von Kristoffer Leitgeb, 07.12.2018
Die wohl bunteste und vielseitigste Blaskapelle der Welt sucht vergeblich nach ultimativen Waffen.
Wenn ich jetzt schreibe, dass ich einfach partout nicht weiß, was ich so wirklich mit LaBrassBanda anfangen soll, dann glauben die Leute vielleicht noch, ich hätte die Alben der Band einmal im Vorbeigehen angehört und sie dann schleunigst reviewt. Dem ist nicht so. Den Bayern wurde die gleiche Mischung aus Interesse und Desinteresse, Aufmerksamkeit und Unaufmerksamkeit, die gleiche Zeit zum Einsinken zugestanden, wie das bei beinahe allen Alben der Fall ist. Und doch ist es ein Kampf um ein Urteil, hinter dem eine so offenkundige Ambivalenz gegenüber dieser Band steht, dass eine Lösung des Dilemmas kaum möglich ist. Das ist nach zwei Alben nicht nennenswert anders als nach einem, genauso wie die fünfte oder zehnte Wiederholung der gesamten Tracklist keine substanziellen Änderungen hervorbringt. Doch es hilft nichts, die Wahrheit muss sich irgendwo in "Übersee" verbergen, also gehört sie gesucht.
Wirklich schwer machen einem die Bayern das an und für sich nicht. Wer ein paar Blasmusiker zusammensammelt und mit denen nicht die gängigsten Märsche für das nächste Feuerwehrfest einübt und auch nicht klassisch alpenländischer Volksmusik frönt, der fällt zumindest in diesen Breiten unweigerlich auf. LaBrassBanda bedeutet aber eine klangliche Internationalität, die wohl überall auffallen würde. Natürlich kommt man als Österreicher nicht daran vorbei, sich ein wenig erinnert zu fühlen an die volkstümlichen musikalischen Anwandlungen der Heimat, doch der Trupp um Stefan Dettl versteht es ja blendend, solche Eindrücke zu übertünchen mit funkigen Ausritten, Ska-Abenteuern und noch so manchem mehr. Insofern ist klanglich genauso in der Heimat unterwegs, wie man sich ein wenig an südosteuropäische Klänge erinnert fühlt, wie man mitunter allzu direkt auf Karibikinseln oder in New Orleans landet. Das ist alles schön und gut und kreativ und gleichermaßen souverän wie leidenschaftlich zum Besten gegeben. Es ist nur verdammt vage und ergibt ein fragmentarisches Gesamtbild. Ein Mosaik entsteht, das in seiner Gesamtheit aber weniger schlüssig ausschaut, als man es zu Anfang vermutet.
Dieser Anfang heißt Bierzelt und trotz dieses Titels wirkt das Dargebotene nicht so, als sollte es am nächsten Oktoberfest erklingen. Oder zumindest nicht so, als wäre es dem dortigen Klientel vorbehalten. Dettl und seine Kollegen haben - klassischer musikalischer Ausbildung sei Dank - ein Feingefühl für das instrumental mehrstimmige Arrangement, in dem man genauso den unterschiedlichen Facetten der Blechbläser, als auch der zur Seite gestellten Rhythmusabteilung um Drums und Bass gerecht wird. Im besten Falle endet das eben so wie im Opener oder in Ringlbleame oder Bauersbua oder Inter Mailand. Dann ist nämlich das Tempo hoch, das Arrangement erratisch und vielschichtig, während die Bläser mitunter beinahe konkurrieren und die ordentlichen Melodien durch die rastlosen Performances unterfüttern. Da regiert dann diese unnachahmliche Kombination von Funk und Ska, die sich auch überraschend gut mit Dettl kernigem Dialektgesang verträgt. Dass der stimmlich keine Oktavensprünge meistert, stört da nicht im Geringsten, weil die Sprunghaftigkeit zur Gänze aus dem musikalischen Background kommt und das nicht zu knapp. Während man dem bei der Eröffnung gerne zuhört, gleichzeitig einen irgendwie erinnerungswürdigen Refrain oder Textfetzen vermisst, merkt man auch schnell, dass die simpleren Passagen effektiver wirken und ein einfacher kurzer Bläsersatz mehr erreicht als die unruhige Masse, die drumherum regiert.
Gleichzeitig muss man sagen, dass der animierende Part des Albums eben genau dort daheim ist. Bauersbua oder Inter Mailand wären nichts ohne den galoppierenden Beat, ersterer profitiert noch dazu von den teilweise verworrenen Tonspuren der einzelnen Instrumentalisten, die sich zu einer starken Soundcollage zusammensetzen. Großer Vorteil hier: Der harmonische, lockere Refrain ist da, überzeugt zwar wiederum textlich nicht wirklich, bleibt aber trotzdem im Ohr.
Den Bayern ist es nun zu vergönnen und an und für sich zugute zu halten, dass sie mehr können als nur solche Tracks zum Besten geben. Stimmungsvollere, subtilere, melodielastigere Songs sind keine Seltenheit. Leider ist dort auch die Langeweile keine Seltenheit. Bei LaBrassBanda gilt tatsächlich der stupid einfach wirkende Grundsatz, dass die Qualität fast immer im direkten Zusammenhang mit dem Tempo des Liedes steht. Je schneller, desto besser hört sich das Ganze. Bombardiert wird diese These womöglich dadurch, dass in den langsameren und oft ruhigeren Minuten Nuancen offenbart werden, die sonst schnell untergehen. Dass man sich in VW Jetta einem geschmeidigen Reggae-Rhythmus hingibt, schadet zum Beispiel weniger, weil der großartige Sound der Drums und der klare Klang der Bläser wunderbar zur Geltung kommen. Auf der anderen Seite ist es so, dass Instrumentals wie Ofree oder Nanana zwar etwas entbehren, was grundsätzlich weniger abgeht, nämlich Dettl Stimme und Texte, deren behäbiger und auf Atmosphäre fokussierter Aufbau allerdings Dynamik und Abwechslung vermissen lassen.
Das ist auch der Punkt, wo es mit der Kritik ganz schwierig wird. Denn die Kompositionen sind keine miserablen, sie sind schon gar keine Geschmacksverirrungen. Aber sie sind schlicht und einfach langweilig, weil sich die interessanteren Parts auf Sekundenlängen beschränken und entweder einer gnadenlosen Wiederholungswut ausgesetzt sind oder inmitten der eher müden Basisinstrumentierung der Tracks wenig ausmachen. Dazu muss man allerdings sagen, dass so etwas nicht zwingend besser wird, wenn man es doch mit Gesang versucht. Das abschließende Doda Hos mag zwar als melancholisch-ernster Ankerpunkt des Albums überdeutlich erscheinen, nur ist zwischen durchwachsenem Gesang, zwanghaft zurückhaltender Instrumentierung und der unerwartet ungelenken Textzeilen wenig Platz für ein gewinnendes Ganzes. Sucht man ein solches, fände man es am ehesten in Deyda, dessen harter, trockener Beat den drückenden Ton für den Song angibt. Dem ordnet sich diesmal auch Stefan Dettl mit einer vorsichtigen Darbietung unter, genauso wie das musikalische Understatement rund um die tiefen, langgezogenen Bläsersätze passend erscheint. Über knapp sieben Minuten macht aber das auch keinen Sinn, weil es jeglicher Beweglichkeit und Abwechslung mangelt.
Nachweislich kann auch so etwas funktionieren - immerhin bin ja gerade ich ein Verfechter der Monotonie. Ob das nun als gültiges, im Entferntesten faires Urteil durchgehen mag oder nicht, sei dahingestellt, es bleibt aber der Elefant im Raum bzw. auf der CD, dass sich ein fast komplett auf Blechbläser reduziertes Arrangement nicht dazu eignet, ernstere, nachdenklichere Stimmung zu vermitteln. Vielleicht ist das reine Geschmackssache, aber kein noch so ideal eingepasster Trompetensatz kann in solch trägen und eintönigen Arrangments wie denen der hier gebotenen "Balladen" wirklich emotionalen oder atmosphärischen Eindruck machen. Wie man sowas macht, haben die Bayern auf dem Nachfolger mit Opa ohnehin bewiesen. Da ist aber auch kein gefühlter musikalischer Stillstand im Spiel.
Sei es, wie es sei, man beschränkt sich insgesamt auf die aktiveren Minuten, um ein wirklich rundes, harmonisches und richtig angelegtes Bild einer Band zu zeichnen. In diesem halben Dutzend an Songs passieren keine relevanten Fehler, auch wenn man für einen solchen Befund darauf verzichten muss, textlich nennenswerte Inhalte aufgetischt zu bekommen. Das ist hier verschmerzbar, weil LaBrassBanda immer wirken werden wie eine potenziell großartige Instrumentaltruppe, die sich rein zufällig auch ein Mikrofon zum Singen beschafft hat. Was mit den Instrumenten gemacht wird, ist wohl technisch nie schlecht, effektiv aber zu selten mit spektakulären oder überzeugenden Facetten behaftet, um eine sonderlich günstige Gesamtrechnung zu erlauben. Anders gesagt, könnte man wohl auf die Hälfte der Songs auch einigermaßen verzichten, auch wenn die teilweise durchaus passabel wirken, während man nur den Rest sehr gerne mitnehnem und als Beweis für die unbestrittenen Qualitäten der Bayern heranziehen will. Die reichen trotzdem für solide Arbeit, mehr wird aber einfach nicht daraus.