von Kristoffer Leitgeb, 13.02.2016
Trotz einiger netter Spielereien heißt's: Willkommen dort, wo selbst die Eintönigkeit aufdringlich wird.
Die Monotonie wird gerne verkannt in Musikkreisen. Zumindest scheint der Begriff selten in positiver Form verwendet zu werden. Doch in der vereinheitlichten Songgestaltung stecken auch Stärken. Sie lässt sich zugegebenermaßen nicht willkürlich überall hin übertragen, Jazz oder Prog Rock kommen mit ihr nicht so gut zurecht. Doch andernorts kennt man die Vorzüge, da dürfen auch locker Siebenminüter in ewig gleicher Gangart voranschreiten und trotzdem meisterwerkähnliche Züge annehmen. Man erinnere sich nur an Songs wie The Same Deep Water As You von The Cure oder Metallicas St. Anger. Hypnotisch darf die Monotonie genauso sein wie depressiv oder der Ausdruck roher Emotion, dann steht einem Volltreffer von dieser Seite nichts mehr im Wege. Pendulum erfüllen mit ihrem Debüt "Hold Your Colour" keine diese Anforderungen, stattdessen gerät deren eintöniger Sound viel zu oft zu einer bemerkenswerten Mischung aus Fadesse und elektronischer Mühsamkeit.
Anno dazumal musste sich der in Drum 'n' Bass komplett unkundige Reviewer, also ich, fragen, ob das nicht irgendwie so gehören könnte, um diesem Genre-Club anzugehören. Mittlerweile ist allerdings klar, da stimmt etwas nicht. Vor allem im mit 'The Twilight Zone'-Ausschnitten vollgestopften Beginn treffen einen die brachialen Elektronikschleifen in ihrer Einförmigkeit wie ein nasser Fetzen ins Gesicht. Die penetranten Synthesizer von Slam konkurrieren viel eher mit dem ausgetrockneten Beat, als dass Harmonie in der Luft läge, und während zur Songmitte in den Hintergrund gedrängte, kühle Computerklänge einen Kraftwerk-esquen Charme erahnen lassen, wird das laute programmierte Allerlei drumherum zur Ausdauerübung.
Die bleibt einem in wenigstens gemütlicherem Maße auch erhalten. Plastic World nimmt zwar mit fließenderem Aufbau und dem leicht souligen Reggae-Stimmchen von Gastsänger Fats eine ruhigere Ausfahrt, findet aber trotz üblichem Drum 'n' Bass-Beat nicht wirklich ins Leben. Dafür mangelt es dem über sechs Minuten langen Schauspiel zu sehr an Abwechslung, aber auch an jeglicher Tiefe.
Es kommen aber bessere Zeiten, bestimmt. Eingeläutet werden die ausgerechnet von der wohl stupidsten Brachial-Nummer der LP, Fasten Your Seatbelt, deren Synthie-Hook im ersten Moment elendiglich billig klingt, nur um in Verbindung mit dem langsameren Breakbeat-Hintergrund irgendwie ins Ohr zu finden, ordentlichen Ruhepol in der Bridge inklusive. Ekstatische Höhen sind trotzdem weit genug entfernt, dass man noch in Seemeilen messen kann, auch bei den wirklichen Höhepunkten der LP ändert sich das nur bedingt. Der Mittelbau gestaltet sich durchwegs gut, bietet zum Beispiel den verführerischen Gastbeitrag von Sängerin Jasmine Yee im trotzdem von wenig anheimelnder Elektronik überladenen Sounds Of Life. Symptomatisch, gibt man sich doch zwischenzeitlich gesitteter und wird mit Girl In The Fire zum ersten und einzigen Male hier wirklich angenehm. Geht auch viel leichter mit einer stark in Einklang gebrachten Mixtur aus Jungle-Sounds, leichten Acid Jazz-Anwandlungen, vor allem aber den lockeren, dezent manipulierten Akustik-Zupfern, die immer wieder helfend einspringen. Da darf man dann sogar kurzzeitig aufs Tempo drücken, es macht nicht mehr viel.
Andere Gangarten können durchaus auch etwas, aber insgesamt nur in homöopathischen Dosen. Die sammelt man aus einigen Tracks zusammen und vereint sie zu Tarantula, dessen Intro dank markanten Bläser-Satzes und Reggae-Beat äußerst positive Schwingungen mitbringt. Die lösen sich schnell auf, mutieren zum aggressiven Jungle-Abenteuer mit den bereits altbekannten knochigen Synthies, aber auch Tenor Fly, dessen tiefe Stimme für wertvolle Ragga-Töne sorgt.
Mit einem Melodie-Remake von Fasten Your Seatbelt in Form des länglichen, aber ordentlich ausstaffierten Out Of Here flacht die Geschichte aber auch schon wieder ab. Vor allem die unglaubliche Leere von The Terminal sticht heraus. Dort ist außer langen Minuten voller ewig gleicher Melodie und unnötigen Stimmverzerrungen nichts zu merken. Auch die zu dem Zeitpunkt schon komplett unerwarteten Auftritte von Frontmann Rob Swire als Sänger ohne klanglicher Manipulation helfen in Streamline nur mehr bedingt, auch wenn dank dessen zurückhaltender, fast ambient-artiger Elektronik noch die Schmalspur-Version eines späten Höhepunkts gelingt.
Das liegt auch daran, dass man zu diesem Zeitpunkt beinahe nicht mehr empfänglich ist für die wiederholt wenig ertragreichen Spielereien der Anglo-Australier. Ist erst einmal die Stundenmarke passiert, warten zwar immer noch vier Tracks, nur ist der Pendulum-Sound da bereits totgespielt, hält keine Varianten mehr bereit. So kommt man dann nicht mehr in die Nähe der klanglichen und qualitativen Ausreißer, die zwischendurch zu hören waren.
Nach dem Motto 'What goes around, comes around' endet "Hold Your Colour" aber immerhin fast so, wie es begonnen hat, nämlich mühsam und uninteressant. Die Performance der Tracklist ähnelt einer Gauß'schen Glockenkurve: Nur in der Mitte geht's wirklich nach oben, rundherum beherrschen mäßige Minuten und miese Komplettausfälle das Bild. Der Vorteil dieser Anordnung ist, dass sich an keinem der Enden zu viel Müll ansammelt, die Gesamtbilanz bleibt davon aber komplett unbeeindruckt. Und die fällt somit eher ernüchternd aus, obwohl sich zwischenzeitlich genau das Talent für genreübergreifende Ausflüge abzeichnet, das der Band damals angedichtet wurde. Ein brauchbares Album hat dabei aber nie und nimmer herausgeschaut.