von Kristoffer Leitgeb, 07.05.2016
Das Kommerz-Konzept lässt die eigenen Stärken schon beim zweiten Auftritt alt klingen.
Die Übersättigung dürfte ein relativ vielseitiger Zustand sein, immerhin kommt sie fast überall vor. In der Kulinarik erlebt man sie ganz sicher irgendwann einmal, außer die eigenen Mahlzeiten schaffen es nicht über den leichten Bio-Salat mit Low-Fat-Dressing hinaus. In der Wirtschaft entgeht man ihr auch kaum, immerhin sind die ganz G'scheiten dort draufgekommen, dass nicht jeder fünf Kühlschränke oder drei SUVs braucht und Konsumenten ziemlich satt sind von all dem Zeug. Deswegen haben heute Dinge wie Waschmaschinen, PCs oder natürlich Smartphones eine Halbwertszeit, die sogar der von so manchem Castingshow-Sieger Konkurrenz macht. Wo kommt sonst der Gewinn her? In der Musik ist das nicht anders, wobei manche Trends den Leuten so auf den Sack gegangen sind, dass man schon im Vorhinein relativ wenig Gusto dafür aufgebracht hat. Der Aufstieg von Limp Bizkit war so ein Trend, noch dazu im trendigen Nu-Metal, der auch schon die meisten Sympathien verspielt hatte. Warum "Significant Other" trotzdem sauerfolgreich war? Keine Ahnung.
Wobei man den US-Amerikanern zumindest zugestehen muss, dass die LP nicht so schlecht ist wie das allermeiste, was sie sonst gemacht haben. Das liegt weniger daran, dass man qualitativ jetzt wirklich so viel mehr zeigen würde als zum Beispiel auf "Chocolate Starfish...". Aber man nervt einfach seltener. 1999 war das Jahr, in dem sich Fred Durst und seine Gehilfen vor allem dafür interessiert haben ein massentaugliches Album abzuliefern. Auch wenn man ihnen dabei einen eigenen Sound zugeschrieben hat, offenbaren die entstandenen Tracks wenig wirkliche Ecken. Mag auch daran liegen, dass diese Band mehr als fast alle anderen - auch die übrige genreinterne Konkurrenz - in ihrer Zeit gefangen ist, deswegen so sehr nach ausklingendem Millennium klingt, wie es sonst nur blink-182 geschafft haben. Große Momente sind folgerichtig Mangelware oder eigentlich gleich gar nicht vorhanden. Man macht es sich mit Riffs, die Rage Against The Machine imitieren, fadem DJ-Handwerk und dem Kasperl am Mikro ziemlich bequem, ohne dabei wirklich zu versagen. Nein, Tracks wie Hitsingle Nookie oder Just Like This zeugen davon, dass man das Handwerk verstanden hat, kommen aber auch mit einigem angesetztem Staub daher. Deswegen hört man zu und findet die Rhythm Section ziemlich ansprechend, kann Wes Borlands Arbeit an der Gitarre durchaus goutieren und bleibt trotzdem einigermaßen ungerührt von dem, was die Lautsprecher ausspucken.
Aus dieser fundamentalen Ordentlichkeit der Songs bricht trotz mächtigem Klischeealarm nur das pfundige Break Stuff aus. Kindisch? Auf alle Fälle. Monoton? Natürlich. Aber wenn man schon Nu-Metal zelebrieren will, sollte man schon auch irgendwann die Brechstange auspacken und genau das passiert dank dieser Riffs. Es ist eine Extraportion Energie, die dem Ganzen auf die Sprünge hilft, ungeachtet davon, dass hinter der abgehackten, relativ geschliffenen Gitarrenarbeit wenig Spezielles steckt. Dass man wirklich vor allem dann gut dasteht, wenn man nicht versucht, Fisch und Fleisch zu mischen, zeigt der Hip-Hop-Ausflug N 2 Gether Now. Weil Gast-Rapper Method Man mit seinem Flow die Qualität am Mikro potenziert und die lockere, von DJ Premier produzierte Musik mit ihrer einprägsamen Hook und dem gemütlichen Beat nur dank ihrer Eintönigkeit Kritik erlaubt. Ein lohnender Abstecher raus aus dem sonstigen Mischmasch aus DJ Lethals wirkungslosen Spielereien und unspektakulärer Arbeit an den sechs Saiten.
Natürlich, es geht schon halbwegs. John Otto macht seine Sache als Drummer gut und sorgt dafür, dass das Ganze auf Schiene bleibt. Doch man fühlt sich selten zu mehr als einem leichten Abnicken verführt. Irgendwo in den Riffwänden von Just Like This versteckt sich die Chance auf mehr, die sphärischen Gitarren-Zupfer von Show Me What You Got lassen Gutes erahnen, das unnachgiebige Power-Stakkato von Trust? macht ausreichend Druck. Aber die Kombination aus abgeschliffenem Sound und Fred Dursts extrovertierter Mühsamkeit dämpft diese Qualität. Während Durst sich als Rapper durchaus mit passabler Technik präsentiert, lassen seine strangen Gesänge und Sprechbeiträge schnell Zweifel an seiner geistigen Gesundheit aufkommen, verstärkt von den teilweise heftigen Texten, die er sich erlaubt. Welcher Dolm würde sich sonst dazu hinreißen lassen, die Ex-Freundin mit Schwachsinnigkeiten wie jenen von Nookie zu addressieren? Überhaupt gibt sich die LP dann langweilig, wenn die Texte tatsächlich etwas hergeben sollten, um einem Song Atmosphäre zu verschaffen, ohne dorthin zu kommen. Don't Go Off Wandering baut neben sinnfreien Streicher-Sätzen auf pseudo-emotionales Gelaber, dem die statische Musik keinen Auftrieb geben kann. A Lesson Learned entpuppt sich im komplett elektronischen, loungeartigen Gewand auch eher als Rohrkrepierer, genauso wie das stupide No Sex, dessen selbstreflektive Ader Zeilen wie: "Should have left my pants on this time / But instead you had to let me dive right in" nicht übersteigt.
Die andere Seite der Medaille ist jene, auf der ein gut abgestimmtes Musik-Werkl durchscheint. Genau darum ist es schade. Mit dem nächsten Album sollte man sich da trotz aller stilistischen Verbrechen einer positiveren, weil weniger dem Hip-Hop zugeneigten und vielseitigeren, Ausgestaltung zuwenden. "Significant Other" ist dagegen ein Konzept, das vom ersten Song an durchgezogen wird und dem schlicht nichts Außergewöhnliches anzuhören wäre. Es klingt wie eine passable Routineübung und das schom beim zweiten Longplayer. Die rar gesäten Abzweigungen, die man sich erlaubt, bringen bessere Minuten mit sich. Öfter wäre da besser gewesen, so ist man sehr schnell ziemlich satt von der Limp Bizkit-Formel. Warum das Ding trotzdem sauerfolgreich war? Stupider Herdentrieb wahrscheinlich.