Maroon 5 - It Won't Be Soon Before Long

 

It Won't Be Soon Before Long

 

Maroon 5

Veröffentlichungsdatum: 16.05.2007

 

Rating: 6.5 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 02.07.2016


Man leistet einen Treueschwur auf den glatten Pop mit all seinen Stärken und Schwächen.

 

Das mit dem zweiten Album ist ja eine altbekannte Geschichte. Vor allem deswegen, weil ich noch jeden Review zu einem zweiten Album mit irgendeinem Müll über die Besonderheit und Bedeutung eines zweiten Albums eröffnet habe. Ich werd aber nicht so schnell damit aufhören, denn es gibt noch ein paar Aspekte, die da noch nicht beleuchtet wurden. Deswegen: Das zweite Album ist ganz wichtig! In diesem Fall hauptsächlich der Zeitpunkt, zu dem man dieses veröffentlicht. Wer einmal so lange dabei ist wie AC/DC oder sich so verdient gemacht hat wie Radiohead, der hat da Narrenfreiheit. Aber so direkt nach einem sehr erfolgreichen Anfang gilt es, tunlichst den idealen Moment für einen Release zu finden. Wird man nicht schaffen, aber man darf wenigstens schnell genug sein, um die Erwartungen nicht ins Unermessliche zu treiben. An der Übung sind die Unsympathler von Maroon 5 gescheitert. Wenigstens die Musik gibt aber genug her.

 

Wobei die Band auch auf diesem Feld genug tut, um einem positive Worte etwas schwieriger zu machen als nötig. Schwieriger als beim Debüt werden sie auf alle Fälle, dafür mangelt es dem Nachfolger nämlich einmal ganz sicher an Konstanz. Der Grund dafür ist im Wechsel der Waffen, mit denen Adam Levine und seine Kollegen angreifen wollen, zu suchen. Wo auf dem Debüt eine soulige Emotionalität vorherrschte, regieren nun Sex, glitzernder Rock, sowie der Kniefall vor Prince und anderen Ikonen der 80er. Auch deswegen ist "It Won't Be Soon Before Long" in seiner Essenz purer Pop und der Massentauglichkeit verpflichtet. Doch die Musikalität ist nicht weg, sie klingt nur anders. Im Falle der elektrisierenden Leadsingle klingt sie nach funkigem Dance-Pop. Ein Tanzflächen-Monster eigentlich mit effektiven Gitarren-Licks, dem notwendigen pfundigen Beat und kratzigen Retro-Synths. Doch der Gesang macht die Musik. Nicht wirklich, aber Adam Levines unterkühlte Performance verleiht dem Song genau den Charakter, der dem glatten Brimborium sonst vielleicht etwas abgehen könnte.

 

Das Quintett ist also mutiger und aggressiver, lebt die Exzentrik. Wann immer das Tempo hoch gehalten wird, geht diese Strategie auf. Little Of Your Time illustriert mit seinen kantigen, zwischen Percussion und hellen Riffs aufblühenden  Strophen und dem unendlich harmonischen Refrain perfekt die Ambivalenz des ganzen Albums. Man schielt quasi. Während das rechte Auge zielgenau die Charts anvisiert und die Eingängigkeit zur Tugend erhebt, erlaubt das linke die nötigen Freiheiten, um dem Untergang in den Massen der Pop-Konkurrenz zu verhindern. Die gewonnene Härte im Sound hilft. Matt Flynns Drums wollen selten wirklich auflockern, brechen stattdessen die Arrangements mit ihrem abgehackt-monotonen Stil auf. Die Synths können und wollen ähnliches, läuten so schon das penetrante Wake Up Call ein, das an der Schwelle zur Unerträglichkeit wandelt, nur um dank Levines Souveränität und der fein abgestimmten Produktion doch noch positiv zu enden. Dem Beat verpflichtet, spart man an der Melodie, zelebriert dagegen das moderat Störrische. Auch Kiwi schlägt in diese Kerbe, entzieht sich aber der modernen Dance-Charakteristik und wird stattdessen zur offensichtlichsten Annäherung an Prince im Stile griffigen Disco-Funks. Der Track steht und fällt mit James Valentines Arbeit an der Gitarre. Und der macht seine Sache besser denn je, lässt sich gar zu einem Lautstärke-Ausbruch im verzerrten Outro hinreißen, ergänzt sich ansonsten ideal mit der zurückhaltenderen Rhythm Section und den aushelfenden Bläsern.

 

Diese eine Seite der Medaille mag die LP tragen, doch die kühle Aura, die hier alles umwabert, hinterlässt an anderer Stelle weniger schöne Spuren. Wenig überraschend plant die Band Gefühlsausbrüche ein, will mit Balladen für Stimmung sorgen, wo sie dem Albumverlauf nach nur bedingt hinpasst. Folgerichtig klingen die ruhigeren Momente nur selten so, wie man es sich von atmosphärischen Minuten erwarten würde. Stattdessen reiht sich auf dieser Ebene ein durchschnittlicher Track an den nächsten, sei es das unmotiviert beschwingte Not Falling Apart, das Klavier-Melodrama von Better That We Break, dem Levine allein das Leben rettet, oder die schräge Eröffnung If I Never See Your Face Again, die mit ihren Disco-Klängen überhaupt ein einziges Frankenstein-Stückl darstellt. Was fehlt, ist die Intimität und Ehrlichkeit des Debüts, bedingt auch durch den Mangel am Fehlen der amourösen Inspiration des Debüts und somit fast jeglichen Stoffs für emotionale Minuten. Die Romantik wirkt inmitten aufreizender Arrangments pflichtschuldig, erhält vor allem auch auf instrumentaler Ebene kaum Unterstützung. Lediglich Goodnight Goodnight überzeugt dahingehend mit seinen gesetzten Riffs und den dezent eingeflochtenen Streichern.

 

Vielleicht sucht man zu selten die Mitte, die Kombination aus diesen beiden Seiten des Albums. Nur einmal kommt man wirklich dazu, diese zu erkennen, und sogleich ist es das Beste, was der Band in fünf Jahren gelungen ist. Can't Stop ist als von Elektronik befreites Up-Tempo-Stück auf andere Art angriffig, auf andere Art lebendig. Im organischeren Rock-Gewand zeigt sich nicht nur ein Levine, der sich der exzentrischen Allüren entledigt und damit zu einer authentischeren Performance vordringt, sondern auch die Wirksamkeit des Einfachen. Das sehnsüchtige Schmachten profitiert dabei vom Verzicht auf 80er-Reminiszenzen und dramatische Anwandlungen. Stattdessen regiert eine Art rastloser Sehnsucht, die die Band - man möchte es kaum glauben - zu ihrer wahrscheinlich einzigen genuin humorvollen Zeile bringt: "I just wrestle with you in my dreams and wake up making love to a pillow."

Überhaupt dürfte dieses konventionelle Rock-Gewand eines sein, das die Band ruhig öfter hätte anlegen können. Denn auch die einzige umfassend effektive ruhige Ballade kommt damit aus. Won't Go Home Without You zeichnet dabei genau das aus, was auch Can't Stop hilft, nämlich ein Hang zum Unspektakulären. Ein Kompliment ist das deswegen, weil damit keine musikalischen Ablenkungsmanöver da sind. So bleibt ein gelungener Pop-Rock-Song, der insbesondere eine im Vergleich zum Rest der LP besondere Ausgewogenheit im Arrangment beweist. Ein äußerst harmonisches Ganzes, das gerade genug gesangliche Freiräume bietet, um die Emotion einzufangen, nicht aber ins Melodramatische abzudriften.

 

Das könnte, sollte und müsste öfter passieren, um "It Won't Be Soon Before Long" zu einem wirklichen Erfolg zu machen. Es ist immer noch ein gelungener Auftritt im Sinne einer vor Charakterlosigkeit flüchtenden Neuausrichtung, die sich zwar jeglicher emotionalen Tiefe entledigt hat, dafür aber mit berechnend-präziser Exzentrik punktet. Das lässt keinen Sympathie-Bonus zu, soviel ist klar. Es sorgt aber immerhin für die notwendigen Pop-Hits, um der LP ihre Daseinsberechtigung zu schenken. Trotzdem bietet das Album einen ersten Vorgeschmack auf die inhaltliche Oberflächlichkeit, die spätestens nach Moves Like Jagger zum Markenzeichen von Maroon 5 werden sollte. Hier noch mit würdigen Ausreißern und ansprechend verpackt. Fünf Jahre Wartezeit rechtfertigt das trotzdem nicht so wirklich.

 


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