von Kristoffer Leitgeb, 28.11.2013
Variantenreicher denn je und doch fehlt fast jegliche Originalität. Collins 1996 ist die Light-Version von Collins 1985.
Panta Rhei - alles fließt. Schon der alte Grieche Heraklit hat es damals gewusst, alles ändert sich, nichts bleibt ewig. Und nun stehen wir im Jahre 1996 und das, was diesmal an der schwierigen Aufgabe scheitert, ewig zu bestehen, ist die alte Rumpelkapelle von Genesis. Die waren zwar nie eine Rumpelkapelle, sondern viel mehr Legenden des Prog Rock und weniger legendäre Pop-Stars, aber zumindest waren sie da doch schon ziemlich alt. Letztlich ist es der große Macher Phil Collins selbst, der sich aus dem Projekt verabschiedet. Der Grund: Die Solo-Karriere muss vorangetrieben werden. Das passiert in Form von "Dance Into The Light", einer Rückbesinnung auf die guten alten Tage von Hits wie Can't Hurry Love oder Sussudio, ein lockeres Aufatmen nach langen Jahren biederen Ernstes.
Zumindest sieht so der Plan aus. Und zumindest was die Stimmung betrifft, kann man das ruhig so stehen lassen. Denn im Gegensatz zu "...But Seriously" und vor allem "Both Sides" ist diese LP ein Ausbund an Lebensfreude, bietet schwungvolle, energetische Up-Tempo-Nummern, wie man sie vom großen Helden des 80s-Pop kaum noch kennt. Gedrückte Melodien gibt's selten, wirklich Tiefgründiges werfen die Texte auch nicht ab und so scheint alles bereit für eine Wiedergeburt des gestrauchelten Hit-Schreibers.
Wenn das nur so leicht wäre. Nicht viel erinnert hier an Collins' beste Zeiten, vielleicht scheint Opener, Titeltrack und Lead-Single Dance Into The Light noch am ehesten dem Erwarteten zu entsprechen. Dort kombiniert er nämlich seine simplen Pop-Rhythmen gekonnt mit den immer offensichtlicher werdenden afrikanischen Einflüssen, versprüht eine ehrliche Aufbruchsstimmung und bietet mit den selbst eingespielten Drums, dem mehrstimmigen Gesang und den Top-Bläsern echte Vitalität. "There'll be no more hiding in shadows of fear / There'll be no more chains to hold you / The future is yours - you hold the key" singt er uns entgegen und man lässt es gerne geschehen.
Nun warten aber doch noch 12 weitere Tracks, die keineswegs alle an das Eröffnungsniveau heranreichen. Da finden sich interessante Dinge. In Lorenzo und River So Wide zeigen sich mit den offensiven Drums - die Drum Machine hat Collins diesmal überhaupt im Keller gelassen -, dem pulsierenden Bass, vor allem aber der vielfältigen Percussion die prägnanten World-Einflüsse, die das Album definieren. That's What You Said, No Matter Who oder It's In Your Eyes bieten mehr Gitarren-Sounds als die beiden vorherigen LPs kombiniert, mit Wear My Hat finden sich erstmals stark umgesetzte Latin-Eindrücke und mit der Gospel-Nummer Take Me Down bietet Collins eine dezente, wenn auch weit schnellere Erinnerung an sein Erfolgsdebüt "Face Value". Dass nichts von all dem so gut funktioniert, wie es wohl eigentlich geplant war, bricht dem Mann hinter einer Unzahl kitschiger Balladen allerdings das Genick. Denn Lorenzo verliert sich in seinem schwierigen, letztlich nichtssagenden Text und den über fast sechs Minuten mehr als eintönigen Klang-Spielereien, No Matter Who gehört zusammen mit dem dank verzerrter Gitarren noch mühsameren The Same Moon in die erwähnte Kategorie 'kitschige Ballade', diesmal in ganz farblos.
Um ihm nicht ganz Unrecht zu tun, soll als Verteidigung stehen bleiben, dass ihm das Bemühen um frische Tracks nicht abzusprechen ist. Es geht allerdings nur bei zwei Gelegenheiten auf. Die Ballade Love Police überzeugt als einziger gitarrenlastiger Song wirklich, bietet die dafür nötige Melancholie und dazu das perfekte Tempo mitsamt Collins' auch auf Albumlänge starker Gesangsperformance. Gospelstück Take Me Down profitiert dafür vom sprunghaften Sound, dem treibenden Bass und der starken Kombination aus Bläsern und Background-Gesang. Abseits davon finden sich Tracks, die trotz den erwähnten neuen Einflüssen unsympathisch Collins-typisch wirken. That's What You Said, It's In Your Eyes, River So Wide und auch das Dylan-Cover The Times They Are A-Changin'. Alles nette Nummern, die durchaus kurzweilig sein können, sich aber, nachdem das Album durch ist, kaum eine Minute im Gedächtnis halten. Als einzige Ausnahme bleibt einem da noch Wear My Hat, dessen hyperaktive Mischung aus Samba und einem leichten Big Band-Sound durchaus mit dem Text über aufdringliche Groupies harmoniert, auf fünf Minuten aber wohl doch zu viel ist.
Gerade in der Nummer ist es zwar weniger offensichtlich, aber auch die Lyrics sind keineswegs eine große Stärke der LP. Während Just Another Story auf vielfältige Weise wieder in Richtung Gesellschaftskritik zurückschwimmt, gelingt Collins ansonsten abseits von seinen typischen, ab und an schwer zu schluckenden Liebesliedern, meist von der schnulzigsten Sorte (No Matter Who lässt grüßen), und der abseits vom Titeltrack eher wirkungslosen Aufbruchsstimmung nichts Nennenswertes. Die Ausnahme bleibt der Melancholiker des Albums, Love Police, der weder in die Spalte 'kitschig' noch 'bedeutungslos' hinein muss.
Mit dem großen Erfolgscomeback nach dem Genesis-Abgang und vor allem auch den enttäuschenden Verkäufen des Vorgängers wurde es also nichts. Weder kommerziell noch künstlerisch wurde 1996 zum Jahr des Erfolgs für Phil Collins. Dabei sollte man ihm nicht den Vorwurf machen, es nicht zur Genüge probiert zu haben. Man könnte auch kaum sagen, die Lieder wären reine Katstrophen, aber mit "Dance Into The Light" liefert einem der 80er-Jahre-King das professionell produzierte Äquivalent von verdammt guter Fahrstuhlmusik ab. Ein Langweiler ohne eigenen Charakter, mit netten Ideen und doch nur wenigen Treffern.