von Mathias Haden, 28.01.2016
Die Trennung von Quincy Jones markiert den Bruch nach gesegneten Jahren der Pop-Lauschigkeit.
Von einem, der viel zu früh gehen musste, zum nächsten. Nicht ganz so einflussreich, dafür
zumindest in kommerziellen Belangen alle Mal so erfolgreich. Auf unterschiedlich Pfaden haben beide gemein, dass in den 80ern das meiste Geld zu scheffeln war. Während sich David Bowie mit Anbruch der folgenden Dekade aber von einer künstlerisch und ästhetisch wenig ergiebigen Periode langsam wegbewegte, sollte der 'King of Pop'
diese frontal ansteuern. Ende der vergangenen Dekade noch auf der Welle des Erfolges der omnipräsenten LPs Thriller und Bad und deren Hits geschwommen, mit "Moonwalker" das Leinwanddebüt in Spielfilmlänge hinter
sich gebracht und mit der Errichtung der Neverland Ranch ein neues Kapitel aufgeschlagen, begann nun allmählich der rapide Abschwung. Die Dollarzahlen sollten ihm freilich noch einige Zeit Recht
geben.
Und die sind erfahrungsgemäß nicht dafür bekannt, Warnungen auszusprechen - weder vor Übermut, und noch weniger vor fragwürdigen Entscheidungen. So trennte sich Jackson arbeitstechnisch vor den
Aufnahmen für die mittlerweile achte Solo-LP von seinem langjährigen Weggefährten und -bereiter Quincy Jones, der ihm als Produzent jedes seiner drei gefeierten Alben zur Seite stand. Den
vakanten Posten nahm der Entertainer direkt selbst ein, freilich 'with a little help from his friends' - u.a. Teddy Riley, einer der kreativen Köpfe hinter dem ominösen Genre-Begriff New Jack Swing. Dieser von Hip-Hop, Dance, R&B und Funk beeinflusste Fusionsstil findet auf Dangerous wohl
seinen prominentesten Repräsentanten. Von Kritikern beim Erscheinen laut bejubelt, lassen sich aus der Distanz eines Vierteljahrhunderts deutliche Abnutzungserscheinungen erkennen.
Das liegt unter anderem auch daran, dass der besagte New Jack Swing mitsamt seiner harten Drumcomputer-Beats - mittlerweile ohnehin längst ausgestorben - nicht besonders gut gealtert ist. Eröffnungsstück Jam meistert den Dauerbeschuss der ohrenbetäubenden Drumbeats und der monotonen Gangart noch ganz gut, auf den folgenden 70 Minuten hat dieses Kunststück eher Seltenheitswert. Was uns auch zum zweiten (und dritten) Problem bringt. So gern man dem 'King of Pop' auch zu lauschen vermag, auf die Spieldauer dieses wahren Blockbusters hat man - hier kommt Onprangering (© Farin Urlaub) #3 – auch dank seiner unglaublich drögen, gleichförmigen Rhythmik keinen Bock. Bis zu acht Minuten erstrecken sich diese Songkolosse, die zu allem Überfluss auch noch dem einige Jahre zuvor noch perfektionierten Pop über weite Strecken die kalte Schulter zeigen. Spätestens mit dem erbarmungslos spröden Can't Let Her Get Away weiß man worauf man sich hier eingelassen hat. Statisch bis zum geht nicht mehr, unorigineller, überdrüssiger Beat, lustlos eingewebte Funk-Samples und ein Sänger, der langsam das Gefühl für seinen geliebten Pop zu verlieren scheint.
Immerhin zeigt Jacko auf einigen seiner neun Single-Auskopplungen, warum er seinen renommierten Spitznamen einst verdient hatte - und warum nicht alles unter der hölzernen Fuchtel des kühlen New Jack Swing steht. Lead-45 Black Or White beschwört den rebellischen Teenager, lässt dann seinen coolen, leicht abgenudelten Riff zur allseits bekannten Gesellschaftskritik und einer der eingängigsten Hooks der LP losschrammeln. Besonders die erste Hälfte hält dahingehend auch noch ein paar letzte Schmankerl parat, ehe die zweite nach gelungenem Beginn mit Black Or White und dem genialen Who Is It mit dramatischem Spannungsbogen in elende Fadesse abdriftet. Und da der letzte Eindruck bekanntlich Gold wert ist, versandet Dangerous mit seinen vier mediokeren Abschlussstücken lediglich in kupferig schimmernden Metallsphären. Während der schmalzige Gospelbanger Will You Be There, der überhaupt erst nach knapp zwei Minuten in die Spur findet, zumindest in melodischer Hinsicht was auf dem Kasten hat, sieht es für seine nachfolgenden Stücke erst richtig düster aus. Was vor allem daran liegt, dass er es zum Abschluss noch mit ein paar lauwarmen Balladen probiert, die zum einen nicht in das klangliche Korsett passen, zum anderen keinerlei Emotion vermitteln. Wie schon der gut gemeinte, musikalisch aber redundante Pathos-Award-Aspirant Heal The World zuvor, schaffen es weder Keep The Faith, noch Gone Too Soon, mehr als öliges Gewinsel beim Hörer anzubringen - vom Titeltrack am Ende, der die "Erfolgsformel" der LP verinnerlicht, ganz zu schweigen.
Man sieht, von einstigen Glanztaten ist man mit Jacksons achter Soloscheibe ein gutes Stück entfernt. Während die erste Hälfte noch ein ordentliches Niveau an den Tag legt, aber nur selten in ertragreiche Dimensionen aufsteigt, startet die zweite formidabel, nur um zum Ende hin im tiefen Morast der Belanglosigkeit zu versinken. Quincy Jones fehlt an allen Ecken und Enden und weder MJ noch einer seiner Kollaborateure weiß die Lücke effektiv zu stopfen. Zudem der Umstand, wonach die gesanglichen Fähigkeiten des Protagonisten in keiner Silbe löblich erwähnt werden, bei einem Jacko-Review ja auch eine deutliche Sprache spricht. Robert Christgau meinte einst, Dangerous wäre das konstanteste Album seit dem 1979er Off The Wall - aber wann hat der Typ zum letzten Mal mit einer Beurteilung ins Schwarze getroffen? Eben.