von Mathias Haden, 27.03.2014
Die walisische Antwort auf den Nu-Metal hat es so wenig gebraucht wie einen Kropf.
Eigentlich kann ich mir die Rezension getrost sparen. Wen interessiert denn, dass es die Lostprophets - damals noch Lost Prophets - schon einige Jahre vor Last Train Home oder Rooftops oder dem Platz 1 in den UK mit der dritten LP Liberation Transmission gegeben hat? Bestimmt werden es auch nicht mehr, wenn durchsickert, was für Musik die in den Anfangsjahren ihrer Karriere so fabriziert haben: Nu-Metal! Nein, ehrlich: wer hört denn heute noch Nu-Metal, wer hat es überhaupt je gehört? Limp Bizkit, Korn, Papa Roach, Slipknot, die Liste der überflüssigen Bands, die sich um die Jahrtausendwende ein goldenes Näschen an rebellischen Teenagern verdient haben, ist lang. Und dann noch die Lostprophets, die man heute bestenfalls noch wegen den Verunglimpfungen ihres Frontmanns Ian Watkins vom Hören kennt. Der sitzt jetzt geschätzte dreißig Jahre hinter schwedischen Gardinen, warum obliegt mir hier nicht näher auszuführen.
Als das Debüt Thefakesoundofprogress Ende 2000 in die Läden kam und nebenbei (im zweiten Anlauf ein Jahr später) auch noch Platz 44 der UK-Charts erreichte, war das alles aber beileibe noch kein Thema; das Nu-Metal-Bands fassende Trojanische Pferd, das uns da Anfang der 90er über Nacht angedreht wurde, aber zum Bersten gefüllt. Kein Platz mehr für eine weitere, wenig versierte Band mit denselben bzw. ohne Ideen - und dann noch aus Wales! Genauso hört sich das leider dann auch an.
Obwohl, ein Momentchen! Der Opener ist ja richtig geil, mit Shinobi vs. Dragon Ninja wirklich spannend betitelt und überzeugt mit harten Gitarren und knackigem Riff. Nicht umsonst der meistgespielte Song der Gruppe während ihrer Laufzeit. Gleich im Anschluss an den aufreibenden Auftakt dann so etwas wie eine bandeigene Hymne: das ambitionierte The Fake Sound of Progress. Auf diesen fünfeinhalb Minuten deuten Watkins und Konsorten an, was denn möglich sein könnte. Wieder sind es die Gitarristen Lee Gaze und Mike Lewis, die dem Leben einhauchen. Wow, zwei von zwei waren ja ganz ordentlich, wenn auch nicht revolutionär oder atemberaubend (Shinobi ist aber schon cool, doch!). Macht bis jetzt eine Erfolgsquote von 100%. Nur, das war es dann aber auch schon.
Auf den folgenden neun Tracks herrschen nämlich frustrierende Ideenlosigkeit, sinnloses Rumgekreische und banales Metalriff-Geschrammel vor, garniert mit der einen oder anderen Pop-Facette. Haben die Waliser das Interesse einiger aufmerksamer Zuhörer mit einem starken Einstieg geweckt, so trampeln sie nun unbarmherzig darauf herum. Und das dann noch mit stetigem Qualitätsabbau. Die Tracks 3 und 4, Five Is A Four Letter Word und And She Told Me To Leave kann man in ihrer Form sicherlich noch verschmerzen.
Wenn dann aber The Handsome Life Of Swing mit prätentiöser Hardcore-Attitüde aufwartet und im Alleingang für das vorhin beschriebene "sinnlose Rumgekreische" verantwortlich ist, ist Schluss mit Lustig. Ian Watkins war niemals ein großer Sänger, geschweige denn ein talentierter. Aber das muss nun wirklich nicht sein. Dazu gesellt sich schließlich eine zweite Seite, die schon deutlich mehr in Richtung zweiter LP (Start Something, 2004) schielt. Leichter verdaulich zwar, aber zum einen dann doch sehr geschmacklose Kost und zum anderen irgendwie unpassend nach der Härte zum Auftakt.
Die restlichen Lichtblicke, die zwar durchaus vorhanden sind, aber mit der Leuchtkraft eines Glühwürmchens doch sehr unscheinbar phosphoreszieren, befinden sich dann trotzdem noch am ehesten auf der softeren zweiten Hälfte der LP. An den Tracks mit dem größtem Pop-Appeal nämlich, die sich trotz niedrigerem Tempo und verständlicherem Gesang nicht wirklich einprägen wollen (so viel zum Pop-Appeal). Und dann auch bestenfalls nur phasenweise, Großteils nur punktuelle Augenblicke. Stark beispielsweise das Intro von Awkward, das mit nettem Zusammenspiel zwischen Bass und Drums für die unterhaltsamsten Momente abseits der ersten zwei Tracks sorgt und sowas wie "Groove" in die biedere Atmosphäre spült.
Ansonsten kann man sich höchstens über die makellose Produktion freuen, die das Album mit ein wenig Authentizität versieht. Denn an besondere Textzeilen kann und will man sich ohnehin nicht erinnern.
Schließlich, nach fast 50 - genretypisch viel zu vielen - Minuten hat man es endlich geschafft. Erleichterung macht sich breit, dass es die Waliser bei einem deftigen Album bleiben haben lassen und sich später dem Mainstream annäherten. Was schon vielen Bands, man erinnere sich mal wieder an Genesis in den 80ern, künstlerisch nicht wirklich gut getan hat, war für die 'verschollenen Propheten' dann wohl doch der richtige Schritt. So kann man die LP getrost verstauben lassen oder gar nicht erst kaufen - eine Kaufempfehlung sieht anders aus.
Eigentlich konnte ich mir die Rezension ja getrost sparen, getan habe ich es, getrieben von meiner inbrünstigen Sehnsucht nach Wahrheit und aufgeworfenen Fakten, natürlich nicht. Neben einem lausigen Album kam dabei sogar ein ganzes Genre, falls man es denn so nennen mag, auf seine Kosten. Nein, anno 2000 hat es keine weitere Nu-Metal-Band gebraucht, schon gar keine aus dem Norden Großbritanniens. Wales' Antwort auf Limp Bizkit und Co. gleicht in seiner Notwendigkeit für die Musikszene nämlich einem Kropf. Wenigstens gestaltet sich die Songauswahl endlich mal einfach....