Ludwig Hirsch - Bis Ins Herz

 

Bis Ins Herz

 

Ludwig Hirsch

Veröffentlichungsdatum: ??.03.1983

 

Rating: 6 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 09.01.2021


Die Grenzen zwischen bissiger Schwärze, kritischer Persiflage und schlichtem Kitsch verschwimmen.

Ganz klassisch, wie es sich für einen gestandenen, verdammt guten Liedermacher und Musikanten gehört, waren die 80er auch für Ludwig Hirsch nicht unbedingt das günstigste Jahrzehnt. Allerdings ist das eine Frage des Blickwinkels. Dem Steirer war es damals immerhin vergönnt, zum ersten und einzigen Male von der Spitze der heimischen Charts zu lachen. Auf der anderen Seite ist es ihm wohl gelungen, im Jahre seines so überzeugenden und eindringlichen Debüts, 1979, für mehr anhaltende Erinnerungen an seine Songs zu sorgen, als es ihm die ganze folgende Dekade über gelungen ist. Der eine oder andere eher untypische Singlehit ändert wenig daran, dass der Zauber der Quadruplebödigkeit, die ich ihm einmal beschienen habe, an Stärke eingebüßt hat und man nicht mehr so eindeutig sagen konnte, ob der Hirsch denn nun weiterhin mit bissigem Augenzwinkern oder doch mit einem verfehlten Sinn für übersteigerte Romantik musiziert hat. Die erfolgreichste LP dieser Tage darf gerne exemplarisch für diese Entwicklung stehen, die einen komplizierten Zwiespalt heraufbeschwört.

 

Denn die Kompositionen des Ludwig Hirsch treffsicher auf ihre Intention und das Ausmaß des Sarkasmus abzuklopfen, ist eine durchaus fordernde Aufgabe. Wofür könnte dieser Mann denn sonst stehen als für eine unerreichte Verhöhnung verklärenden Kitschs, das textliche humorvoll-angriffige Anpacken gesellschaftlicher Missstände und zum Himmel stinkender Heuchelei beim gleichzeitigen, bewussten Spiel mit der musikalischen Romantik? Nichts kann er besser. Findet man sich dann aber plötzlich an einem Punkt wieder, wo man die inhaltliche Eindringlichkeit und gleichzeitig den wirklich treffsicheren Humor vermisst, während die Musik unverändert der Romantisierung und dem Kitsch zugewandt ist, wird es etwas schwierig. Ist das nur ein kurzes Schwächeln des erstklassigen Lyrikers oder doch gar eine stilistisch unvorteilhafte Wandlung? Man weiß es nicht, kämpft aber dennoch mit etwas wie Gel' Du Magst Mi, das nach einem Liebesgstanzl kurz vor der Sperrstund im verrauchten Eckbeisl klingt. Weil aber die Seitenhiebe fehlen, der Humor in den Zeilen und klanglich mager ausgeprägt bleibt, bleibt man als Hörer auf dem schmalzigen Blues-Rock für alle Freunde des Stehwalzers hocken. Und das ist kein guter Einstieg in diese LP.

 

Immerhin aber einer, der gleich einmal die zu erwartenden Schwierigkeiten illustriert. "Bis Ins Herz" ist auf dem schmalen Grat zwischen gelungener kritischer Aufarbeitung von Verklärung, Romantik und so manchem Missstand und dem Abdriften in simplen Kitsch unterwegs. Insbesondere musikalisch ist die feine Klinge mittlerweile eher eine Axt, sodass die ehemals herrlich geschmeidigen Streicherpassagen von Omama oder Die Spur Im Schnee, die so treffend den Text zu konterkarieren wussten, durch hölzerne, nach klassischer 80er-Manier überproduziert wirkende Instrumentalarbeit ersetzt werden. Zwangsläufig überträgt sich das mitunter auch auf die textliche Eindringlichkeit und Qualität. A Verbrecher Weniger Auf Der Welt widmet sich deswegen zwar nicht weniger einem starken Thema, die Abschiedsworte des zum Tode Verurteilten sind jedoch kaum einmal so eindringlich oder hintergründig, wie man es von Hirschs besten Momenten gewohnt ist. Eventuell auch nur, weil die Musik eben nicht jenen Kontrast herstellt, der den Texten oft genug diese Qualität verliehen hat. So oder so ist es die verpasste Chance, einen guten Song zu einem großartigen werden zu lassen.

 

Wie überhaupt solche Mangelware sind. Häng Net Auf, das als einseitige Betrachtung eines Gesprächs das großartige Herbert in Erinnerung ruft, scheitert als Blick auf die bemitleidenswert zerkrachte Gestalt, die die Ehemalige am Telefon zur Rückkehr bewegen will, an seiner langatmigen Banalität. Die lässt anfangs zwar das Potenzial erahnen, dass sich gerade aus dem Sermon rund um die Katze und das Leberwurstbrot die Absurdität zu einer humoristischen Perle der Marke Hirsch steigert. Das langsam dahinklimpernde Klavier im Refrain und der höhepunktslose Trott der Komposition machen aber weit weniger Eindruck, als dafür nötig wäre.

 

Und weil Der General nur in seiner marschmusikalischen ersten Hälfte im besten Sinne an den schwarzen Humor eines Karl Kraus erinnert, bald aber zu einem mit Pathos überladenen Choral wider den Krieg wird, bleibt nicht viel, als sich auf Jugendfrei zu besinnen. Aber selbst das macht einem Hirsch hier unerwartet schwierig, weil man mit dem 80er-Rocker zwar den leidenschaftlichsten und dynamischsten Track des Albums bekommt, die ganze Emotion aber eine höchst merkwürdige Botschaft transportiert. Dass sich nämlich ausgerechnet Hirsch der erzkonservativen Idee hingibt, die so brutale Medienwelt und die ganze Gewalt würde den kleinen Burli zu einem eiskalten Monster machen, das plötzlich den ewiggestrigen Rechtsextremen nachrennt und Bombenbastler wird, ist eine Enttäuschung. Die ändert aber immerhin nichts daran, dass er mit dem spärlich synthetisierten Rock ein neues musikalisches Feld durchaus stark erschließt und sich textlich so prägnant und direkt präsentiert wie hier sonst nie. Und vielleicht ist es ja nur die meisterliche Doppelbödigkeit des Hirschen, die einen glauben lässt, dass er den Zusammenhang ernst meint.

Definitiv ernst meint er es allerdings mit dem abschließenden Moritz, das in seiner ungeschönten Lyrik für jeden anderen, ziemlich bescheidenen ruhigen Moment des Albums entschädigt. Die eisigen, hohen Klavieranschläge, die sich mit drückend tiefen Akkorden mischen, verstärken die dramatische Erzählung aus dem Konzentrationslager in brutaler Deutlichkeit und sorgen für einen Abschluss, der Spuren hinterlässt.

 

Sowas lässt sich leider über sehr wenig sagen, was einem auf "Bis Ins Herz" begegnet. Tatsächlich ist das Album solide, hat seine Qualitäten, die altbekannten des Ludwig Hirsch eben. Da ist weiter einer am Werk, der weiß, wie man Finger in Wunden legen kann, wie man Tragik und Komik verbindet. Lyrisch hat der Liedermacher letztlich auch gar nicht wahnsinnig eingebüßt, selbst wenn einen nichtsdestotrotz wenig an seine größten Würfe erinnert. Die Musik trägt daran aber wohl die Hauptschuld. Die feine Klinge und schönen, atmosphärischen Arrangements früherer Tage findet man auf dieser Ebene weniger. Stattdessen kämpft man mit einer recht definitionsarmen und meist undynamischen Pop-Rock-Melange, die nur hier und da vereinzelt stimmig genug ist, um die Wirkung der Texte zu verstärken oder sie auf gelungene Art zu konterkarieren. Damit kann man leben, denn speziell negative Eindrücke ergeben sich daraus nicht. Dass man allerdings zwischendurch eher mit einem Gefühl der Langeweile aus den Songs herauskommt, ist kein gutes Zeichen. Die Höhepunkte sind dagegen mager und mit einer Ausnahme auch kaum wirklich als solche zu bezeichnen, sondern müssen sich damit begnügen, gute Songs, aber keine außergewöhnlichen zu sein.

 


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