von Mathias Haden & Kristoffer Leitgeb, 17.03.2016
Die allmähliche Abkehr vom Blues als erster kollektiver Triumphzug der Engländer.
Das Jahr des bahnbrechenden Debüts war noch nicht einmal um, da kehrte man im Led Zep-Lager dem Blues auch schon wieder ein wenig den Rücken zu. Klar, die Kurzlebigkeit der rasanten Sixties nahm selbst vor den ewigen Rockern keine Rücksicht, spülte Jimmy Page, Robert Plant, John Bonham und John Paul Jones innerhalb weniger Monate vom Yardbirds (Pages Ex-Band)-inspirierten Blues-Rock vermehrt in Richtung Heavy-Metal, bevor dieser Begriff überhaupt in Mode kam und von schnöden Truppen wie Metallica oder Slayer schließlich seinen bitteren Beigeschmack verpasst bekam.
Album Nummer 2, passend als Led Zeppelin II betitelt, beginnt mit seinem bekanntesten und meistgefeierten Stück - Whole Lotta Love und dessen legendärem Riff, der sich nicht von ungefähr in diversen Bestenlisten wiederfindet. Mehr als das Gitarrenspektakel - und das will hier doch was heißen - beeindruckt der epische Aufbau mit seinem psychedelisch schwirrenden Theremin-Solo und den darauf einsetzenden, ekstatischen Drums, die das Stück wieder allmählich auf den Boden der Tatsachen zurückholen, ehe neuerlich Page die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Dass sich der Blues aber keineswegs in kürzester Zeit komplett in Luft aufgelöst haben kann, ist rasch ersichtlich. Angefangen beim umjubelten Opener, bei dem sich Blues-Koryphäe Willie Dixon Jahre später einen Credit einklagte, bis zum Closer Bring It On Home, bei dem sich die Band offiziell bei selbigem bedient, ist die Blues-Affinität nur selten treibende Kraft, aber nie aus dem Sichtfeld.
Seinen Status verdankt die zweite LP dennoch seinen Aushängeschildern und deren
hervorragender Gitarrenarbeit. Nicht umsonst brechen beim hypnotischen Riff von Heartbreaker selbst dann bei jedem Hörvergnügen die Dämme, wenn man
bereits damit aufgewachsen ist. So geraten auch Living Loving Maid (She's Just A Woman) - die von Page am wenigsten geschätzte Led Zep-Komposition -
und das zwischen akustischem Geklimper und elektrischen Ausbrüchen fein inszenierte Ramble On zu einnehmenden Rock-Perlen.
Bemerkenswerten Anteil an der Genialität von II hat auch Drummer Bonham, den ich nicht grundlos für den besten seiner Zunft halte. Wie der mit seinem
dynamischen, unverkennbaren Stil jedem Stück seinen Stempel aufdrückt, ist schon beeindruckend - das instrumentale Moby Dick, dessen Drum-Solo auf der
Bühne gerne auch 20-30 Minuten ausfallen konnte, ist sein Vermächtnis.
Weil aber auch Jones und Plant ihren Teil der Abmachung gewissenhaft erledigen, dank dem folkigen Kleinod Thank You für Abwechslung gesorgt bzw. der Blick in die unmittelbare Zukunft (III) geworfen ist und auch die schwächeren der neun Cuts keine Lichtjahre von den Kapazundern der LP entfernt sind, ist die zweite LP der Briten über die meisten Zweifel erhaben. Den Blues dafür ein wenig in den Hintergrund zu stellen, ist beileibe kein Beinbruch!
M-Rating: 9 / 10
How to rock, 101. Die Lehrmeister könnten kaum besser sein.
Ich weiß nicht so ganz, ob der Kollege tatsächlich eingeplant hat, dass ich noch meinen Part schreibe, oder ob ich einfach nur eine kurze Zusammenfassung seines Reviews bieten sollte. Jedenfalls hat er recht, eigentlich überall. Mit Whole Lotta Love als genialem Gitarrenspektakel, mit Heartbreaker und Living Loving Maid (She's Just A Woman) als feinste Beispiele harter Saiten-Kunst, mit Moby Dick als eindrucksvoller Bonham-Show. Damit wär's das, gehabt euch wohl...
Ah, eines vielleicht noch: Fehlerfrei ist auch der überlegene Zweitauftritt der US-Amerikaner in Wahrheit nicht. Zwar schwebt das Gütesiegel der Verbesserung fast über allem Dargebotenen - außer dass eine qualitative Wiederholung des Meisterstücks Babe, I'm Gonna Leave You misslingt -, doch selbst dann ist noch Luft nach oben. Warum dieses? Weil zumindest die Hälfte des Albums potenziell nervig ist. Die Ballade Thank You mit ihrer Hingabe zum von der Hammond-Orgel verursachten Kitsch. Das egozentrische Moby Dick, bei dem man eher die Muskeln spielen lässt, als dass man auf Musikalität setzt. What Is And What Should Never Be als merkwürdiges Laut-Leise-Gemisch mit Strophen im Stile anspruchsvoller Fahrstuhlmusik. Und trotzdem werden ihnen diese möglichen Mühseligkeiten nicht zum Verhängnis. Also einmal schon. An der schwierigen Natur vom sex-getränkten Lemon Song zwischen zäher Blues-Strophen und schwachsinniger instrumentaler Kraftakte dazwischen ist nicht zu rütteln.
Was aber drumherum zum Sieg verhilft, ist die schlicht beeindruckende Perfektion und Finesse dieser Band, allen voran des eigentlichen Zeremonienmeisters Jimmy Page. Der definiert mit seinen Killer-Riffs nicht nur Whole Lotta Love oder Heartbreaker, verewigt sich auch noch als Theremin-Gott, sondern punktet insbesondere durch die geniale Produktionsarbeit. Der Großteil davon begegnet einem natürlich bereits in den großartig grotesken Sphären des Mittelteils von Whole Lotta Love mit all seinen Gitarreneffekten, dem unausweichlichen Echo, der unmöglich zu verbessernden Übereinanderschichtung der Performances von Bonham, Plant und Page selbst. Doch die dezenten Akustik-Passagen von Thank You mitsamt Plants emotionaler Gesangsdarbietung, die nahtlose Verbindung der abenteuerlich-dezenten Strophen von Ramble On mit den muskelbepackten Ausbrüchen im Refrain oder das klassisch bluesige Finale Bring It On Home, all das lebt vom großen Gefühl für die ideale Soundabstimmung und ein nuanciertes Ganzes, das jedem Bandmitglied das verdiente Plätzchen zugesteht.
Deswegen werden mit einer Ausnahme auch noch die schwierigsten Momente zu lohnenden, weil trotz manch fragwürdigem Konzept die Exekution dessen nie bekritelt werden kann. Ein falscher Ton wird nicht auszumachen sein. Stattdessen agieren hier drei Rock-Legenden auf höchstem Niveau - John Paul Jones macht sich nie so wirklich bemerkbar, außer mit der Hammond-Orgel... - und bestätigen sich selbst als Meister ihres Fachs. Robert Plant gelingt es mit den leidenschaftlichen Vocals von Thank You und Ramble On, Bonham natürlich vor allem durch seine beiden Soli im Opener und Moby Dick, aber auch ganz generell als vielleicht bedeutendste Nummer 2 des Rock - abgesehen von McCartney oder Lennon, wer auch immer bei den Beatles die Nummer 2 gewesen sein soll - nur knapp hinter Maestro Jimmy Page. An dem führt kein Weg vorbei, allein deswegen, weil er die Band hier im rechten Licht erstrahlen lässt und damit "Led Zeppelin II" zu dem macht, was es ist. Viel mehr kann man von ihm nicht verlangen.
K-Rating: 8.5 / 10