Metallica - Reload

 

Reload

 

Metallica

Veröffentlichungsdatum: 18.11.1997

 

Rating: 4.5 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 05.09.2014


Der Punkt, an dem man glaubt, das eigene Schaffen wäre immer pures Gold.

 

James Bond hat für einen etwas merkwürdigen Irrglauben in vielen Gehirnen gesorgt. Hört man jetzt das Wort Größenwahn, dann denkt man immer an diese strangen, selbstsicheren Katzenstreichler, die mal kurz während des nächsten Urlaubs die Welt erobern wollen und deren wichtigstes Merkmal ist, möglichst verschwörerisch "Hello, Mr. Bond" zu sagen. Gibt's vielleicht auch wirklich, die meisten streicheln halt nur keine Katzen und kennen keinen Mr. Bond, sondern stehen vielleicht eher im Mauskäfig herum und machen eben genau dasselbe wie jeden Abend. Aber es geht doch auch ganz anders, mit Ray-Ban Sonnenbrille, fünf Luxuskutschen in der Garage und Privatjet. Oder auch nicht, doch man muss zumindest ein paar Millionen gescheffelt haben, damit der Größenwahn so wirklich was hergibt. Sonst kannst ja nichts damit anfangen. Für Musiker ist es überhaupt ganz einfach, die schmeißen einem einfach mal irgendwas an Akustischem entgegen und stellen es als großartige Arbeit hin. Am besten lässt man gar nichts mehr verkommen, was man so fabriziert, es könnte ja legendär gut sein. Und dann macht man daraus gleich zwei aufgeblasene Alben, die beide wenig taugen.

 

Insofern dürften die Metal-Könige, nein, -Helden, nein, -Götter von Metallica da ihre Sache sehr gut gemacht haben. Nach A kommt B, nach "Load" kommt "Reload", weiß doch jeder. Und es weiß auch fast jeder, dass das zweite Album eines solchen Duos quasi nie das bessere ist. Jetzt war der erste Teil eine durchschnittliche Übung in harter Trägheit mit ein paar starken Ausreißern, was für den Nachfolger nicht so wahnsinnig viel Gutes verheißt. Nachdem aber der erste Schritt vor dem zweiten getan werden muss, bleibt vorerst nur der Blick auf einen dieser Metallica-Opener - diesmal heißt er Fuel -, die immer das tun, was sie sollen, nämlich ordentlich anreißen. Zwar formt man den Song auch textlich so, dass er nichts anderes kann als Anreißen, dank der pfundigen Vorstellung von Lars Ulrich und Kirk Hammett soll das aber vorerst einmal reichen. Allzu roh sind die knusprigen Riffs nicht mehr, dafür läuft die Produktionsmaschinerie zu sehr auf Hochtouren, von wirklichen Politurexzessen muss allerdings nicht die Rede sein, wodurch sich die Affäre doch eher in Richtung dreckiger Rocker mit Volldampf-Antrieb entwickelt.

 

Wäre also adäquat losgelegt, leider orientiert man sich in der Folge aber bilanztechnisch zu sehr am Schwesteralbum aus dem Jahr davor. Es kommt nämlich nicht mehr so viel aus der Ecke, die für Replay-Orgien sorgen könnte. Nein, nein, die Zeiten sind vorbei. Stattdessen wird man müde, sowohl auf Seiten der feucht-fröhlichen Musikanten als auch beim Hörer. Denn mit dieser teilweisen Resteverwertung der 96er-Sessions geht ihnen sogar das verloren, was sie noch manchmal aus der Trägheit befreit hat, nämlich das Hymnische. Kaum etwas zu hören davon, außer man wird pathetisch wie im miesen The Unforgiven II, das sich in seinem aufgeweichten Südstaaten-Stil schon sehr zusammenreißen muss, um nicht komplett wegzubrechen. Ansonsten gibt's aber nur geradlinigen Heavy Metal ohne die Energie, die dieses Genre sich vor fast fünf Jahrzehnten auf den Hintern tätowiert hat. Man will nirgendwo hin mit den Songs, man will eigentlich auch nichts mehr sagen, man will nur irgendwie 75 Minuten unter die Leute bekommen. Musikalisch wäre das erstklassig zu retten, würde man einfach unablässig Gas geben und nicht den Eindruck erwecken, dass niemand mehr so richtig will. Die Riffs von Slither laufen da unspektakulär im Hintergrund rauf und runter, dass einem zwar der grässliche Refrain, aber nicht das Hammett-Solo auffällt. Und wenn bei dieser Band ein Gitarren-Solo und noch viele andere an einem vorbeigehen, dann ist das kein Indiz für positive Entwicklungen.

 

Was noch nicht der Boden des Fasses ist, auch wenn der wenigstens nicht ausgeschlagen wird. Man kommt mit dem miserablen Where The Wild Things Are aber immerhin schon in die Nähe, denn der angriffslose Sound mit Abwanderungstendenzen in Creed-Gefilde entspricht nicht ganz den eigentlichen Qualitätsstandards für....irgendwen. Akustische Glätte plus textliche Leere bedeutet ein Wirkungsvakuum, das durch kein Solo der Welt wettzumachen ist. Allein deswegen nicht, weil Songlängen von fünf bis sechs Minuten wieder einmal zum Muss geworden sind und so aus den vielen wirkungslosen Nummern kaum einen Ausweg lassen. Der absolute Höhepunkt dessen ist natürlich, wie könnte es anders sein, Closer Fixxxer, der auf acht Minuten bei weitem nicht so viele Stückln spielt, wie er eigentlich sollte.

 

Inmitten dieses Haufens an unterdurchschnittlicher Langeweile kommt es dann wirklich auf jeden Song an, um diese Misere abzufedern. Und da ist es schon gut, dass Hetfield & Co. überraschenderweise drei ganz unterschiedliche Tracks anbieten, um noch ein paar Kohlen aus dem Feuer zu holen. Natürlich gibt es sie, die simple Steigerung der Fuel-Formel, also diesen eigentlichen dumpfen, praktisch aber einheizenden Moment musikalischer Banalität mit kernigem Riff. In zwei Worten Bad Seed, in mehreren eine weitere Annäherung an den Southern Rock, die den Beweis erbringt, dass ein bisschen mehr Tempo und ordentlich antreibende Drums schon einiges tun können, damit Vocals und Riffs wieder mehr Leben durchströmt. Für die Hymnen-Sucher gibt es dann immerhin doch noch The Memory Remains, dessen aufgeblasener, aber härterer Sound trotz aller Monotonie den Nachdruck entwickelt, der sonst so oft fehlt. Nicht zu vergessen die gute Marianne Faithfull, die als Gaststimme betont unmelodisch und rau dahinsingt und für die nötige Stimmung sorgt. Und sogar die obligatorische Ballade ist da, diesmal als Low Man's Lyric mit prägnanter Hilfe durch die Hurdy-Gurdy, deren dezente Melodie die spröden Zupfer an der Gitarre gut in Szene setzt und James Hetfield zu seiner besten Darbietung auf der LP verhilft.

 

Das ehemals dynamische Viergespann hat also zumindest erfolgreich den Rettungsring ausgeworfen, um dramatische Szenen zu verhindern. Was wohl in den Planungsstadien des Mega-Projektes "Load" & "Reload", zu Beginn ja überhaupt groteskerweise als reine Doppel-LP angedacht, nicht so wirklich das Ziel war. Aber was hat man erwartet, wenn einfach alles, was gerade fertig geschrieben ist, auf die Alben muss? Auch das Dasein als gefeierte Mega-Seller sorgt noch nicht für Unfehlbarkeit, die US-Amerikaner haben das mit ihrer siebten Platte mehr als bewiesen. Davon ist man nämlich weiter denn je entfernt, viel eher dümpelt man in einem Allzeittief herum, das verdammt wenige Erinnerungen an bessere Tage bereithält. An die muss man sich klammern, will man wenigstens so tun, als hätte der Größenwahn hinter dem Projekt Sinn gemacht.

 


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