Paul Simon - The Rhythm Of The Saints

 

The Rhythm Of The Saints

 

Paul Simon

Veröffentlichungsdatum: 16.10.1990

 

Rating: 6.5 / 10

von Mathias Haden, 14.05.2015


Der frischgebackene Pop-Star sucht im südamerikanischen Regenwald vergeblich nach dem zweiten Graceland.

 

Wer könnte ihm denn böse sein, dem lieben Paul? Gerade erst mit Graceland, über fünfzehn Jahre nach der Trennung vom vermeintlichen Lebensmenschen Art Garfunkel, endlich wieder in den Genuss des bombastischen Erfolges gekommen, wollte der Singer-Songwriter natürlich weiter vom Kuchen naschen. Mit seinem Projekt, in den Tiefen Südafrikas Pop in seiner Reinform mit lokalen Instrumenten, Rhythmen und Gästen zu fusionieren, emanzipierte sich Simon endgültig und erreichte auch Solo endlich den Superstarstatus, der ihm nicht einmal mit den beiden Grammys für Still Crazy After These Years so recht gegönnt war. Logisch eigentlich, dass der Amerikaner auch in der Folge auf dasselbe Pferd setzt, nicht aber ohne einen kleinen Tapetenwechsel. Statt der brütenden, afrikanischen Hitze gibt's auf The Rhythm Of The Saints, seiner achten Solo-LP, tropisches Regenwaldklima.

 

Gleiche Marschroute also, und doch irgendwie anders. Früh wird ersichtlich, dass es entgegen dem Vorgänger hier weniger flexiblen Pop mit Worldbeat-Anleihen gibt, sondern eine weit glattgeschliffenere Form dessen. Die Percussions spielen nach wie vor eine große Rolle, wie Rhythmen allgemein, während die zauberhaften Melodien und perfekten, mitreißenden Hooks nicht immer so hell heraus strahlen wie die Sonne Afrikas. Wie gut sich Simon allerdings auch in seiner dritten Dekade als Singer-Songwriter macht, beweist der glorreiche Opener The Obvious Child. Mit rasantem Trommelbeginn stellt sich ein perfekter Rhythmus ein, den der Protagonist dankend annimmt und mit seiner besinnlichsten Stimme an den perfekten Pop des Vorgängers anknüpft:

 

"Well I'm accustomed to a smoother ride

Maybe I'm a dog that's lost his bite

I don't expect to be treated like a fool no more

I don't expect to sleep all night"

 

Leider, leider endet der Jubelgesang bereits nicht lange darauf. Mit The Coast gibt es zuvor aber noch einen seiner besten 90er-Songs serviert. Mit einer herrlich schwungvollen Melodie und berührenden Lyrics über eine Familie, die bei der Kirche Zuflucht sucht, lässt Simon nichts anbrennen; bemerkenswert auch, wie quälend gefühlvoll er 1990 Zeilen wie: "This is a lonely-lone, lonely life / Sorrows everywhere you turn" vortragen kann. Zudem muss man der Riesenpalette an (nicht annähernd ausschließlich brasilianischen) Musikern freilich ein großes Kompliment zollen, die es dem Sänger mit tollem Gitarrenarrangement und den nicht minder formidablen Percussions einfach machen.

 

Dann kommt es aber auch schon zum bereits beschriebenen Leistungsabschwung. Ein perfektes Beispiel für den Hauptaspekt, warum LP #8 nicht annähernd mit ihrem Vorgänger konkurrieren kann, stellt das verspielte Proof dar. Während Bläser, Percussions, und eine Vielzahl weiterer Instrumente, allen voran die brasilianischen Drum-Rhythmen fröhlich vor sich hin spielen, auch Simon und ein Chor ordentlich ins Mikro rein trällern, will der fertige Track in seiner Gesamtheit nicht so recht beim Hörer ankommen. Denn während auf Graceland Pop und Afrika eine tolle Symbiose bildeten, spielen Pop und Brasilien hier im braven Nebeneinander. Can't Run But etwa lebt von seiner unheilvollen Atmosphäre, die eine schräge Mischung aus verschiedensten Percussion-Instrumenten mit unpassenden Synthies auslöst, bleibt songtechnisch aber hinter der musikalischen Darbietung zurück und hätte sich als Instrumental wohl besser verkauft. Zudem schleichen sich über die Gesamtheit des Longplayers neben seinen immer unbrasilianischer werdenden Flair immer wieder dezente Längen hinein, wenn auch nur auf Songlänge. Further To Fly etwa funktioniert in seiner Kombination an treibenden Percussions und lockerer, unaufdringlicher Gitarrenbegleitung ganz gut, zieht sich letztlich über seine fünfeinhalb Minuten, ähnlich dem zähen Closer und Titeltrack, dessen spannungstechnische Probleme weniger in seiner Spieldauer und mehr in seinem unspektakulären Mix seinen Ursprung haben. An dieser Stelle hat man schon bemerkt, dass Simon hier einige tolle Musiker um sich versammelt hat, aber das muss wie in diesem Fall nicht immer etwas bedeuten.

 

Paul Simon wäre allerdings nicht Paul Simon, würde er nicht zwischendurch doch noch das eine oder andere Ausrufezeichen platzieren. Born At The Right Time ist mit seiner lockeren, nicht so verkrampft wie vieles auf der LP wirkenden Dynamik und dem wiederum gelungenen Zusammenspiel aus Trommeln und Gitarre der letzte große Gewinner, hätte wohl als einziger Track vom Stil her auch auf Graceland gepasst. Dabei bleibt es dann aber, denn The Rhythm Of The Saints steigt danach nie wieder in die Höhen auf, die die drei folgenden Anspieltipps ausloten. Was bleibt, ist ein insgesamt doch ordentliches Album, das zwar in vielen Funktionen scheitert, nämlich den Vorgänger adäquat zu beerben und wirklich brasilianische Stimmung zu erzeugen, zudem viel zu wenig vom beschwingten Pop, der Simon seit jeher auszeichnet, innehat, nichtsdestotrotz aber genügend Argumente in petto hat, um sich ihm entspannt hingeben zu können. Auch wenn die Suche nach dem nächsten Meisterwerk im südamerikanischen Regenwald letztlich vergebens war, darf The Rhythm Of The Saints doch in keiner ordentlichen Sammlung fehlen, Fans des umtriebigen Entdeckers müssen sowieso bedenkenlos zuschlagen.

 


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