von Kristoffer Leitgeb, 22.12.2013
Identitätslose Durchschnittlichkeit mit überragender Konstanz.
Nu-Metals wohl unwesentlichste Helden sind zurück. Nein, die Rede ist nicht von Linkin Park, deren kommerzieller Erfolg von Genre-Kennern immer belächelt und rasch abgetan wurde. Auch nicht von den Deftones, deren Ansehen bei Genre-Kennern nie zu wirklich großem kommerziellem Erfolg geführt hat. Noch nicht einmal von Fred Dursts Gurkentruppe, genannt Limp Bizkit, die sowieso nie jemanden vom Hocker gerissen hat. Alles falsch, gemeint ist natürlich Papa Roach. Eine Band, die 2000 mit ihrem Durchbruch all das geboten hat, was in den fünf Jahren davor schon von anderen erdacht wurde. Immerhin aber ansprechend umgesetzt. Wiederum zwei Jahre später liegt Nu-Metal kommerziell im Sterben und Papa Roach marschieren klugerweise weiter. Blöderweise direkt in die Mittelmäßigkeit.
Vielleicht vor allem deswegen, weil der Weg, den sie einschlagen, schneller zu Ende ist, als man denken würde. Denn auch wenn diesmal mehr gesungen wird, der mäßige Rap von Jacoby Shaddix nur wenige Auftritte hat, Nu-Metal ist da noch immer herauszuhören. Schon die durchschnittliche Lead-Single She Loves Me Not ist da ein glänzendes Beispiel. Ordentlicher Riff trifft da auf Shaddix in unspektakulärster Ausführung und einen Text, der selbst Last Resort noch wie höchste Poesie wirken lässt. Wenn man das dann noch über dreieinhalb Minuten kaum frisch halten kann, wird's schon schwer.
Leider dümpelt "Lovehatetragedy" allzu oft einfach nur vor sich hin. Zu viele Tracks ließen sich als wenig anziehendes Filler-Material herausnehmen. Dabei ist es auch ziemlich egal, wohin sich die Band wendet. Mit Opener M-80 (Explosive Energy Movement) bekommt man einen Vorgeschmack auf den mäßigen Hard Rock der nächsten LPs, Life Is A Bullet ist der klassische Nu-Metal-Track, nur ohne schnelle Rhymes oder irgendwelche erkennbare Dynamik, und der Titeltrack wird zum verpatzten Versuch eine Ballade auf das Album zu packen. So wird's nichts aus musikalischen Glanzstunden.
Wer auf Fehlersuche geht, der muss ganz zum Beginn zurückwandern. Denn bei aller Wertschätzung für so manche Minuten auf ihren Alben, die letztlich doch beschränkten Fähigkeiten der Bandmitglieder sind nicht zu leugnen. Frontmann Shaddix ist weder ein außergewöhnlicher Sänger, noch könnte man ihn als großartigen Rapper bezeichnen, an den Drums tut sich die meiste Zeit wenig abseits des Notwendigsten und Gitarrist Jerry Horton wirkt diesmal trotz all den guten Riffs, die er auf "Infest" aus dem Ärmel geschüttelt hat, gefangen in der bandeigenen Durchschnittlichkeit. So fehlt es dieser Mannschaft einfach an der Befähigung, wirklich Großes abzuliefern, ein Übersichhinauswachsen scheint kaum irgendwann möglich zu sein.
Aber - und das ist doch ein relativ großes -, wann immer die Band von der ersten Sekunde in einen Song hineinfindet, dann verliert sie die Spur nur selten. Gerade das Duo Time And Time Again und Walking Thru Barbed Wire darf da als Beispiel herhalten. Beide bieten geniale Intro-Riffs und, obwohl über drei Minuten nicht gerade abwechslungsreiche Kost geboten wird, da geht dann Alternative Metal à la Papa Roach doch auf. Denn während Shaddix' Lyrics einem auch da eher wie die Weisheiten eines 12-Jährigen vorkommen, gelingt es ihm doch auf starke Art und Weise, die Botschaft mit genug Wut und Energie rüberzubringen. Dazu Horton, der beim In-die-Saiten-Hauen sogar ziemlich aufblüht und fertig sind die so nötigen unterhaltsamen Minuten.
Ein Prädikat, das sonst wohl nur die Bonustracks Gouge Away und Never Said It, für manche vielleicht auch noch She Loves Me Not, verdienen. Selbst da muss man allerdings Abstriche machen, denn alle bieten interessanterweise nur einen Teil des perfekten Songs. Beim Pixies-Cover Gouge Away kommt so etwas wie lockerer Spaß durch, eine Eigenschaft, die die wenigsten Papa Roach-Songs zeigen. Never Said It liefert die wohl beste Vorstellung von Drummer Dave Buckner und dazu noch ganz ansprechende Zeilen. Kombiniert mit der starken Gitarrenarbeit von She Loves Me Not wäre das ja großartig, auf drei Tracks verteilt, ist es dann aber wieder weniger eindrucksvoll.
Aber einen haben sie noch. Den Beweis, dass ihnen ein starker Mid-Tempo-Track auskommen kann, den sind sie uns noch schuldig. Black Clouds hält mit den besten Momenten des Vorgängers mit, schafft es diesmal als einzige Nummer, depressive Stimmung aufzubauen und dabei auch noch mehr als ansprechend zu klingen. Zu verdanken ist das auch Shaddix bisher wohl bester Gesangsperformance, die schlicht und einfach bemühter wirkt als auf dem Rest des Albums.
Trotz der offensichtlich geringen Ausbeute an wirklich lohnendem Material, bleibt den Kaliforniern dann immerhin noch eine Eigenschaft, die nur wenige Nu-Metal-Bands für sich beanspruchen können. Während nämlich ihre übrigen namhaften Genre-Kollegen allesamt etwas für den ein oder anderen Untragbares mit sich herumschleppen, sei es das Auftreten von Fred Durst, der Gesang von KoRns Jonathan Davis oder der poppige Sound von Linkin Park, schummeln sich Papa Roach als identitätsloser Mischling an all dem vorbei und werden zur netten Hintergrundbeschallung. Grässlich finden kann man sie nämlich kaum, bestenfalls schwach.
In Wahrheit muss man ihnen aber nicht einmal das entgegenwerfen. Denn so selten man von großen Sternstunden sprechen kann, so wenige grobe Schnitzer erlauben sie sich auch. Das bringt einen zu der Erkenntnis, dass die Band zwar auf durchschnittlichem Niveau herumkrebst, dass aber wenigstens mit einer Konsequenz, die einem schlimme Minuten erspart. Heißt zusammengefasst: Man kann "Lovehatetragedy" hören, das Leben darf aber auch zu Ende gehen, ohne es getan zu haben.