von Kristoffer Leitgeb, 06.05.2014
Zu langsam, zu soft, zu viel. Für die ehemaligen Helden der Härte heißt's: Willkommen in der Mittelmäßigkeit.
Ich kann's nicht mehr hören. Wirklich nicht. Bei jeder Band, die es geschafft hat länger als 10 Jahre halbwegs regelmäßig Musik zu machen, kommen irgendwann Massen von Leuten mit erleuchtenden Meinungen wie: "Nach dem Album kannst du sie vollkommen vergessen!" oder aber "Ab da ging's nur noch bergab!" oder, um etwas internationalen Flair hineinzubringen: "No one cares for what they did after ...!" Was die Fans nicht alle für Jugenderinnerungen mit ihren Lieblingsalben verbinden und wie enttäuscht sie nicht waren, als dann nicht mehr alles so wie früher war. Ich glaube, die Brücke zu Metallica ist erfolgreich geschlagen. Denn nach dem self-titled Album kann man sie vollkommen vergessen, danach ging's nur noch bergab. Aber, in beinahe jeder Blödheit steckt auch etwas Wahrheit! So auch hier.
Denn die Trash Metal-Größen sind keine mehr. Diese Tage sind lang vorbei und anno 1996 kam mit "Load" ein fast 80 Minuten langes Monstrum mit weniger Speed, weniger Elan und weniger Härte daher. Auf seinem Zenit flüchtet das Quartett in Richtung Hard und Blues Rock, macht etwas langsamer, bedächtiger möchte man fast glauben. Es dauert aber seine Zeit, bis das einsickert. Denn ein Opener wie Ain't My Bitch steht diesem Motto gehörig im Wege. Noch einmal gibt's hohes Tempo, rohen Sound und einen ins Mikrofon bellenden James Hetfield wie in alten Tagen. Vielleicht nicht ganz, aber trotz plumpem Titel und ebenso banalen Lyrics macht sich die Eröffnung zumindest musikalisch mehr als ordentlich.
Wenig später merkt man allerdings schon, was da gehörig falsch läuft. 2 X 4 startet als starker Mid-Tempo-Track mit gelungenem Riff und durchaus ansehnlicher Performance von Hetfield. Mit dem miesen Refrain, einem bestenfalls passablen Solo und einer ordentlichen Überlange für so viel Gleichförmigkeit rutscht die Nummer aber zusehends ab. Es ist das "Load"-Syndrom. Metallica kannte man für erschöpfend lange Klassiker wie Master Of Puppets, Welcome Home (Sanitarium) oder The Call Of Ktulu und viele schätzen sie auch in hohem Maße dafür. Hier überlebt plötzlich kaum etwas die Vierminuten-Grenze. Bleeding Me startet stark, ist vor allem ein Paradebeispiel für die gesanglichen Fortschritte der 90er, die allen voran Produzent Bob Rock zu verdanken sind, und legt mit einem kraftvollen Refrain nach. Aber mit dem Beginn der zweiten Hälfte und einigen trägen Gitarrenspielchen von Kirk Hammett wird das ganze Schauspiel zäher und zäher und zäher. Cure, Thorn Within und The House Jack Built, zusätzlich geschwächt durch grässlich verzerrte Gitarren in der Bridge, alle gehen zunehmend in die langatmige Richtung, vor allem, weil sie ohnehin schon keine wirklichen Meisterwerke sind.
Da ist es doch ganz gut, dass die Band zumindest in der ersten Hälfte noch den einen oder anderen Treffer raushaut. Und das gleich im Dreierpack. Mit der vergleichsweise harten Leadsingle Until It Sleeps, Hetfields Song über den Kampf seiner Mutter gegen den Krebs, geht der Band ein ordentliches Licht auf. Die ruhigen Strophen bieten seine beste Vorstellung bis dahin, der Riff im Refrain ist ganz eindeutig ein guter und Hammetts Solo kann sich diesmal doch sehen lassen, beweist einmal mehr seinen Wert für die Band. Mit dem straight-forward Rocker King Nothing, musikalisch nahe dran am Triumph Enter Sandman, wird's dank einer aggressiveren Vorstellung, einem genialen Bass-Intro und einem nicht schwächeren Solo noch ein Stück besser. Nicht zuletzt auch, weil der Text ("And it all crashes down / And you break your crown / And you put your finger, but there's no one around / Just want one thing / Just to play the king / But the castle's crumbled and your left with just a day / Where's your crown King Nothing?") in seiner wütenden Einfachheit an die guten alten Tage erinnert. Abgerundet wird die Hochphase der LP von der Ballade Hero Of The Day, in der zwar Hetfield etwas übertreibt, dafür aber der großartige Bruch zwischen dezent instrumentierten Strophen und dem plötzlichen Kraftakt in der Bridge mitsamt heftigerem Ulrich-Auftritt an den Drums für eine im Positiven einzigartige Nummer hier sorgt.
Es sind diese eher wenigen Ausreißer, die Metallica hier davor bewahren, in Lethargie und Langeweile abzurutschen. Denn vor allem die zweite Hälfte kann nur mehr mit den ordentlichen, aber sicher nicht überragenden Wasting My Hate und Ronnie aufwarten. Abseits davon ist viel vom hier Dargebotenen nichts Schlechtes, aber auch kaum mehr als träges Mittelmaß. Die negativen Höhepunkte sparen sich die Amerikaner lange auf, sie kommen aber insbesondere in Form der eher lächerlichen Country-Rock-Nummer Mama Said, mit der nächsten Ode an Hetfields Mutter, leider aber auf die kitschigste nur mögliche Art und Weise und mit grässlich unpassender Pedal Steel Guitar. Dazu kommt der elendiglich lange Closer The Outlaw Torn, der zwar sowieso nie wirklich losstartet, aber in der Länge dann wirklich zu einem leicht quälenden Abschluss wird.
Doch trotz so viel Kritik, die Fehler erdrücken die LP nicht in ungeheurem Maße. Gut und gerne könnte sie zehn Minuten kürzer sein, oder aber auch ein ordentliches Stück schneller und härter und manchmal hätte man es einfach gerne, wenn sich das Quartett zumindest etwas mehr für die langen Laufzeiten einfallen lassen würde. Die noch einmal geglättete Produktion und der größere Fokus auf den Gesang und die, allzu oft leider weniger ansprechenden, Lyrics tun dann das Ihrige zum Scheitern der Gesamtidee. Aber die Jungs sind auch in den 90ern noch gute Musiker und man bekommt es ab und an auch noch mit einigem Nachdruck bewiesen, auch wenn sie sich allzu häufig darauf beschränken, durchaus ansehnliche Tracks in lauwarme, überlange Brocken zu verwandeln.
"Load" ist also tatsächlich nicht mehr das Gelbe vom Ei. Genauso wenig ist es aber ein wirklicher Fehlschlag. Man wäre aber damals doch nur allzu gerne zugegen gewesen, um Hetfield & Co zu sagen, dass die Abkehr von Tempo, Härte und Wut nicht unbedingt die beste Entscheidung ihrer Karriere sein wird. Sie sind noch da, die Helden der Härte, aber ihre Auftritte werden zunehmend seltener und darunter leidet die Qualität einer ohnehin aufgeblasenen LP dann doch sehr. Das Statement "No one cares for what they did after the 'Black Album'!" kann man aber so oder so getrost beim Fenster hinaus schmeißen.