von Mathias Haden & Kristoffer Leitgeb, 31.10.2014
Kein zweites Thriller, dafür eine geile Show des King of Pop.
25. Juni 2009, am späten Abend. Ein strahlender Stern verglüht am Pophimmel, während ein junger M in den Nachrichten vom Unverhofften erfährt. Ein Mann wird für tot erklärt, Milliarden Menschen, darunter auch der jugendliche Hobbyjournalist, trauern um ihren größten Star des vergangenen Jahrhunderts. Fünf Jahre liegt Michael Jackson bereits unter der Erde; fünf Jahre voller wilder Gerüchte und Anschuldigen, Erbstreitereien und geldgeiler Resteverwertung. Wer die heuer erschienene Single Love Never Felt So Good kennt, weiß wovon ich hier spreche. Werfen wir also lieber einen Blick zurück, auf wesentlich fröhlichere Tage in unser aller Leben, in den Summer of '69… ähm '87.
Zu dieser Zeit war MJ am Zenit seiner Popularität angekommen, die phänomenalen Erfolge von Thriller sollten mit der neuen LP Bad noch einmal übertroffen werden. Ich mache es kurz, das gelingt hier nicht, weder in kommerzieller noch künstlerischer Hinsicht. Trotzdem ist Jackos siebtes Studioalbum, das dritte in Zusammenarbeit mit dem legendären Produzenten Quincy Jones, ein starkes geworden. Dies hat mehrere Gründe.
Punkt 1: Die Produktion. Und das, obwohl gerade die als Sinnbild für das von mir so oft verkannte Jahrzehnt steht. Wie auch immer, hier läuft schon einiges ziemlich richtig. Der bekannte Titeltrack - den ich aber noch nie wirklich zu schätzen wusste - steht wiederum stellvertretend, punktet mit starkem Keyboard-Loop und ordentlichem Beat. Auch die vermeintlich schwächeren Titel - für Speed Demon hat der Kollege immer einen saftigen Rüffel parat - hält eine wohldosierte Mischung aus Keyboards und Gitarren in Kombination mit Jacksons gewohnt mächtigem Gesang und anderem Schnickschnack von Bläsern und Orgel bis zum Gospelchor am Leben.
Ich habe es ja bereits vorweggenommen, aber auch Jacko glänzt aufs Neue. Tracks wie das unter die Haut gehende Man In The Mirror, das romantische I Just Can’t Stop Loving You oder auch das verpatzte Liberian Girl zeigen alle einen King of Pop in Hochform, auch die schwächste Performance - wer sie auch findet - bleibt grundsolide. Wäre da nicht ein kleiner, aber allgegenwärtiger Wermutstropfen. Kritik auf höchstem Niveau freilich, aber Jackos kleine gesangliche Mätzchen (seine oooohooooh's, hee hee's, etc.), die er hier erstmals auffährt und mit denen er jedes winzige Soundvakuum zukleistert, hätten nicht sein müssen.
Last but not least natürlich die Songs an sich. Ich glaube, ich werde niemandem zu nahe treten, wenn ich behaupte, Bad wäre ein Hitparadenalbum, getrimmt auf Erfolg in Album- und Singlecharts. Somit fehlen natürlich Wärme und Persönlichkeitsgefühl, diese Aspekte macht das Album aber mit Kalibern wie dem famosen, mit Hammerbasssound augmentierten Smooth Criminal, dem fesselnd dramatischen Dirty Diana oder dem einfach nur traurigen Man In The Mirror mehr als nur wett.
Wer auf MJs siebter LP ein zweites Thriller, zumindest aber eine musikalische Revolution erwartet, der hat leider Pech gehabt. Dafür gibt es eine geile Show zu erleben, mit vielen großartigen Pop-Songs und dem obligatorischen Füllmaterial. Und auch wenn der Strom ganz klar in Richtung Millionenscheffeln fließt, so ist man doch gerne bereit, einfach ein bisschen mitzuschwimmen.
M-Rating: 8 / 10
The show must go on, man muss sie aber nicht ganz so aufblasen.
25. Juni 2009. Tja, was war mein erster Gedanke? Ah, na klar: Nur noch eine Woche, dann sind Sommerferien. Ja, der Tod des King of Pop war für meiner einer nur eine medial aufgeblasene Randnotiz. Das Ende jenes Mannes, der zuerst monumental gesiegt hat, dann aber eben auch monumental gescheitert ist. An sich selbst oder an der Gesellschaft. Zumindest seine Glanzzeiten lagen immerhin schon fast zwei Jahrzehnte hinter uns und damit auch noch vor meiner Geburt.
Womit wir aus dem Nichts bei "Bad" wären. Bei einem Album also, das als quintessentielles 80er-Album und als Hitschleuder dastehen darf. Für MJ also eigentlich business as usual, wäre da nicht der Plan aus der LP etwas mehr herauszuholen, als bisher im Maestro drin war. Ein bisschen 'bad' musste es eben sein und deswegen sind die Beats brachialer, der Gesang abgehackter und das Synthie/Gitarren-Gemisch bemüht sich um härtere Grundzüge. Das bringt uns in den Genuss des Titeltracks, der sich in dieser Form als eines von Jacksons sinnfreisten, aber eben auch mit Sicherheit bestgeformten Werke präsentiert. Kurz: Das Ding geht ins Ohr. Neben dem ikonenhaften Keyboardpart stechen Funk-Akkorde und der gesanglich genial arrangierte Refrain heraus.
Was auf "Bad" noch dem Namen entspricht, verbirgt sich aber mitunter zu oft hinter fragwürdigen Botschaften, verfehlten Produktionsentscheidungen und Filler-Material, das unweigerlich Fehl am Platze ist. So geht's den Romantik-befreiten Balladen Liberian Girl und I Just Can't Stop Loving You, deren Angebot kaum die gesangliche Topleistung übersteigt. Verschärft dadurch, dass der harte, bis zum Exzess geschliffene Pop so gar nicht mit gefühlvollen Minuten harmoniert. Während sich der Kollege also in perfekter Manier bereits im positiven Sinne Man In The Mirror angenommen hat, sage ich: Dort fehlt's an Emotion. Eine großartige Stimme allein geht kaum einem unter die Haut, dafür spürt man in der Musik zu sehr den berechnenden und kühlen Charakter des Tracks. Dass sich dahinter noch immer gelungenes Handwerk verbirgt, ich vermag es nicht zu leugnen, nur zu allumfassender Güte reicht das nicht.
Weit eher gelingt ihm ebendas gegen Ende der LP. Mit dem dramatisch inszenierten Dirty Diana gibt es einen ersten Vorgeschmack auf die nun folgende Qualität. Während er davor nur mit dem ungeahnt lockeren Stevie Wonder-Gastspiel auf Just Good Friends einmal an die Eröffnung herankommt, zeigt sich bereits hier wieder die unglaubliche Stärke in Jackos Performance; die ideal eingepassten Gitarrenriffs mitsamt dezenten Keyboards tun Ihriges zum Erfolg. Wirklich als Glanztat zu bezeichnen ist aber wohl doch nur das abschließende Duo Smooth Criminal und Leave Me Alone. Nicht nur, dass sich dort der aggressivere Stil des Albums auch endlich thematisch zeigt, nein, in den Performances liegt auch eine Lockerheit, die selbst im ordentlichen Another Part Of Me noch komplett außer Sichtweite scheint. Die weltberühmte Single zeigt ihn so, wie man ihn aus besten "Thriller"-Tagen kennt, dafür wird ausgerechnet seine Abrechnung mit der Presse in Leave Me Alone zur vitalsten und eindrucksvollsten Vorstellung hier, die Vieles vom vorher gebotenen ganz schnell verblassen lässt.
Die Erinnerung daran kommt aber unweigerlich zurück und so macht ein brillantes Ende noch kein ebensolches Album. "Bad" leidet darunter, dass aus gutem Material zu selten mehr gemacht wird. So einfach ist die Geschichte zusammengefasst, die sich abseits von ein paar groben Ausrutschern und wenigen Glanzpunkten abspielt. Kein Meisterwerk, nur ein Meister am Werk. Dass der nicht immer ins Schwarze trifft macht ein bisschen ordentliches Entertainment ja nicht unmöglich.
K-Rating: 7 / 10