von Mathias Haden, 06.03.2015
Ein Hauch Souveränität am Zenit einer erfolgreichen Karriere.
Wie einfach könnte das Leben nur sein: ein kleines Haus am Lande, ein tüchtiger Gatte, dazu noch der grüne Garten und ein paar gesunde Kinder - nach mehr verzehrt sich das genügsame Herz doch gar nicht. Und irgendwie will es doch nicht so recht ins Bild passen, dass Linda Ronstadt auf ihrem achten Soloalbum dem amerikanischen Traum den Rücken zuwendet und auf die Vorzüge eines einfachen Lebens schielt. Aber was soll man machen, so tickt der Mensch halt; will immer das, was er nicht hat. Und so überrascht es schon wieder etwas weniger, dass Simple Dreams genau in eine Phase zu fallen vermochte, in der Ronstadt praktisch keine Fehler unterliefen, ja eigentlich zum erfolgreichsten Studioalbum mutierte. Die Chanteuse tourte mit fähigen Musikern durch das Land, verdiente sich ein goldenes Näschen und blieb mit ihrem Interesse an vielseitigen Einflüssen trotz Radiofreundlichkeit der biederen Hitmaschine fern. Und das wichtigste: die Alben waren allesamt bis zu einem gewissen Grad gut.
So auch das mit Triple-Platin ausgezeichnete, heute besprochene Werk. Bereits auf den Vorgängern spielte sich die Sängerin mit verschiedenen Genres, ließ ihren Pop-, Rock- und Countryunterlagen noch mit Anleihen aus Jazz, Gospel oder Soul übermalen. Diesen Weg beschreitet sie hier weiter eindrucksvoll, liefert ihr vielleicht eklektischstes Werk ab, was sicherlich mit den vielseitigen Vorlagen zu tun hat, derer sie sich hier annimmt. Diese reichen von Buddy Holly über Roy Orbison zu den Rolling Stones. Ihr größter Trumpf ist dabei wie so oft ihre kraftvolle Stimme, die mit dem über die vergangenen Jahre angehäuften Selbstvertrauen glockenklar auch das kompetenteste Gegniedel ihrer Gefolgschaft durchdringt.
Stark beeinflusst vom Sound der West Coast der Siebziger, schwebt Ronstadt durch die knappe halbe Stunde und lässt zumindest gesanglich wenige Wünsche offen. Mit Opener It's So Easy nimmt sie sich wie schon am Vorgänger eine Buddy Holly-Nummer zur Brust, kann seine ohnehin schon rockige Natur trotz souveräner Performance aber nicht um allzu viel erweitern. Danach gerät die LP zum Wechselspiel der Gefühle, auf eine rockige Nummer folgt eine emotionale Ballade und umgekehrt. Den wildesten Ton erhascht sie auf Tumbling Dice, dem formidablen Rolling Stones-Song. Dieser kommt trotz starker Performance freilich nicht an seine Originalversion ran, mit den umgeschriebenen ersten Zeilen und dem starken Zusammenspiel von Rhythmussektion, Gitarre und Piano ist es aber ein verdammt guter Versuch:
"People try to rape me
Always think I'm crazy
Make me burn the candle right down
Baby I can't stay
I don't need your jewels in my frown"
Dem entgegen erreicht sie die ruhigste Stimmung auf dem melancholischen Sorrow Lives Here, das leider nur von der Gesangsleistung Ronstadts lebt und trotz spärlicher Instrumentierung mit lediglich dem Klavier nicht so wirklich unter die Haut gehen will. In dieselbe Kerbe schlägt auch Maybe I'm Right, die nächste Ballade, die mit ihrer spärlichen, Begleitung nur der Protagonistin die Bühne frei macht, insgesamt aber doch etwas besser gerät. Der Hit unter den gefühlvollen Tracks ist aber zweifelsfrei das von Dolly Parton gesanglich unterstützte, traditionelle I Never Will Marry, das immerhin die These vom einfachen Traum widerlegt. Auf diesem zeigt sich sehr schön, wie versiert Ronstadt eigentlich im Singen von sanften Stücken zu Werke geht und wie sehr sie sich im Zusammenspiel mit Parton ergänzt. Zwischendurch hört man ein Dobro, ansonsten ist das eine klassisch countryeske Nummer mit Gänsehautfaktor.
Ihre besten Momente hat die LP abseits des Duetts aber in seinen rockigeren Momenten. Neben Tumbling Dice sind es vor allem zwei Nummern, die nachhaltig überzeugen. Das bekannteste Stück ist ihre Adaption des Roy Orbison-Songs Blue Bayou, den sie sich mit ihrer möglicherweise stärksten Performance hier zu Eigen macht. Bereits die Einleitung mit seinem lockeren Bass weiß auf Anhieb zu gefallen, ehe der Rest der Truppe mitmischt, die Pedal Steel langsam aufheult und die Sängerin zur sehnsüchtigen Romantikerin wird. Der zweite Ausreißer nach oben ist das darauffolgende, mitreißende Poor Poor Pitiful Me, aus der Feder von Kumpel Warren Zevon. Auf diesem lässt sich auch Gitarrist Waddy Wachtel erstmals so richtig aus seiner Zurückhaltung locken und liefert seinen kraftvoll knackigsten Beitrag der LP.
Ansonsten zeichnet sich eher die Konstanz aus. Nicht vielen Tracks könnte man etwas vorwerfen, nur wenige wollen allerdings mehr, als nur zu gefallen. Was bleibt, ist ein überwiegend sonniges Album zwischen Pop, Rock und Country, das eine Protagonistin auf dem Zenit ihres Erfolges zeigt, in künstlerischer Sicht aber nicht ganz an ihre besten Leistungen anknüpfen kann. Die Band spielt souverän, aber insgesamt recht abgeklärt und nur selten wirklich mutig und risikofreudig, während Ronstadt aufopferungsvoll eingreift, aber auch nicht immer das Ruder ganz an sich reißen kann. Freunde von gepflegtem 70s-Pop-Rock im West-Coast-Gewand können mit den 32 Minuten nicht viel falsch machen, werden aber vermutlich nicht in ekstatische Jubelstürme ausbrechen.