Paul McCartney - Off The Ground

 

Off The Ground

 

Paul McCartney

Veröffentlichungsdatum: 09.02.1993

 

Rating: 6 / 10

von Mathias Haden, 05.11.2013


Der McCartney Express macht mit dem unterschätzten Album in den 90ern Halt.

 

Das Leben eines Ex-Mitglied der Beatles ist definitiv kein leichtes. Besonders, wenn man auf den Namen McCartney hört und verantwortlich ist für einige der schönsten Kompositionen, die je zu Papier gebracht wurden. Immerzu gemessen an den alten Wunderwerken der Fab Four, ist es klarerweise immer wieder eine Ernüchterung für die Medien, wenn ein neues Album von großen Macca in die Läden kommt. Nun ja, natürlich nicht wirklich immer, aber dazu ein anderes Mal. Fast 30 Jahre nach der legendären Gründung der Pilzköpfe fand sich Paul Anfang der 90er bei den Arbeiten zu seinem nunmehr neunten Soloalbum wieder.

 

Wobei 'Solo' wie so oft nicht ganz der Realität entspricht. Nachdem er mit seiner damaligen Begleitband auf Tour war (z.B. bei MTV Unplugged 1991), war er so angetan, dass er mit ihr ein Studioalbum aufnehmen wollte. Dieses spielte die Gruppe live im Studio ein.

McCartney, der die Achtzigerjahre vergleichsweise unbeschadet überstanden hatte, griff ein paar Songs aus einer älteren Session wieder auf und kritzelte in kurzer Zeit die gesamten Texte zusammen.

 

Leider macht sich das rasch bemerkbar. Lausige Textpassagen wechseln sich mit dem Pathos von Vorabsingle Hope of Deliverance und Closer C'Mon People ab. Diese Weltverbesserer-Attitüde ist zwar ganz nett, der Grundgedanke in Ehren, aber einer hätte dann doch genügt. Eher noch Ersterer. Den kennt man ja ohnedies aus dem Radio, macht seinen Job wirklich gut.

Andere Themen derer sich der Pop-Titan (nicht zu verwechseln mit Didi Bohlen) annimmt, sind natürlich Liebe (Off The Ground; Winedark Open Sea), bizarre Appelle gegen Tierversuche (Looking For Changes) und noch mehr Herzschmerz (I Owe It All To You, The Lovers That Never Were).

Das ist aber nichts Neues, McCartney-Fans allerorts schätzen doch genau das so sehr an ihrem Helden.

 

Dass die Band einiges am Kasten hat, dürfte aufgrund der renommierten Namen eigentlich nahe liegen. Da wäre etwa Gitarrist Robbie McIntosh, den man vielleicht aus seiner Zeit mit den Pretenders kennen könnte. Auch Drummer Blair Cunningham ist ein beschlagener Musiker, der schon mit den namhaftesten Künstlern zusammenarbeiten durfte. Und über die multiinstrumentalen McCartneys (Linda ist natürlich auch an Bord) braucht man kein Wort verlieren oder? Großartig beispielsweise die Percussions und Lindas Autoharp in Hope of Deliverance oder das schöne Zusammenspiel im Fade Out von Mistress And Maid, einem der schönsten, und leider unterschätzten Stücke seiner Solokarriere. Wahrlich schön auch das zuckrige Winedark Open Sea.

 

Hört sich bis jetzt ganz ordentlich an. Aber da war doch noch etwas. Ach ja, die zuvor angesprochenen, teils voreilig zusammengesetzten Texte. Da wären die nervenden Wortspiele in Biker Like An Icon oder der alberne Refrain in C'Mon People. Der wäre ohne Zeilen wie "C'Mon people, let the fun begin / We've got a future and it's rushing in / Call all the minstrels from the ancient shrine / Pass down the message that it's right this time" wohl besser ausgekommen. Und was es mit der merkwürdigen Hook ("Fish in a Sunbeam / In Eggshell Seas / Fish in a Sunbeam / Eggshell Finish") im ansonsten angenehmen, zurückgelehnten Golden Earth Girl auf sich hat, bleibt wohl auch besser so dahingestellt. Wirklich nichtssagend ist im Grunde nur das träge Peace In The Neighbourhood mit seinen eingespielten "Doo Doo Doohs" und Konversationsfetzen. Was soll's, musikalisch ist er trotzdem nicht schlecht, wenn auch wie einiges hier zu lang.

 

Leider ist hier einiges schlicht zu glatt, zu einstudiert vorgetragen. Die Band spielt solide, ohne aber an ihre zweifellos entfernteren Grenzen zu gehen. Die Songs sind ganz nett eingespielt, ihnen fehlt aber dieser zündende Funke, dieser Charme, der zum bedingungslosen, gebannten Zuhören animiert, der auf sämtlichen Alben mit den Beatles oder den Wings vorhanden ist. Seine Balladen, in Kombination mit kleinen Rocknummern, funktionieren aber trotzdem immer bis zu einem gewissen Grad und werden das hoffentlich noch viele Jahre tun.

 

Alles aber beileibe keine Gründe, dieses Album vorschnell zu verurteilen. Nein, McCartneys neuntes Soloalbum hat schon seine Momente, die man ihm nicht absprechen kann, bzw. eher die einzelnen Songs. Bekanntlich ist ein Album als Summe oft weniger als seine einzelnen Teile. Hier liegt besagter Fall leider vor. Die Mehrheit der 12 Tracks liefert für sich genommen ein nettes, vielleicht bei manchen etwas zu kitschiges Ergebnis ab. Als Gesamtwerk gesehen, läuft das Album jedoch weit weniger homogen, als vermutlich geplant.

 

Off The Ground ist sicherlich besser als sein vorauseilender Ruf, seine recht unspektakulären, wenig abwechslungsreichen Songs reihen ihn aber zurecht hinter den schönen Vorgänger Flowers In The Dirt und den vielseitigen Nachfolger Flaming Pie.

Die 80er sind jedenfalls überwunden und 'Walrus' Paul wirkt amüsiert wie lange nicht mehr, bei dem was er macht. Dass das Ergebnis von Ex-Perfektionist und Popkoryphäe McCartney erneut nicht an seine stärkeren Veröffentlichungen anknüpfen kann, will und kann man ihm in Anbetracht dieser Tatsache (und sonst natürlich auch nicht, dieser Mann hat bereits genug geleistet!) gar nicht übel nehmen.

 


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