von Kristoffer Leitgeb, 10.01.2015
Zur Freude aller Ironie-Liebhaber: Das Produzentengenie produziert verdammt wenig Fertiges.
Frisch wie am ersten Tag, der junge Mann. Und wer glaubt's, der erste Tag ist immerhin über 20 Jahre her. Kannte man ihn vor Robin Thicke's Blurred Lines und seinem Daft Punk-Gastspiel auf Get Lucky nicht, dann nur, weil er als Teil des Duos The Neptunes die Hits produzierte, dann aber nicht zum Interpretieren selbiger gekommen ist. Dass es ihn neben einem Dutzend Billboard Top 20-Singles - allerdings allesamt nur als Featured Artist - im Solobereich zuerst einmal ziemlich aufgeplattelt hat auf dem Weg zu ewigem Ruhm, passt da auch wunderbar ins Bild. Letztlich aber sowieso nur eine Frage der Zeit, bis aus dem Megaproduzenten höchstselbst ein Megaseller wird und so ist "G I R L" dann erst wieder logisch und alles andere als überraschend. Immerhin im Musikbusiness lässt sich ja doch ab und an noch ein Happy End bewundern.
Und dem roten Faden folgend kam das Happy End zuallererst einmal mit Happy. Und im Gegensatz zur von Sexismus keinesfalls befreiten Durchschnittlichkeit von Blurred Lines und Get Lucky, ist sein Beitrag zur globalen Erheiterung ein wirklich lohnender. Sein Gemisch rund um soulige Vocals, Funk-Bass und die allgegenwärtigen Claps wird auch als November-Release der ureigenen Definition des Sommerhits gerecht. Ein Ohrwurm, wie man ihn nur einmal im Jahre erlebt, der zu ähnlichen Tanzausbrüchen verleitet, wie es dazumal Avicii mit seinem Levels gern gewollt hätte. Dass das in einem Maße ausgeschlachtet wurde, das wiederum zum Töten animiert, ist ja wohl nicht die Schuld des Amerikaners. Was zusätzlich für alles nur keine Beschwerden sorgt, ist die perfekt austarierte Gesangsperformance, die weit weg davon ist, die hohe Stimme zu quälend auszureizen, sie vielleicht noch ins Funkige hineinzuziehen.
Was er also da richtig gemacht hat, verhunzt er auf den übrigen Tracks allzu oft. Überlängen sind an der Tagesordnung, dröge Beats und mühsamer Funk paaren sich zu mäßigen Minuten und von wirklichem Einfallsreichtum kann nur auf den ersten Blick die Rede sein. Und dass, wo doch Marilyn Monroe mit seinem kurzen Streicher-Intro und der großartigen Bassline vielversprechender kaum eröffnen könnte. Während aber der Refrain schon fast an Happy heranreicht, mutiert die Nummer mit fast sechs Minuten vom genialen Opener zur ordentlichen Eröffnung, die einem wirklichen Genuss nur dann geliefert hätte, wären 120 Sekunden gestrichen worden. Weitere Enttäuschungen folgen auf dem Fuß. Sowohl Hunter als auch Gush präsentieren sich als Funk-Pop mit markanten Gitarreneinsätzen und ebenso auffälligem Bass, leiden aber an Williams' Unwillen den Songs so etwas wie Variantenreichtum mitzugeben. Während sich seine Vocals vermehrt auf ungute Art dem Genre anpassen, den Soul verlieren und stattdessen abgehackt und mühsam hoch daherkommen, passiert in der zweiten Hälfte der Tracks nichts, was nicht auch die erste schon mehrfach geboten hätte. In diese Kerbe der zeitbedingten Langeweile schlägt er ohne Frage auch mit Come Get It Bae, dessen starke Clap/Synthie-Kombo von der Gitarre aufgewertet wird, nur um von unnötigen Background Chants wieder auf den Boden geholt zu werden. Nicht zu reden von den miesen Lyrics, die ganz plötzlich unter die Lobpreisungen der Weiblichkeit wieder den alten Chauvinismus hineinschummeln.
Die abseits davon geplante Glorifizierung des anderen Geschlechts findet aber bei allem Respekt ohnehin nur temporär statt. Das miserable Lost Queen, ein achtminütiger (!!!) Zweiteiler mitsamt afrikanischen Einflüssen und ebensolchem Beat, versucht sich lyrisch minimalistisch an der Aufgabe, zerstört sich aber fast alles durch den störrischen, unpassenden Sound. Die einzigen Momente, die neben Marilyn Monroe dem Motto noch wirklich gerecht werden und sich trotzdem musikalisch gut verkaufen, sind Gust Of Wind und Know Who You Are. Mit tatkräftiger Unterstützung von Daft Punk macht Williams ersteren zur nächsten funkangehauchten Vorstellung, verfeinert die aber einerseits mit stark eingepassten Streichern, andererseits mit dem synthethischen Organ der Franzosen im Refrain. Mit einer äußerst dezenten Synthie-Line gesellt sich zudem ein aufs Minimum reduzierter orientalischer Einfluss dazu. Dafür darf Alicia Keys im Duett von Know Who You Are mit ihrer seidenweichen Stimme den Außenseiter der LP verstärken. Dort wagt Williams nämlich einen Ausflug in Richtung Reggae, dirigiert den treibenden Bass etwas aktiver und mischt lockere Keyboard-Töne dazu. So sorgt er auch gleich für den neben Happy noch am wenigsten vom durchkalkulierten Sound erfassten Song.
Nachdem es andernorts nicht so zugeht, macht seine zweite LP aber weit weniger Spaß, als es einem Pop-Album gelingen sollte. Zumindest von einem vom Tiefgang befreiten Partytypen wie ihm muss man ebensolche leichte Unterhaltung einfordern. Die gibt's kaum und so ist die Frage nach der Existenzberechtigung der zehn Songs nicht ganz von der Hand zu weisen. Wobei, immerhin gibt's Happy. Genau der Track verstärkt allerdings den Gedanken, dass der Produzent Produzent bleiben und sein Solowerk nur ganz sporadisch auf die Menschen loslassen sollte. Für einen Volltreffer hat's gereicht, so viel mehr als ein träges, monotones Funk/R'n'B-Gemisch hat er trotzdem nicht zu Stande gebracht. Ach ja, Justin Timberlake ist auch irgendwo drauf.