von Mathias Haden, 27.09.2015
Überwiegend lohnende Neuerungen am missachteten Longplayer der Schweden.
Hallo Freunde der guten Unterhaltungsmusik und willkommen zurück zu einer alten Debatte. Zuerst einmal die adäquaten Fragestellungen: Soll der Schuster etwa bei seinen Leisten bleiben, wenn er sein Handwerk bestens versteht? Will selbst der eingefleischte Die-Hard-Fan (nicht zu verwechseln mit dem Blockbuster mit Bruce Willis) ewig dieselben Riffs, dieselben Thematiken und dieselben Songstrukturen vor den Latz geknallt bekommen? Als gleichermaßen progressiver Musikliebhaber wie bekennender Nostalgiker ist man hier zwiegespalten, tendiert aber doch eher in Richtung artistischer Weiterentwicklung und brodelnder Neugier.
Somit begrüßt man auch den Hang zum Fortschritt unserer schwedischen Freunde von Mando Diao. Obwohl, so bedenkenlos mag man diese Worte jetzt nicht in gegebener Konstellation verharren lassen, erinnert man sich nur mit Frösteln an die biederen Elektronikexzesse ihres letzten Albums von 2014. Wie auch immer, nach dem auf MusicManiac ohnehin schon mit genug Lob überschütteten Ode To Ochrasy konnte man gespannt sein, um welche Facetten das damalige Quintett seinen erfrischend bodenständigen Rock erweitern würde, mit dem es bereits im Folgejahr mit Never Seen The Light Of Day zurückkehrte.
Am besten lassen sich Fans und Kritiker mit schleichenden Übergängen zufriedenstellen, die Mut zu Neuem beweisen, aber nicht uncharmant aus alten Träumen reißen. Insofern ist es nur logisch, dass die vierte LP mit zwei Reminiszenzen an frisch vergangene Tage eröffnet wird. Opener If I Don't Live Today, Then I Might Be Here Tomorrow setzt auf die alte Erfolgsformel, vereint schwungvolle Gitarren mit einer lässigen Rhythmussektion und streut zarte Streicher darüber. Mit einer Länge von zwei Minuten freilich viel zu kurz, mausert sich die Nummer mit seiner starken Hook rasch zu einem frühen Höhepunkt, den auch der starke, folgende Titeltrack nicht zu übertrumpfen vermag. Während hier erneut auf dasselbe Rezept geschworen wird, Streicher, Bass und helle Gitarrenwände herrlich harmonieren, driften Björn Dixgard und Gustaf Noren hier ins Melancholische ab, billigen der Protagonistin ihres Songs wenige Chancen auf Glückseligkeit zu und fahren damit gut:
"She knows
That if she ever let go
She will only loose her soul
There's no way out of this hell..."
Was hier dermaßen nahtlos an einen bemerkenswerten Erfolgslauf anknüpft, ist insgeheim freilich schnell zum sanften Scheitern verurteilt. Nicht sofort, denn mit dem verspielt leichtblütigen Gold mit seinen lässigen Percussions und seinem Kontrastbild, dem entzückend gleichgültigen I Don't Care What The People Say mit fesselndem Getrommel bleibt die LP weiter auf Kurs. Erst danach fängt das Gerüst an zu bröckeln, mischen sich vermehrt Einflüsse ins Geschehen, die man wohl besser überdenken hätte sollen. Mexican Hardcore verkraftet das Zusammenspiel von Dixgards gewohnt kraftvollem Gesang und der wild angeschlagenen Akustikgitarre nicht besonders vital, ehe sich Macadam Cowboy nach lächerlichen Soundeffekten zum Auftakt in eine leblose Ballade verflüchtigt. Der größte Wermutstropfen einer mit einigen netten Überraschungen versehenen LP kommt dann leider mit einem der längsten Tracks. One Blood birgt nämlich vieles: eine unnötige Portion Härte, wildes Geschrei, einen monotonen Drumbeat und in erster Instanz die Gewissheit, hier den schwächsten Song der Band bis zu diesem Zeitpunkt gehört zu haben - wahrlich keine schöne Mischung.
Gerne wird Never Seen The Light Of Day ja für seine unkonventionellere Natur verunglimpft, findet bis zum heutigen Tage zwischen den Hitlieferanten Ode To Ochrasy und Give Me Fire! kaum Beachtung. Und so wenig erfreulich die Neugier an neuen Klanglandschaften in diesen, gerade angeprangerten Stücken, besonders natürlich im aggressiven, indes träge voranpolternden One Blood ausfällt, so sehr erfreut sie in anderen Momenten. Während etwa Misty Mountains den charakteristischen Bandsound um einige nette kleine Nuancen wie eine unaufdringliche Pedal Steel erweitert und in seiner unbeschwerten Spielfreude verdammt gut ins Ohr geht, benötigt der knapp achtminütige Closer Dalarna, das vielleicht polarisierendste, weil bei einigen vielleicht esoterisch anmutende, Stück im bandeigenen Kanon, nicht einmal die Unterstützung der beiden Sänger, um mit schöner Melodie und wortlosem Gesang seiner Gastsängerinnen am Ende noch einmal zu glänzen.
Was dazwischen abgeht, ist bewährte, alte Mando Diao-Schule. Single Train On Fire tönt ordentlich, wäre am Vorgänger aber unter den schwächeren Titeln gewesen und Not A Perfect Day bildet einmal mehr die klassische Ballade der Schweden. Weit weg davon, wirklich großartig zu sein, aber angenehm anzuhören. Wie im übrigen die gesamte LP, die mit seinem speziell(er)en Sound und seinen vergleichsweise lausigen Verkäufen zu oft durch den Raster fällt - vor allem bei den ersten Hördurchgängen einen enttäuschenden Beigeschmack hinterlässt. Hört man aber genauer hin und an allen merkwürdigen Meriten vorbei, offenbart sich ein Album, das zwar offensichtliche Schwächen aufweist, aber auch einige der schönsten Komposition der Band. Vor allem aber ist es dem unwürdigen, hierzulande zu Unrecht zum bekanntesten Werk herangereiften Nachfolger in sämtlichen Belangen überlegen und vermutlich auch besser als alles, was noch je aus dem schwedischen Borlänge zu hören sein wird. Da nimmt man das bisschen Experimentierfreude und einen unglaublich rattigen Track doch nur allzu gerne in Kauf.
Anspiel-Tipps: