von Mathias Haden, 15.11.2013
Erste Abtastversuche auf Solopfaden - Kanadas berühmtester Einwohner macht sich.
Wieder so ein glorreicher Name, bei dem sich die Menschen rund um den Globus einig die Hände schütteln. Neil Young zählt nicht zu Unrecht zu den Koryphäen der populären Musik und sein maßgeblicher Einfluss in allen möglichen Genregattungen ist ebenso Teil der Legenden, die sich um diesen merkwürdigen Gesellen ranken. Nachdem der Kanadier von 1966 bis 1968 in der Band Buffalo Springfield fungierte, fühlte er sich nach deren Zusammenbruch zu Größerem berufen und strebte eine erfolgreiche Solokarriere an. Mit dem selbstbetitelten Debüt sollte der erste Schritt getan werden.
Von seinem Label Reprise Records mit einer Handvoll an talentierten Musikern ausgestattet, beispielsweise den zu der Zeit am Anfang seiner Karriere stehenden Ry Cooder oder Jack Nitzsche und Ex-Buffalo Springfield-Kollege Jim Messina, spielte er kurzerhand ein Album ein, dass noch Ende des selben Jahres veröffentlicht werden sollte. Mit dem Sound der herausgebrachten LP alles andere als zufrieden, ließ er sie noch einmal remixen und warf es im Jänner 1969 erneut auf den Markt.
Beheimatet in den Americana-Sounds (Folk, Blues, Country und etwas R&B) seiner ehemaligen Band, geht auch sein erster Soloausflug in diese Richtung.
Für einen Künstler, der später Granaten wie After The Goldrush oder Harvest zusammenbauen sollte, ist es eigentlich ein leicht schmeichelhaftes. Aber aller Anfang ist schließlich schwer und ein Debüt sollte niemals zu sehr mit späteren Arbeiten verglichen werden.
Nimmt man das Album genauer unter die Lupe, werden die kleinen Ungereimtheiten allerdings schnell ersichtlich. Vieles wirkt sehr unausgegoren, wie halbfertige Songs. Als Beispiel soll das überlange, von Fans als Klassiker bejubelte Last Trip To Tulsa dienen. Auf den über 9 Minuten, die immerhin etwa ein Viertel des Albums ausmachen, spielt Young lediglich auf seiner Akustikgitarre und erzählt eine verrückte Geschichte:
"Well, I was driving
down the freeway
When my car ran out of gas.
Pulled over to the station
But I was afraid to ask.
The servicemen were yellow
And the gasoline was green.
Although I knew I couldn't
I thought that I was gonna scream."
Klingt ja ganz angenehm, auf diese Länge ist er aber einfach nur eintönig und die Story fesselt auch nicht so, wie sie es vermutlich sollte.
Woran man sonst allerdings nicht viel bekritteln kann, ist das Textwriting an sich, das Young an den Tag legt. Die Thematik der Tracks, die sich irgendwo zwischen kitschigem Lovesong und bizarrer, aber gar nicht mal so unrealistischer Zukunftsvision (Here We Are In The Years) befindet, wirkt auch noch sehr vom Spirit der späten Sixties beeinflusst. Schön etwa: "Lately I've found myself / losing my mind / Knowing how badly I need her / It's something hard to find" von If I Could Have Her Tonight aus dem Lager der liebestrunkenen Balladen. Nichts außergewöhnliches, aber alles nett hörbar.
Ungewöhnlich, aber nicht schlecht, sind die beiden Instrumentals The Emperor Of Wyoming, mit dem die LP loslegt, und String Quartet From Whiskey Boot Hill, dessen Titel man noch liest, während der Track schon wieder zu Ende ist (58 Sekunden). Ersterer ist schon richtiger Country-Rock, der etwa zu dieser Zeit aus seinen Ursprüngen hervorging. In seiner langen Karriere sollten im Prinzip nur noch Songs mit Text folgen, was bei Youngs markanter Fistelstimme ja eigentlich logisch ist. Diese ist es auch, die den selbstbetitelten Einstand auch über seine kurze Länge von etwa 35 Minuten trägt. Obwohl, eigentlich kann man das so nicht stehen lassen. Denn sowohl Cooder auf der omnipräsenten Gitarre und Nitzsche am E-Piano begleiten den Ex-Springfielder makellos.
Seinen Höhepunkt erreicht das Werk schließlich auf The Loner, einem bis heute gerne live gespielten Dauerbrenner. Hier stimmt die Mischung aus dominanter E-Gitarre, Youngs pausenlos gefühlvollem Gesang und einer erinnerungswürdigen Hook. Recht gelungen auch die Arrangements, die sich Onkel Young zusammen mit Kumpel Nitzsche und Ry Cooder einfallen ließ, beispielsweise auf dem beliebten, aber ebenso ausgefallenen The Old Laughing Lady.
Das wahre Problem, das sich auf Neil Young auftut, ist simpel gesagt die Tatsache, dass hier wirklich nur solide Songs, aber bis auf einen einzigen, keine großartigen vorhanden sind, wie man es von späteren Alben kennt. Tracks wie der rockige Up-Tempo Song I've Been Waiting For You oder das wirklich schmalzige I've Loved Her So Long sind wahrlich nette, kurzweilige Liedchen, nur leider ebenso schnell wieder vergessen, wie man sie gehört hat. Irgendwie fehlt ihnen allen einfach das besondere Etwas, das große Songs wie Cortez The Killer oder Heart Of Gold auszeichnen sollte.
'The Loner' Young legt nach der Auflösung von Buffalo Springfield vielleicht etwas überhastet seinen ersten Versuch dar und liefert ein angenehm homogenes Album, dass sich noch sehr stark an seinen alten Vorlieben orientiert und sich noch ein gutes Stück entfernt vom rockigen Nachfolger Everybody Knows This Is Nowhere befindet.
Nein wirklich, das selbstbetitelte erste Album braucht sich keinesfalls vor den späteren Großtaten dieses Genies verstecken, auch wenn es ihnen in sämtlichen Belangen unterlegen scheint. Wer gute Musik mag, der wird mit diesem Album nichts falsch machen.