfalten kann als auf den statischen R&B-Balladen, die trotz gefühlvollem Gesang vor allem Tiefe vermissen lassen.
Bei dem verbleibenden Drittel an Tracks auf Prince lässt der
pedantische Eigenbrötler nichts mehr anbrennen. Closer It's Gonna Be Lonely und Still Waiting dank einer
schönen Klaviermelodie beweisen mithin, dass eine Hoffnung auf gehaltvolle balladeske Songs durchaus gerechtfertigt ist. Gemeinsam mit dem lässig verspielten Sexy Dancer, das sich im selben Terrain wie die herausragenden Nummern des Albums befindet, wird zudem der letzte Beweis für eine augenscheinliche Entwicklung
vom Langspieldebüt offenkundig.
Eine Entwicklung, die sich zwar in marginaler Form, dafür aber auf nahezu allen Ebenen äußert. Die Songs sind besser, das Gefühl für ineinandergreifende Soundgefüge und zu guter Letzt auch Prince
Darbietung als Sänger und Multiinstrumentalist. Demgegenüber stehen allerdings nach wie vor altbekannte Schwächen wie das einschläfernd maue Süßholzgeraspel der beiden Balladen, die teils
richtungs- und farblose Marschrichtung (Bambi mehr interessantes Grundkonzept, denn gelungene Komposition) oder das nicht so recht zündende
Zusammenspiel der verschiedenen Strömungen am zweiten Longplayer. Insofern ist Prince letztlich ein logischer, notwendiger Zwischenschritt vor dem
Kurswechsel und einem damit einhergehenden Triumphzug der 80er, für sich selbst genommen aber nicht mehr als ein nettes, über weite Strecken angenehm hörbares Stück Pop/Funk/R&B-Hybrid, das
im Gegensatz zu seinem weiteren Schaffen nicht nur von ihm selbst hätte aufgenommen worden sein können. Prince vor seiner Zeit als Prince quasi. Tja, Prince eben.