Pink Floyd - A Saucerful Of Secrets

 

A Saucerful Of Secrets

 

Pink Floyd

Veröffentlichungsdatum: 29.06.1968

 

Rating: 7 / 10

von Mathias Haden, 23.11.2016


Ring out the old, ring in the new: Der Floydsche Umbruch als kurzlebiges Quintett.

 

Missverstanden zu werden gehört doch praktisch zu jeder kitschigen Erfolgsstory der Sechziger. Zuerst verkannt, dann gefeiert und heute nach wie vor tief im Rektum steckend. Kennt man ja, diese Geschichten von Avant-Garde-Jazz-, Avant-Garde-Pop- oder Avant-Garde-Avant-Garde-Künstlern. Bei den vergleichsweise bieder langweiligen Proggern von Pink Floyd verhält es sich freilich anders, wurde bereits das Debüt The Piper At The Gates Of Dawn zwar nicht überschwänglich, aber doch wärmstens aufgenommen. 1967 eben. Viel Neues, viel Experimentierfreudiges und verdammt viel Gutes. Als der Nachfolger A Saucerful Of Secrets nicht mal ein ganzes Jahr später in die Läden kam, waren die Erwartungen dementsprechend hoch, auf den löblichen Meriten des Vorgängers aufzubauen. Jedoch - so kam es nicht. Das zweite Album der Briten erschien, entlockte sogar dem Rolling Stone einen Begriff wie "mediocre" und sollte sogar bis zum heutigen Tag Meinungen spalten. Missverstanden eben. Denn A Saucerful Of Secrets kann zum einen auf so manche Feinheit stolz sein, die es unter die besseren Veröffentlichung der Band spülen muss, andererseits ist es auch das liebste Pink Floyd-Album von Drummer Nick Mason.

 

Nick Mason? Wen interessiert der alte Knacker? Und dann ausgerechnet der Drummer... Ich sehe schon, hier steckt der Review in einer Sackgasse. Immerhin ein Anknüpfungspunkt, denn dort steckten auch Mason, Roger Waters, Richard Wright und Neuankömmling David Gilmour, als sie sich mit der Entscheidung rumplagen mussten, zwischen dem immer sporadischer aufblitzenden Genie des Bandleaders Syd Barrett, unter dessen Führung das Debüt zu einem Klassiker heranreifte, und dem womöglich bald eintrudelnden Weltruhm entscheiden. So kam es, wie es kommen musste und Barrett und seine immer exzentrischer werdenden Launen mussten gehen - nicht aber, ohne auf der zweiten LP zumindest einen kleinen Stempel zu hinterlassen. Zwar findet sich in den Songwriting-Credits nur eine einzige Erwähnung, am leichtfüßig überdrehten Psych-Pop von Jugband Blues, doch ist er noch gelegentlich auf der Gitarre zu hören und darum steht das zentrale Stück der LP, Set The Controls For The Heart Of The Sun, als einziges der Bandgeschichte da, das alle fünf Mitglieder vereint. Nichtsdestotrotz ist es hier Waters, der mit seinem hypnotischen Bass und einer Art melodischen Raunens viel zu den unheilvollen Schwingungen, die das kleine Meisterwerk des Albums ausmachen, beiträgt. Daneben trommelt besagter Mason noch wie ein junger Gott, während Wright an Orgel und allerlei Percussions den Rest besorgt. Ach ja, Gilmour und Barrett würgen ihre Gitarren auch noch irgendwo im Hintergrund.

 

Auch auf anderen Teilen des sieben Tracks fassenden Werkes wird gut musiziert. Zwar sind die psychedelischen Anklänge des Debüts noch omnipräsent, aber ist der von Barrett ausgegangene Pop-Faktor auf ein beunruhigendes Minimum heruntergefahren. Stattdessen hat man sich bereits tatsächlich dort eingenistet, wo Interstellar Overdrive vom Vorgänger hinschielte: in einer spacig angehauchten Prog-Rock-Nische, die nach wie vor Sympathien für die psychedelischen Avancen des Summer of Love aufweist. Und siehe da, auch A Saucerful Of Secrets hat sein Interstellar Overdrive, nämlich den Titeltrack. Gänzlich instrumental und aus vier separaten Stücken zusammengeschustert, rauscht dieser über zwölf Minuten zwischen dröhnendem Gitarren-Feedback, nimmermüden Drums und desorientierten Percussions durch eine aufreibende Sound-Oddysee. Dagegen ist Opener Let There Be More Light in Sachen Arrangement und Komplexität ein musikalisches Leichtgewicht, das dank Wrights mächtiger, variabel einsetzbarer Orgel und dem mehrstimmigen Gesang von ebendiesem und den bald dominierenden Gilmour und Waters dennoch ein Highlight des frühen, psychedelischen Floyd-Opus stellt.

 

Dagegen wiederum fällt das überdrehte, kindliche Kinkerlitzchen namens Corporal Clegg, auf dem sich neben einem obskuren Gastauftritt von Produzent Norman Smith mit Beiträgen von Mason als Sänger und Gilmour am nervig tütenden Kazoo auch weitere Schwachsinnigkeiten vorfinden, deutlich biederer aus. Als leichtfüßiges Auflockerungsstück mit Anti-Kriegs-Message zwischen den beiden ambitioniertesten Stücken Set The Controls For The Heart Of The Sun und A Saucerful Of Secrets ist der Corporal zwar ganz gut aufgehoben, über seine idiotischen Banalitäten kann da natürlich nur wenig hinwegtäuschen. Das zweite unbrauchbare Teil der LP hört auf den Namen See-Saw, ist trotz beherztem Zutun der Kollegen praktisch ein Richard Wright-Solotrack. Unter seiner Leitung mäandert das von ihm geschriebene Stück ziellos und frei von jeglichen brauchbaren Melodiebögen direkt ins Herz der Langeweile, auch gesanglich schafft es der gefinkelte Multiinstrumentalist nicht, Spannung aufkommen zu lassen - das gelingt ihm auf seinem anderen Song, Remember A Day, dank hundertfach besserer Melodie und einer gesunden Portion Pop-Appeal wesentlich besser.

 

Wäre letzterer auf der zweiten LP von Pink Floyd ein wenig präsenter, das einstige Genie Syd Barrett zu jener Zeit nicht bereits vollkommen umnachtet gewesen, das einzige Album als Quintett könnte ja so großartig sein. Kein Wunder, dass A Saucerful Of Secrets einen schweren Stand hat, bei Fans und Kritikern. Dabei hat die Scheibe doch alles, was die Londoner je ausgemacht hat, wenn auch zu ungleichen Teilen. Scheinbar mögen die Liebhaber der Band, immerhin ja wie manch andere in dieser Zeit musikalisch sozialisiert und damit einhergehend erzkonservativ, vielseitige musikalische Abenteuer aber weniger und können mit der vermeintlich offensichtlichen Chancengleichheit auf der LP wenig anfangen. Naja, vielleicht reicht es in diesem Leben ja noch für den Klassikerstatus. Wäre nicht das erste Mal.

 


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