von Kristoffer Leitgeb, 07.05.2014
Mike Shinodas erster Solo-Flug wird zur kurzweiligen Übung im Hip-Hop-Pop.
Auweh. Da versucht sich ein Nu-Metal-Aushängeschild am Hip-Hop. Ein ziemlicher Affront gegenüber der Szene und eine Idee, die schon im Ansatz zum Scheitern verurteilt scheint. Gut, dass wir es da doch mit Mike Shinoda, seines Zeichens die rappende Hälfte von Linkin Park, zu tun haben und nicht mit so manch anderer fragwürdiger Person des Genres. Denn dieser Mann hat bereits bewiesen, dass er mit Rhymes umgehen kann, ohne dabei lächerlich zu wirken, und genau das tut er hier wieder. Mit vielen recycelten Ideen, einigen anderen, die durchaus neu und ansprechend sind, und mit einer musikalischen Bandbreite, die ihn im Positiven aus dem Genre herausbefördert.
Wobei, eigentlich katapultiert ihn das dann doch wieder direkt hinein. Denn letztlich gibt's zwar viel Pop im Angebot und seine Hauptarbeit als Teil Linkin Parks ist nicht ganz zu leugnen, im Großen und Ganzen bietet Shinoda aber einen Streifzug durch die mittlerweile doch recht weite Welt des Hip-Hop. Und das durchaus mit Erfolg. Abgesehen davon, dass die Beats, die er zu bieten hat, selten zu den frischesten gehören, wirbeln nämlich das musikalische Schauspiel und die ansprechenden Gastauftritte durchaus genug Staub auf, um diese Schwäche die meiste Zeit im Hintergrund zu halten. Bestes Beispiel dürfte der große Hit des Projekts, Where'd You Go, sein. Mit Gastsängerin Holly Brook und dem simplen, keineswegs aber schlechten Klavier-Loop weist der Track Ähnlichkeit mit Eminems emotionalen Höhepunkten in Form von Stan und When You're Gone auf, besticht einerseits durch Shinodas starkes Rhythmus-Gefühl, aber auch durch den sanften Refrain. Mehr Popsong als Rap-Nummer, aber mit Sicherheit kein schlechter.
Auch der Rest der LP kann allemal mit einigen wohlplatzierten, eingängigen Melodien und dem ein oder anderen nachdenklichen Moment aufwarten. Red To Black macht sich zwar mit dem härteren Beat und der etwas zu drückenden Kombination aus Bass und Gitarre etwas störrisch, ist aber mit der guten Performance der Gruppe Styles Of Beyond und dem starken Text über die zerstörte Familie des alten Jugendfreundes auch seine Minuten wert. Noch weit eher darf man das über Right Now sagen, dessen Top-Beat, gemischt mit den starken Dissonanzen am Klavier und der dezenten Gitarre im Hintergrund eine großartige Stimmung zum düsteren Text bieten.
Shinoda vergisst aber keineswegs auf den Spaß. Zwar ist der Begriff naturgemäß dehnbar und so wirklich viele lockere Momente hält die LP vor allem in puncto Lyrics nicht bereit, musikalisch gibt's aber ab und an ganz ordentliche Ausflüge in diese Richtung. Die Doppelsingle Petrified/Remember The Name kann ein Lied davon singen. Erstere als aggressivste Nummer des Albums mit dem härtesten Beat der LP und alles andere als unterschwelligen Synthesizern. Der Zweite ist dagegen die wohl beste Vorstellung, was das Rappen angeht, und bietet mit dem einprägsamen Refrain und den starken Streichern im Hintergrund sehr lockere Minuten. Dazu kommt der lebhafte Mix aus Piano und Percussion in High Road, das noch dazu von John Legends Stimme profitiert.
Fehler passieren hier trotzdem auch leider in größerer Zahl. Back Home wäre die entspannende Abwechslung mittendrin mit zurückgelehntem Beat, würde einen der Track nicht zunehmend einschläfern. In Stereo klingt wie ein Remake von Petrified, diesmal aber mit tödlich niedrigem Tempo, unerwartet miesem Text und verdammt unbrauchbarem Refrain. Und die schrägen Lyrics vom unheilvoll klingenden Cigarettes ("Let me tell you something that I realized tonight / My hip hop radio is like Marlboro Lights / They're both selling stories and they sound about the same") stehen als der große Spielverderber unter den ernsteren Momenten auf "The Rising Tied" da.
Dort findet sich dann aber auch die große Perle dieser LP. Kenji, die glänzend erzählte Geschichte von Shinodas Eltern im 2.Weltkrieg, wird zum emotionalen Hochpunkt, vor allem, weil Shinoda Mitschnitte von Gesprächen mit seinen Verwandten in den Song einstreut und ihm so eine beunruhigende Authentizität verleiht. Erweitert wird das noch durch großartige Zeilen wie
"Ken got out, big hopes of a normal life, with his kids and his wife,
But, when they got back to their home,
What they saw made them feel so alone,
These people had trashed every room,
Smashed in the windows and bashed in the doors,
Written on the walls and the floor,
'Japs not welcome anymore.'"
Perfekt begleitet wird seine gute Performance dabei von dem rockigen Sound, den die Drums und vor allem die schlichte Gitarre im Background hineinbringen. In eine andere Kerbe, deswegen aber nicht dramatisch schlechter, schlägt Believe Me, dessen interessanter Beat mit den zusätzlichen Percussions und dem Gastauftritt von Cypress Hills Eric BoBo den Song zur lockeren Party-Nummer mit eher ernster Trennungsbotschaft macht.
Obwohl man hier also viele gute Momente finden kann, bleibt es einem doch irgendwie nicht erspart so manchen Makel zu erkennen. Der Großteil dessen, was hier geboten wird - egal, ob entspannt, ernst oder als potenzieller Ohrwurm -, muss ohne den nötigen Nachdruck auskommen, der für geniale Minuten nötig wäre. High Road, Remember The Name, Red To Black oder das kurze Gimmick Get Me Gone; alle die gehören zu den Guten, aber nicht zu den Großen. Ordentliche Arbeit wird fast durchgehend geleistet, auch wenn die brachiale Art von Petrified oder der abwegige Pop von Believe Me nicht jedermanns Sache sind. Die absoluten Volltreffer muss man allerdings lange frisch halten, denn sie beschränken sich letztendlich auf die unten stehenden Anspiel-Tipps, allesamt vor allem textlich eine starke, im Fall von Kenji schlicht perfekte Leistung.
Nichtsdestotrotz gibt's ein 'Gut gemacht' von meiner Seite. Mike Shinodas Ausflug in seine musikalische Wahlheimat ist unter Garantie kein Horrortrip, wohl aber auch kein fesselndes Spektakel. Aber der Beweis, dass er rappen, musizieren - alle Instrumente sind von ihm selbst eingespielt - und ansprechend produzieren kann, ist ihm gelungen. Für die Bandbreite, die er hier bieten will, fehlt es ihm dann allerdings doch an der nötigen Treffsicherheit. Wer jedoch ein gleichzeitig lockeres und ernstes, poppiges und hartes Hip-Hop-Album hören will, ohne mit den üblichen Rap-Allüren genervt zu werden, darf gerne hineinhören.