von Kristoffer Leitgeb, 27.12.2014
Ein starkes Fundament ist gelegt, der Rest kommt später.
Schon merkwürdig, wie das Leben manchmal spielt. Vor allem, wie die 60er manchmal spielen. Man kommt als Beobachter kaum umhin, da mit etwas fragendem Gesicht dazustehen. Denn im Nachhinein wirkt die Musikszene der Zeit wie eine einzige Tauschbörse großartiger Musiker, wo sich zwei Allzeitgrößen mal kurz die Klinke in die Hand geben, nach drei Monaten schon der nächste vor der Tür steht. Beispiele? Wie wär's mit den Yardbirds? Fünf Jahre hat die Band gebraucht, um Kurzzeitberühmtheit zu werden und dann auch schnellstens wieder zu zerfallen. Währenddessen gab es ein nettes Stelldichein mit Eric Clapton, Jeff Beck und dem Nachlassverwalter Jimmy Page, der sich irgendwann 1968 mit der Frage konfrontiert sah: Was mach' ich da so ganz alleine? Die Antwort war ein Trio, das mit ihm ein bisschen Mythenbildung betrieben und so nebenbei der Welt erstklassigen Rock geschenkt hat. So geschehen schon kurze drei Monate später, mit dem Untergang der Hindenburg.
Eine gesicherte Verbindung zwischen dem Zeppelin-Unglück der 30er und dem Led Zeppelin-Glück der 60er lässt sich zwar auf musikalischer Ebene nicht nachweisen, aber das Bildchen ist ja auch so ein nettes. Und für großartigen Blues Rock braucht man auch nicht zwingend ein solches Erbe, es reicht ein begnadetes Ensemble wie das der Londoner. Unter der Schirmherrschaft von Page macht man sich also daran, den etablierten Rock-Kollegen ein bisschen Feuer unter dem Hintern zu machen und ebendas gelingt mitunter formidabel. Die Single Good Times, Bad Times macht sich dahingehend schon stark, markiert eine nette Einleitung für die LP. Bereits dort verbreitet Page mit seinem gelassenen Riff, vor allem aber dem großartigen Solo nichts als Stärke. Um aber endlich dem Rest die Ehre zu geben: John Paul Jones tut sich als dezenter, aber markanter Komplementärpart hervor, John Bonham hat vielleicht nicht seine beste Stunde, macht seine Sache aber so, dass man ihn schon nach den ersten Minuten als routiniert bezeichnen will und good ol' Robert, naja, der ist auch da. Man soll ihm nicht Unrecht tun, doch die Stimme der Band hat zu Anfang wohl noch am ehesten Nachholbedarf.
Wobei sich auch Plant kaum einmal Schwächen erlaubt, wie überhaupt hier von Schwachstellen nur bedingt zu reden ist. Viel eher sticht die knackige Hard Rock-Vorstellung von Communication Breakdown heraus, die einem zum ersten Mal vorführt, was später noch mit Heartbreaker oder Ramble On verbessert werden sollte. Es ist eine selten gesehene Kombination aus Energie, Lockerheit und Präzision, die sich insbesondere von Seiten von Page und Bonham heraushören lässt. In diesem Punkt einen Schritt weiter geht Dazed And Confused, das mit den eigenwilligen Gitarrenexperimenten, allen voran dem winselnden Sound des Violinbogens an den Saiten, aber auch den markanten Tempowechseln von blueslastiger Langatmigkeit hin zu plötzlichen harten Ausbrüchen viel Potenzial beweist. Trotz des mächtigen Zusammenspiels von Drums und Gitarre kann aber insbesondere mit dem 'Duett' von Pages Spiel und Plants Gesang nicht alles davon abgerufen werden. Zu träge marschiert man manchmal dahin, zu sehr hängt man im Blues.
Ein Symptom, das das Debüt davon abhält von einem starken Anfang zum genialen Triumph zu werden. Die beiden Bluescover You Shook Me und I Can't Quit You Baby rutschen genau deswegen in schwierigere Lagen ab. So nobel nämlich die Wertschätzung des Quartetts für das Genre auch sein mag, weder Bonham, noch Plant wissen mit dem Sound viel anzufangen, scheinen sich mehr an die unverändert starken Vorstellungen von Page anhängen zu müssen. So wird vor allem I Can't Quit You Baby zum Fest für alle Gitarren-Fetischisten, ohne konstant zwei Ohren auf diesen Aspekt zu richten wird man mit beiden aber nicht in diesem Maße glücklich, wie es wohl möglich wäre. Da helfen auch Mundharmonika und Keyboard nicht genügend nach.
Dass es auch anders geht, beweist wiederum der gleichsam gemächliche wie kraftvolle Beitrag Your Time Is Gonna Come, dessen wutgetränkte Lyrics zwar im Laufe der Performance etwas verlorengehen, der aber gleichzeitig mit der markanten Keyboard-Line und Pages starkem Part an Akustik- und Steel Guitar für einen musikalischen Leckerbissen sorgt. Und während man die meiste Zeit darauf warten muss, Plant in Bestform zu erleben, ja sogar im indisch angehauchten Instrumental Black Mountain Side - großartige Arbeit von Gasttrommler Viram Jasani - miterleben muss, dass sein Fehlen mitnichten schädlich scheint, wird man zumindest einmal eindrucksvollst eines Besseren belehrt.
Babe, I'm Gonna Leave You heißt das hiesige Meisterstück. Dort trifft wirklich alles aufeinander, was an dieser Band großartig sein kann. Page schafft eine geniale Mischung aus akustischen und elektrischen Passagen, sorgt so zusammen mit Bonham gleichzeitig für ein bis ins letzte verfeinertes Wechselspiel aus ruhigen und kraftvollen Momenten. Dadurch entsteht ein anziehender Mix aus gefühlvollem Folk, der von Plant bestens für feinste gesangliche Arbeit genutzt wird, und mitunter brachialem Hard Rock, der dem Song auch auf fast sieben Minuten unablässig Antrieb verleiht. Die Rhythm Section im Hintergrund teilt sich die Arbeit sozusagen, sodass vom Schlagzeug im ruhigen Teil nichts zu hören ist, John Paul Jones macht dafür in den lauteren Stücken wenig 'Lärm'. Und so bekommt hier für einmal jeder sein kleines Sternstündchen, wodurch der Track auch umgehend zur eindeutigen Nummer 1 der LP wird.
Was vielleicht hier etwas weniger aussagt als auf späteren Releases der Band. "Led Zeppelin" markiert das Fundament für eines der überwältigendsten Monumente der Rockgeschichte, wie viele Fundamente macht es für sich selbst aber noch nicht ganz so viel her. Was wiederum Kritik auf äußerst hohem Niveau ist, denn handwerklich wird hier durchgehend starke Arbeit geleistet, mitunter zeigt man - und da speziell Jimmy Page - sich auch von der aller schokoladigsten Seite. Mit Blick auf das große Ganze bleibt aber ein etwas unflüssiges und bei Zeiten nicht ganz austariertes Werk, das mit seiner Hommage an den Blues den Briten kaum einmal wirklich in die Hände spielt. Umso bemerkenswerter die Qualität, die sich einem offenbart und die trotz im Durchschnitt landenden Hängern von Konstanz geprägt ist. Aber wie heißt es: Was man anfängt, soll man auch zu Ende bringen. Und jeder weiß, was das im Falle dieses Quartetts bedeutet hat. Der erste Schritt dorthin war schon ein bemerkenswert guter.