von Kristoffer Leitgeb, 20.10.2017
Keine musikalische Rückversicherung mehr, dafür neutralisieren sich Stumpfsinn und Selbstmitleid.
So als Außenstehender ist natürlich nur relativ schwer zu beurteilen, wer eigentlich in den üblichen Selbsthilfegruppen herumsitzt. Selbst als Kenner von "Fight Club" kann man es relativ schwer abschätzen. Außerdem redet man nicht über den "Fight Club"! Trotzdem käme einem auf der Suche nach bekannten Namen, die in fast jeder dieser Gruppen ein Plätzchen bekämen, kaum einer so schnell in den Sinn wie der von Fred Durst. Dieser Mann, gleichermaßen Geburtshelfer, Dauerballast und steter (Zer-)Störfaktor von Limp Bizkit, ist auf einer solchen Ebene ein wahres Gesamtkunstwerk, ausgestattet mit einer Psyche, die Freud Freude bereitet, Nietzsche den letzten menschlichen Kontakt vergellt und Gandhis pazifistische Einstellung auf die Probe gestellt hätte. Nachdem aus ihm aber nur ein mittlerweile erfreulich unwesentlicher Musiker - im weiteren Sinne des Begriffs zumindest - geworden ist, geht er auch nur der Musikwelt wirklich auf den Wecker. Wenn er also nur das hat, warum sollte ihm das auf "Results May Vary" plötzlich genommen werden?
Gut, es stößt sich ein bisschen mit dem Credo eines erwachseneren, nachdenklicheren Durst, das hinter der LP stecken soll. Die Introspektion spricht ja auch wie nichts sonst aus dem Cover der LP. Jetzt war die Band, vor allem ihr äußerst exponierter Frontmann, immer für aufdringliche, oberflächliche und in Maßen brachiale Kunst zu haben, was diese Wandlung umso schwieriger und unglaubwürdiger macht. Es vernichtet sie auch geradezu, wie einem schon die Leadsingle Eat You Alive hinreichend beweist. Die ist alles, was Limp Bizkit bisher immer schon waren, nur ohne den an der Gitarre werkenden Wes Borland und damit ihres Qualitätsankers beraubt. Dadurch wird der trotz aller Unkenrufe nur mäßig ungenießbare Track umso eher zu einem Ausdruck der Ideenlosigkeit, die Durst womöglich noch mehr als seine psychischen Fallstricke ausmacht. Es ist schlicht und einfach Nu-Metal, befreit von allen Nuancen oder Einsichten, auch von einer wirklich erinnerungswürdigen Hook oder auch nur einer Zeile, die sich ein genaueres Hinhören verdient hätte, außer man deutet folgende zum Weghören grässliche Passage um:
"No doubt that (no doubt)
I'd love to (I'd love)
Sniff on them panties now"
Um John Oliver zu zitieren: What the FUCK is wrong with you?!
Diese Frage dürfte ohnehin im Zentrum des Albums stehen, zumindest lässt sich erkennen, dass Street Cred nicht mehr alles im Leben von Durst Fred ist. Dafür Applaus, weniger allerdings für die bemitleidenswert seichte, an Dumpfheit kaum zu überbietende Umsetzung, die dazu führt, dass das durchaus ordentliche Cover von Behind Blue Eyes mit großem Abstand das textlich Wertvollste ist, was hier geboten werden kann. Andere Songs leben, wenn sie denn nicht gerade am Verenden sind, weit eher von der musikalischen Komponente, die zwar nicht in die Verlegenheit kommt, einen mächtigen Riff wie den von My Generation - hier bitte nicht an The Who denken - anzubieten, zumindest aber zeitweise die besseren Seiten aller Beteiligten hervorkehrt. Bittere Ironie dabei ist, dass das nur dann gelingt, wenn man fast genauso klingt wie in früheren Jahren und tunlichst auf jede vermeintliche Weiterentwicklung verzichtet. Rustikale Stakkato-Riffs und das erratische Gebrabbel von Durst sind tatsächlich immer noch die Schokoladenseite der Band, sei es wie im althergebracht inhaltsarmen Gimme The Mic, in der unverfrorenen Selbstbeweihräucherung von Phenomenon oder dem zwar zeitweise ruhigeren, insgesamt aber doch vom gitarrendominierten Refrain lebenden Let Me Down. Allem gemein ist, dass von Großartigkeit im eigentlichen Sinne keine Rede ist, stattdessen eine latente Müdigkeit regiert, der man sich nur dann entledigen kann, wenn dank DJ Lethal und der guten Zusammenarbeit von Drummer John Otto und Gitarren-Ersatzmann Mike Smith noch einmal die Dynamik der starken Seite von "Significant Other" durchbricht. Diesbezüglich kann man Phenomenon als einigermaßen erfolgreiche Rettungsaktion bezeichnen, die zusammen mit den wenigen aus dem prüdesten vorstellbaren Mittelmaß hervorragenden ruhigen Minuten, Almost Over und dem beinahe schon stimmig komponierten Build A Bridge für ein knochiges Gerüst sorgt, um einen Totalausfall abzuwenden. Dass Build A Bridge trotzdem nach Post-Grunge, die 3725. klingt und Almost Over textlich nicht unkreativer sein könnte, sei den Protagonisten verziehen, man erwartet nicht mehr.
Vor allem fällt sowas weniger auf, wenn rundherum so oft die vollkommene Fadesse regiert und von energetischen Auftritten nichts zu hören ist. Dursts Irrglaube, mit dem sterilen, jeglicher kompositorischer Tiefe beraubten Sound dieses Albums könnte er einigermaßen stimmungsvolle Minuten anbieten, die vielleicht gar als emotionale Balladen durchgehen, ist ein ganz gewaltiger. Nicht nur, dass keiner in dieser Band irgendeine Idee hat, wie man aus den leidenschaftslosen Darbietungen von Down Another Day, Lonely World oder Downer etwas herausholt, das mit klanglichem Profil oder irgendwelcher Eindringlichkeit gleichzusetzen wäre, am Mikro ist auch noch Freddie. Und der kann ums Verrecken nicht texten, dass aus seinen Zeilen auch nur irgendein Gefühl, eine tiefere Einsicht oder die leiseste Identifikationsmöglichkeit für seine Hörerschaft herauszubekommen wäre. Das anscheinend zum emotionalen Höhepunkt erkorene Underneath The Sun, das ohnehin schon nicht mehr als eine repetitive Darstellung banalster und verschwommenster Ohnmachtsgefühle ist, bekommt allen Ernstes in dem Moment, wo sich alles zu einer unter die Haut gehenden Bridge summieren sollte, nicht mehr als das hier zusammen:
"Yeah, you're right, how does it feel to be right, knowing that i was wrong?
Nothing is right when you're wrong
Yeah, you're right, how does it feel to be right, knowing that i was wrong?
Nothing is right when you're wrong"
Also, ja, das ist ein gar nicht so unansehnliches Fazit des Songs, aber es ist auf jeder anderen mir möglichen Betrachtungsebene ein unfassbares Armutszeugnis. Wie übrigens auch der unumgängliche, trotzdem aber mit keinen Erwartungen verbundene Auftritt von Snoop Dogg, der den obligatorischen Hip-Hop-Track schmückt. Das war früher einmal eines der günstigeren Betätigungsfelder für die Band, Red Light - Green Light ist allerdings so stumpfsinnig, monoton und abseits von Snoops erstem Verse verdammt fad, dass abgesehen von DJ Lethals ordentlicher Arbeit im Studio rein gar nichts für den Track spricht.
Was an anderer Stelle noch zu finden ist, ist entweder unwesentlich - da lächerlich nutzloser Songschnipsel, nicht aufdringlich schlecht oder auf irgendeine positive Art ergiebig - oder es heißt Head For The Barricade. Wenn die Band auf dieser LP einen wirklich starken Moment erlebt, dann ist es dieser. Vielleicht nicht unbedingt über die ganze Länge, aber der hölzerne Sound der Drums ist in Kombination mit dem unförmigen Rhythmus der Strophen und des schwelenden Gitarrenstakkatos erfrischend lebendig, geht außerdem reibungslos in den kurzen, aggressiven Refrain über. Und es gibt - Wunder, oh Wunder - sogar eine geniale Bridge, die den einzigen herausragenden Beitrag in fast 70 Minuten bedeutet und Limp Bizkit für sehr kurze Zeit in Richtung Trash Metal und/oder Hardcore abdriften lässt. Das ist gut und recht, zeigt so nebenbei aber auch auf, wohin man gehen hätte können, ohne sich lächerlich zu machen.
Aber wäre das noch Limp Bizkit? Nein, natürlich nicht. Von dieser Warte betrachtet, hat Fred Durst seinen Job eigentlich erledigt, wobei man gegen die Ehrenrettung vielleicht anführen muss, dass er es selbst war, der sich diesen beschissenen Job ausgesucht, eigentlich sogar zurechtgemodelt hat. Und bei allem Verständnis für die Idee einer Vollbeschäftigung sei angemerkt, diesen Beruf hätte nie irgendwer ausüben müssen. Erfolgreich genug war es, mit "Results May Vary" aber immerhin schon auf dem absteigenden Ast, sodass mittlerweile nichts mehr zu hören ist von Durst und seinem zur gedankenarmen Oberflächlichkeit verdammten Selbstmitleid. Das versetzt uns mittlerweile in die günstige Position, auf die Band als längst vergangenes, kurzfristiges Pop-Phänomen zurückzublicken und sie einfach nur mehr lächerlich zu finden. Letzteres war zugegebenermaßen früher auch möglich, aber geht das nicht viel unbeschwerter, wenn erst einmal fast 15 Jahre vergangen sind?