von Kristoffer Leitgeb, 19.04.2014
Dance- & Hip-Hop-Spezialist trifft auf Klassik-Ambiente. Es wird ein enger Kampf und ein Sieg nach Punkten für den Favoriten.
Es wäre ja so leicht, wieder das zu machen, was schon so lange gut geklappt hat. Aber nicht mit ihm. Da hat noch jemand Ziele. Dieser jemand hört auf den mäßig anziehenden Namen Peter Fox und er sucht sich dann auch gleich einen Gegner auf Augenhöhe. Denn für den Mann hinter Songs wie Dickes B, Aufstehn oder Ding ist das Babelsberger Orchester, das er sich als tatkräftige Unterstützung holt, komplettes Neuland. Eine Kombination, die zumindest auf den ersten Blick nichts zu tun hat mit einer 'marriage made in heaven'. Viel eher erwartet man etwas wie 'The Beauty & The Beast' wenn Klassik auf einen Dancehall-Spezialisten trifft. So wird es ein lange Zeit offener Kampf für Peter Fox mit dem Projekt "Stadtaffe".
Dabei zeigen sich in den ersten Runden große Vorteile für den energischen Kämpfer aus Berlin. Denn, man glaube es mir oder nicht, Fox' Versuch die Hip-Hop-Welt in Deutschland um eine Facette zu erweitern, geht nicht nur stilistisch, sondern auch qualitativ auf. Zwar erkennt man in Alles Neu oder Schwarz Zu Blau noch immer den altbekannten Hip-Hopper, durch die großartigen Streicher und Percussions des Orchesters begegnet einem jedoch eine Dynamik, die man so noch nicht kennt. Man bleibt reserviert, denn weder die äußerst tanzbare Eröffnung, noch die Anti-Hymne auf Berlin mit Schwarz Zu Blau - atmosphärisch, aber mit unvorteilhaft hartem Beat - reißen einen wirklich vom Hocker. Aber, man merke, hier passt einiges.
Und der Gegner taumelt bereits. Mit Haus Am See und Kopf Verloren geht's nämlich in der Tonart weiter. Erstere beweist als unglaublich relaxte Reggae-Nummer mit dezenten Streichern und gelungenen Wohlfühl-Zeilen große Qualitäten. Dafür gibt's dann den mit Sicherheit besten Auftritt der Klassik-Fraktion mit einem furiosen Intro zu Kopf Verloren, dessen gehetzter Sound zwar auch auf knapp dreieinhalb Minuten bereits zu viel ist, dafür aber den schrägen Zeilen - "Der Kopf rollt, denn er ist rund / Ich hinterher, renn alles um / Bin taub, stumm, blind und dumm / Ein Königreich für einen Blindenhund", ein Lob von mir dafür - eine würdige Bühne bietet. Eine Eröffnung, wie sie besser kaum sein könnte, auch wenn einen Fox ohne Unterlass gerade nicht ins gelobte Land führt. Alles hier ist starke Arbeit, aber die großen All-Time-Favourites sucht man vergebens, nichts ist wirklich zwingend genug, um einen unaufhörlich zum Replay zu zwingen. Trotzdem, wer würde denn jetzt noch auf eine Niederlage für ihn wetten? Scheint ein Sieg auf der ganzen Linie zu werden und der Gegner ist bereits angezählt.
Doch, so schnell kann man kaum hinhören, reißt schon der Faden. Es geht schneller bergab für den Stadtaffen, als man es glauben möchte. Das Zweite Gesicht heißt der Stolperstein. Hier geht viel daneben. Denn bei allem Respekt für die durchdachten Zeilen, die sich Fox zusammenreimt, der große Rest des Songs geht mit wehenden Fahnen unter. Die Musik wird konkurrenzlos von den Streichern dominiert, wird so zu einer anstrengenden, zu aufdringlichen Hommage an so manchen Horror-Soundtrack. Damit geht auch der Rhythmus von Peter Fox flöten. Denn der Flow, der die ersten Nummern in all ihrer Vielfalt durchzogen hat, der ist weg. Und er kommt nicht mehr so wirklich zurück. Lok Auf 2 Beinen, der an Seeed erinnernde Titeltrack oder Fieber. Es geht unaufhörlich bergab. Die Beats werden träger, die Arrangements in gleichem Maße langweiliger und zäher. Dazu kommt die Performance von Fox höchstpersönlich, die zum einen zunehmend an Energie und Momentum verliert und auch im lyrischen Bereich nachlässt.
Die positiven Momente gibt es noch, aber sie machen sich doch rar. Ich Steine, Du Steine zeigt als größte Überraschung der LP auf. Denn vom Seeed-Frontmann eine gelungene Ballade vorgesetzt zu bekommen, damit war nicht zu rechnen. Sie leidet auch, vor allem am mäßigen Gesang des Berliners, aber sie ist der musikalische Lichtblick der zweiten Hälfte. Dabei duelliert sie sich mit Schüttel Deinen Speck, der bei Weitem tanzbarsten Nummer seit dem Opener. Dort gibt's noch einmal großartige Percussions, eine ansprechende Bläser-Sektion und eine mehr als lebendige Gesamtperformance. Dafür lässt der Titel schon erahnen, wie schwierig es in diesen Minuten ist, den Text zu verdauen. Die Worte 'Infantilität' und 'Geschmacklosigkeit' kommen einem in den Sinn, aber man verzeiht es ihm noch einmal.
Schwerer Fehler! Danach wartet das Duett von Peter Fox und Vanessa Mason, Zucker. Auch dort gibt's passable Musik, dafür aber Zeilen die einfach eine Zumutung sind. Das Zwiegespräch zwischen Mann und Frau wird zum Proleten-Duell, bietet eine Reihe fragwürdiger Momente an deren Spitze Dinge wie "Mach' mal nicht auf Drama hier, ich knack' dich wie ein Schalentier", "Du bist attraktiv, Babe, komm, wir dreh'n 'ne Liebesszene / Schenk' mir 'mal ein Lächeln, oder hast du schiefe Zähne?" (Fox) oder aber "Vor mir ist 'ne Pfütze, mach' ne Brücke, mach' dich für mich dreckig" (Mason) stehen. Es bleibt wenigstens der Tiefpunkt der LP. Trotz allem ein unwürdiger Abschluss, ein unerlaubter Tiefschlag sozusagen. Wobei, zwei hat er ja noch. Aber nur Undercover, sprich als Bonus-Tracks hinein geschummelt. Die beiden Instrumental-Tracks von Das Zweite Gesicht und Der Letzte Tag gibt's noch unnötigerweise hinterhergeschmissen. Beide sind durchaus ansehnlich, allerdings nur dann, wenn man sie nicht länger als 60 Sekunden laufen lässt, danach schlägt das Ablaufdatum zu.
Und so passiert das, was kaum noch zu glauben war. Was schon wie ein sicherer Sieg für Peter Fox aussah, wird zu einem zähen Ringen um jede einzelne Minute. Und ihm geht dabei allzu oft die Puste aus. Ja, er hängt doch oft in den Seilen, so souverän er auch in den ersten Minuten auftritt. Das Duell zwischen ihm und der großen Herausforderung innovativen Hip-Hop zu gestalten wird erst in den letzten Runden entschieden und endet letztlich erst nach einem Punktentscheid. Es ist keine klare Sache und tatsächlich gibt's hier Einiges, das ziemlich deutlich für Fox spricht. Da weiß schon einer, woran er sich herantrauen kann. Dass es nicht aufgeht, liegt an vielen Kleinigkeiten, die sich durch die LP ziehen, nicht an der ansprechenden Gesamtidee. Trotzdem, ob ansprechend oder nicht, Fox verliert knapp nach Punkten, darf aber erhobenen Hauptes den Ring verlassen.