von Kristoffer Leitgeb, 05.10.2013
Bye, bye überlanger Thrash Metal. Hallo, massentauglicher Stadion-Metal.
Jedes Genre hat so seine ureigenen Helden. Die, die einem sofort einfallen, wenn man mal danach gefragt wird. Hört man Progressive Rock, platzt Pink Floyd aus einem heraus, geht's um Reggae, kommt man auf Bob Marley und im Grunge steht über allem Kurt Cobains Nirvana. Genau das ist Metallica für Metal. Zugegebenermaßen, der relativ direkte Name hilft da sicher, denn andere - Black Sabbath oder Motörhead - waren vorher da. Trotzdem, der Erfolg ihres fünften Albums hat sie in außergewöhnliche Sphären katapultiert. 30 Mio. verkaufte Platten sprechen da eine deutliche Sprache. Diesen Erfolg hat das Quartett vor allem dem offensichtlichen neuen Sound zu verdanken. Metallica schauen eben nach vorne, größtenteils wahrscheinlich auf die Verkaufszahlen, aber immerhin. Und so heißt es Anfang der 90er: 'Bye, bye überlanger Thrash Metal. Hallo, massentauglicher Stadion-Metal.'
Ob dieser Richtungsschwenk richtig war, darüber lässt sich streiten. Allerdings präsentieren einem Hetfield, Ulrich und Co. eben auch einen Opener wie Enter Sandman. Und der rockt dann doch mehr als alles, was die Band auf den beiden Vorgängern abgeliefert hat. Überhaupt verdeutlicht der Track eines: Das Motto 'je simpler, desto besser' entspricht zumindest manchmal der Wahrheit. Denn mehr noch als früher bleibt es nach dem genialen Akustik-Intro bei dem einen großartigen Riff, der einen aber auch wirklich nicht langweilen kann. Auch deswegen, weil Lars Ulrichs langsamere Drums besser ins Ohr gehen, der Text für Metallica sicher zur besseren Sorte gehört und James Hetfield tatsächlich so klingt, als könnte er singen.
Diesen Umstand verdankt er vor allem der großartigen Arbeit von Produzent Bob Rock. Der musste sich zwar sowohl von Band- als auch von Fanseite über die Jahre genug Kritik gefallen lassen, zumindest hier hat er aber alles richtig gemacht. Denn der aufpolierte Sound tut vor allem dem Gitarren-Duo James Hetfield und Kirk Hammett gut. Die Riffs sind nämlich um nichts leiser, genauso wenig schlechter und schon ganz und gar nicht zu abgeschliffen. Nein, vielmehr ist ein Sechsminüter wie Wherever I May Roam nicht mehr so anstrengend wie in früheren Tagen. Zudem hört man Bassist Jason Newsted diesmal tatsächlich ab und an heraus und James Hetfields Stimme ist nicht mehr nur die passende Stimme für Metallica, sondern ab und an eben doch schon irgendwie gut.
So kommt's, dass man sich Songs wie Sad But True, Holier Than Thou oder The Struggle Within anhört und trotz niedrigerem Tempo und letztlich auch einer Spur weniger Power eigentlich nicht enttäuscht ist. Obwohl, ein klein wenig vielleicht doch. Denn wenn einem nach dem Traumstart mit Enter Sandman eines fehlt, dann ist es ein zweiter Killer-Track. Überall fehlt etwas. Hier und da wirken die Songs für Metallica-Verhältnisse zu kurz, scheitern am mäßigen Text oder rufen dann sogar doch Verwunderung hervor.
In Kategorie 1 fallen eindeutig The Struggle Within und Don't Tread On Me. Beide hätten das Zeug zum absoluten Top-Song, aber beide sind aus, fast bevor sie begonnen haben. Bei einer Band, die mit dem über acht Minuten langen Master Of Puppets voll überzeugt hat, sind halb so lange Songs beinahe schon zu wenig.
Textlicher Schrott findet sich selten, bei Wherever I May Roam fragt man sich aber trotzdem, warum man denn wirklich "And the road becomes my bride [...] and she keeps me satisfied, gives me all I need" singen muss. Der große Philosoph unserer Zeit war Hetfield sowieso nie, aber etwas mehr geht da wohl doch.
Und die große Verwunderung kommt mit Balladen wie The Unforgiven oder dem etwas lästigen My Friend Of Misery. Beide scheitern einfach daran, dass sie langweilig sind. Ersterer schafft das trotz sympathischer Akustik-Parts und durchaus starkem Text, allein wegen dem tödlichen Tempo, der Zweite wirkt als einziger Song überproduziert und hat's spätestens mit dem miserablen Solo, in dem Hammetts Gitarre mehr nach einem Keyboard klingt, hinter sich.
Aber, um jetzt nicht ewig herumzuraunzen, das Black Album hat schon verdammt viele Reize. Denn das, was man getrost als Mainstream Metal bezeichnen kann, mag überall seine kleinen Macken haben, Qualität steckt aber dann doch in jeder Minute. Denn vor allem in den schnelleren Minuten merkt man, dass da keiner an Stärke verloren hat. Through The Never oder Don't Tread On Me halten einen doch ordentlich bei Laune, auch wenn beide von der Perfektion ein Stück entfernt sind. Und selbst eine Ballade wie Nothing Else Matters, die wohl den ein oder anderen Alt-Fan der Band zur Weißglut bringt, kommt gut an, auch wenn Hetfield als romantischer Softie sicher nicht die erste Wahl im Band-Repertoire ist.
Ergo ist das Fazit: Die 80er sind tot, Metallica sind es nicht. Hier ist sehr viel sehr stark. Zugegeben, nach fünf Minuten muss man sich vom perfekten Teil verabschieden, aber der Rest des Albums ist noch immer nah genug dran, um einem eine unterhaltsame Stunde zu bieten. Es war ein nötiger Schritt weg vom Altbekannten für die Amerikaner. Der hätte auch mächtig schief gehen können, ist er aber eindeutig nicht.