von Mathias Haden, 30.10.2013
Vielschichtiger und kolossaler denn je, konstant gute Songs sucht man auf dem dritten Album der Briten aber vergeblich.
Mitte des vergangenen Jahrzehnts erfreuten sie uns mit starkem Output in Form der Singles The Coast Is Always Changing oder Apply Some Pressure. Was folgte, waren zwei ordentliche Studioalben und eine Compilation mit unveröffentlichtem Material. Danach wurde es ziemlich ruhig um die Jungs aus Newcastle, die oft im selben Atemzug mit der Indie-Welle der frühen 2000er genannt werden. Dabei war die Gruppe um Paul Smith gar nicht lange weg, nur zwei Jahre nach dem 2007 veröffentlichten Our Earthly Pleasures standen sie wieder mit einem neuen Werk in den Startlöchern. Trotzdem hatte man das Gefühl, als würde die neue Zusammenstellung kaum promotet werden und keine erinnernswerte Single durch das Musikfernsehen schießen. Und doch verkaufte sich Quicken The Heart gar nicht mal zu schlecht, auf Gold in den UK, mit dem die beiden Vorgänger ausgezeichnet wurden, muss es allerdings noch warten (Stand Oktober 2013).
Die Rede ist natürlich von Maxïmo Park - eine der unzähligen britischen Pop-Hoffnungen der letzten Jahre. Warum man die mögen muss bzw. kann, liegt auf der Hand: solide Musiker mit einem Frontmann, der mit seinem Akzent der Marke 'very british' gut ankommt. Singen kann er nebenbei auch ganz gut. Trotzdem ging die Band unter den zahlreichen anderen Bands ihrer Zunft unter und wurde immer ein wenig unterschätzt.
Dazu sollte man nun wirklich keinen Grund haben. Nach einem tollen Debüt und einer gelungenen Bewährungsprobe müssten jegliche Zweifel verschwunden sein. Das gewohnt schwierige dritte Album lässt diese dann aber wieder aufkommen. Die Band inszenierte sich bis jetzt immer irgendwo zwischen zornigen Anwandlungen, romantischen Lovestorys und tragischen Episoden, wie sie das Leben schrieb. Damit ist es auf Quicken The Heart weitestgehend zu Ende. Hier soll etwas Tiefgründigeres entstehen, das Augenmerk auf mehr Atmosphäre gelegt werden. Besonders Gitarrist Duncan Lloyd soll hier noch einige starke Momente haben und eigentlich durchgehend im Fokus stehen. Die Frage ist nur: Schafft es Maxïmo Park ihre erfolgreichen Pfade zu verlassen und trotzdem ein gutes Album aufzunehmen?
Eines kann man vorweg nehmen: Wer sich auf der dritten LP der Briten Sing-Alongs oder Kuschelballaden der Marke Girls Who Play Guitar, Kiss You Better oder Apply Some Pressure erwartet, der ist hier tatsächlich am falschen Ast. Trotzdem verliert die Band nicht komplett ihre Erfolgsformel - Post-Punk Einflüsse und knackige Refrains - aus den Augen. Die Grundstimmung ist düsterer als zuvor, die Band dürfte sich bei Genrehelden Joy Division ein wenig Inspiration geholt haben. Besonders auf Lead-Single The Kids Are Sick Again fällt das auf, diese zeichnet ein finsteres Bild einer desillusionierten Jugend, basierend auf den Einflüssen von Werbung und Reklame. Diese reiht sich mit Zeilen wie "The kids are sick again / Nothing to look forward to / They jumped the cliff again / Future sinks beneath the blue" durchaus unter die besseren, ergreifenderen Songs der Band.
Gelungen auch das an die früheren Veröffentlichungen erinnernde Questing, Not Coasting oder das rührende Calm, das vermutlich von einem Mann und der Beziehung zu einer depressiven Frau handelt ("Just wait and see / I don't know much about bravery / But I'll raise you up with my bad jokes and loose promises"). Letzterer besticht besonders durch Lloyds großartige Gitarrenarbeit und an The Cure oder Joy Division erinnernde atmosphärische Klangmuster. Auch Up-Tempo-Rocker und Opener Wraithlike hat seine starken Augenblicke und steht mit den Anfangszeilen "Here's a song that finally you can understand / A minor statement meant to counteract the bland" stellvertretend für die neue Marschroute der Newcastler.
Leider wird ein Album nicht nur an den Stärken seiner Höhepunkte gemessen, sonst könnte Quicken The Heart noch mit dem Vorgänger mithalten. Das Problem ist, hier gibt es kaum Höhepunkte. Die angesprochenen Songs haben alle ihren Charme, aber der absolute Übersong fehlt. Und auf die Gesamtlänge dümpelt die Band leider zu lang im Mittelmaß herum. Man kann zwar jeden einzelnen Track in sich zerlegen und wird immer etwas Befriedigendes entdecken, für die eigenen Maßstäbe ist das aber leider viel zu wenig. Die ansteckenden Ohrwürmer der letzten Alben bleiben fast komplett aus. Ist das Intro von Tanned richtig packend, so ziehen sich die nächsten, vorhersehbaren 3 Minuten einfach nur in die Länge. Und so geht es den meisten Songs. Das funklastige Let's Get Clinical beispielsweise. Klingt ganz nett eingespielt, aber spätestens nach 2 Minuten Ödnis pur. Die Besprechung der restlichen Tracks spare ich mir am besten, das würde nur recht eintönig werden.
Quicken The Heart ist kein schreckliches Album. Es lässt sich leichter hören, als die Bewertung wohl vermuten lässt. Leider nur ebenso leicht wieder vergessen. Zu oft wirken die Songs wie unausgegorene Skizzen, aus denen man einen wesentlich stärkeren Song basteln hätte können. Man hat das Gefühl, hier wurde nur Augenmerk auf eine vielschichtigere, kolossalere Instrumentierung gelegt, die einzelnen Tracks vergessen und in Eile zusammengeschustert. Die ist nämlich hochwertiger denn je. Maxïmo Park werden sich zwar nicht an Muse oder Coldplay messen können, klangmäßig wurde hier aber eine bemerkenswerte Entwicklung vollzogen. Beim nächsten Mal noch starke Songs darin einwickeln, dann klappt es bestimmt wieder.