von Kristoffer Leitgeb, 28.03.2020
Auf dem Weg zum Besten dreier Welten des modernen, weiblichen Singer-Songwritertums.
Ein guter Freund und langjähriger musikalischer Weggefährte hat mich einmal wissen lassen, junge Songwriterinnen mit einer sanften, guten Stimme und ein bisschen Folk-Charme gäbe es jedes Jahr so einige, deswegen wäre das nicht wirklich was Besonderes. Und er verfolgt ebendie eher, als vertraue ich ihm da. Deswegen ist es auch ganz gut, dass wir uns hier nicht auf dem Felde auf die akustische Gitarre zentrierten Folk-Pop bewegen, sondern stattdessen der durchaus ziemlich elektrische Indie Pop/Rock mit lediglich einzelnen folkigen Tendenzen wartet. Ganz etwas anderes! Und da gab es in den letzten Jahren die eine oder andere neue Dame, die so einiges bewegt und sich in die Bestenlisten gespielt hat. Angel Olsen fällt einem ein, die spätestens mit "MY WOMAN" viele Kritiker zur Begeisterung gezwungen hat, Courtney Barnett und ihr geniales, mit großartigem Witz und Sound gesegnetes Debüt genauso, aber auch die etwas lautere Mitski, die mit ihrer letzten LP einiges niedergerissen hat. Man ist also an und für sich versorgt mit genug Frauenpower, die auch für die nächsten Jahrzehnte noch viel verspricht. Und doch ist nichts einzuwenden gegen eine Band, die mit ihrer Frontfrau daran arbeitet, alle diese drei Musikerinnen auf einem Album zu vereinen und dabei ein verdammt starkes Erstwerk abliefert.
Womöglich verdient ebendieses eine etwas nähere Beschreibung, damit die Sache klarer wird. "Best Wishes" bewegt sich mit spielerischer Leichtigkeit zwischen straightem, kratzigem Rock, atmosphärisch-minimalistischem Indie-Pop und folkiger Akustik, ohne dabei darauf zu vergessen, dass in den Texten auch noch ein bisschen was stecken sollte. Das ist eine ziemlich imposante Kombination, wenn man dann noch mit einberechnet, dass Maria Maita-Keppeler, die Frau am Mikrofon und Hauptverantwortliche für das Songwriting, stimmlich dazu in der Lage ist, den nötigen Witz genauso zu verkörpern wie unkaschierte Emotionen und düstere Beklemmung. Alles beieinander also, wie man eigentlich schon mit Opener A Beast hinreichend belegt bekommt. Unscheinbar rollen da die Drums zuerst dahin, während ein paar Akkorde an der Gitarre bemüht werden, bis die irgendwann in luftig-leicht dahinzuschweben beginnen und dann doch in einem lautstarken Refrain mit trockenem, hartem Stakkato aufgehen. Maita selbst springt dafür zwischen fast lapidar vorgetragenen Zeilen, samtweichen Noten und einem leidenschaftlichen Ausbruch hin und her, um das zu vollenden. Man würde dem Song fast schon attestieren, er wäre vollendet, hätte man nicht das Gefühl, dass ein klein wenig für den großen Triumph zu Anfang fehlt.
Wer an dieser Stelle glaubt, allein deswegen an all dem Gebotenen zweifeln zu müssen, wird sich freuen, dass es noch besser kommt. Großartigerweise erweist sich die Band als musikalisch wendig genug, um ihre Höhepunkte gleich einmal in verschiedene Richtungen losstarten zu lassen. Can't Blame A Kid überzeugt dank seiner großartigen Hook schnell als geradliniger Rocker, der sich neben seinen starken Riffs vor allem mit Maitas starkem Text brüsten kann. Anstatt nämlich die Geschichte ihrer schüchternen Kindheit und Jugend in Kitsch oder Selbstmitleid zu ertränken, schließt sie mit einer reichlich unbalancierten Freundschaft gekonnt ab. Tracks wie diese bestätigen eine Songwriterin, die ohne große Umschweife ihre Geschichten in direkter Art zu erzählen weiß, dabei aber nicht viel weniger auf emotionaler Ebene mitbringt. Japanese Waitress wirft dazu Licht auf den tristen Alltag als Kellnerin und baut ein ebenso tristes Arrangement darum auf. Akustische Zupfer leiten all das ein, werden nur langsam begleitet von langgezogenen, düster verhallenden Riffs und dank ebendieser zeitweilig in düsterer Dramatik auf. Ähnlich nur in noch effektiverer Form präsentiert sich Darling, Don't Take Me When You're Ready To Go, das die spärliche Instrumentierung noch um pulsierende Drums und vereinzelte Klaviereinsätze erweitert, sodass zur Songmitte doch noch treibender, drückender Indie-Rock daraus wird, ohne dass darunter die endzeitliche Atmosphäre leiden würde.
Inmitten dieser herausragenden Minuten tummeln sich nichtsdestotrotz ein paar Tracks, die zumindest kein makelloses Bild zulassen. Pardon Me Please und Pay To Play wirken zum Ende des Albums verhältnismäßig leichtgewichtig, sind angenehm arrangiert und gehen gut runter, lassen aber die überzeugenden klanglichen Finessen und textliche Tiefe manche vorangegangener Songs vermissen und verblassen so. Passabler Indie Rock ist es nichtsdestotrotz. In ähnlichen Sphären findet sich auch Broken Down Boys wieder, dessen dezenter akustischer Beginn zwar überzeugt, das aber schon durch den zu starken Punch der Drums verliert und auf dem musikalischen Fundament und nie annähernd so gefühlvoll gerät, wie es für die zurückhaltende Ballade wohl gedacht war.
Auf der anderen Seite bekommt man auch relativ schnell einen Eindruck davon, wie gutes "Fillermaterial" hier klingen kann. Perfect Heart legt seinen Fokus eindeutig eher auf die Musik und liegt damit nicht falsch, bringt der lockere Rock doch die beste Hook neben Can't Blame A Kid mit und lässt genug Raum für ein bisschen gesangliche Exzentrik im Refrain, nachdem Maita zwar ihre gesanglichen Fähigkeiten auch sonst nie zurückzuhalten versucht, diese aber meist der atmosphärischen Spannungsbogen ihrer Songs unterordnet. Ein gutes Bild von ihrem mühelosen, emotiven Einsatz ihrer Stimme bekommt nichtsdestotrotz in fast jedem Moment, sei es eine dezente, düstere Ballade oder die zu intonierende, zögerlich-schüchterne Aufbruchsstimmung im hellen, gekonnt mit Klavier verzierten I'm Afraid Of Everything.
Und wenn man dann verabschiedet wird mit Best Wishes, XO, Hugs & Kisses, Goodbye, diesem friedlich-wehmütigen Indie-Folk-Closer, ist man eigentlich rundum zufrieden, ein bisschen beeindruckt sogar, definitiv etwas berührt und mitgenommen von mancher Minute, wenn man ihr die nötige Aufmerksamkeit schenkt. Insofern kann "Best Wishes" so ziemlich alles, was man sich von einer Indie-Band mit starker Songwriterin an der Spitze wünschen kann. Dass es das nicht die ganze Laufzeit hindurch in gleicher Intensität und mit gleicher Finesse anbieten kann, ist generell schon ein verschmerzbarer Makel, bei einem Debüt aber noch umso mehr zu verzeihen. Denn selbst bei etwas weniger euphorischem Blick auf dieses Album ist es zumindest immer noch eines, das verdammt viel für die hoffentlich vielen Nachfolger verspricht. Einem Gutteil dieser Songs sei Dank, ist aber das hier eigentlich schon gut genug, um als vorweggenommene Einlösung dieser Versprechen gelten zu können.