von Kristoffer Leitgeb, 11.02.2016
Weniger angriffig, weniger interessant. Für ein ordentliches Album reicht's trotzdem.
Sex. Ja, richtig gelesen. Man beginnt immer am besten mit irgendetwas anziehendem respektive abstoßendem respektive empörendem und der Sex kann je nach Zeitpunkt und Publikum alles drei. Und seien wir ehrlich: Wer könnte eher über dieses Thema sprechen als ich, der Mann, den sie hinter vorgehaltener Hand den Hugh Hefner Österreichs nennen? Nun muss nicht alles sexy sein, was als sexy gilt. Es gibt Grauzonen, interessanterweise viel mehr und größere als bei der Frage, was wirklich unsexy ist. Bei der deutschen Comedy-Dampfwalze Cindy aus Marzahn oder Austria's Next President Richard Lugner sind sich zum Beispiel alle einig, dass visuell wenig Erotik mit im Spiel ist. Ob dagegen bei Megan Fox oder Johnny Depp, beides angeblich Sexsymbole, in der jeweiligen Zielgruppe wirklich alle schwach werden, ist zu bezweifeln. Elly Jackson will auf alle Fälle auch sexy sein, aber stilvoll, also nicht mit aufgeblähter Oberweite. Sehr ehrenwert und musikalisch durchaus eine Herausforderung, die selbstbewusste Britin scheitert aber mit dem zweiten Album nur bedingt daran.
Könnte auch damit zu tun haben, dass man wegen diverser kleinerer Nebenschauspiele rund um "Trouble In Paradise" nicht zwingend daran denkt, nach Sexiness Ausschau zu halten. Stattdessen wartet man auf einen Rundum-Neuanfang, war doch 2014 die Zeit reif für ein Comeback nach gesundheitsbedingtem Päuschen. Noch wichtiger: Jackson fliegt solo, hat den maskulinen Ballast in Form von Produzent Ben Langmaid abgeschüttelt und stellt sich der Mission größtmöglicher Selbstverwirklichung. Eigentlich hat schon ihr Debüt mit unterkühltem, charismatischem Auftritt der Sängerin sehr genau danach gerochen, anscheinend ist die harte Schale aber nicht alles, was an der Britin dran ist. Ihre zweite LP präsentiert sich ruhiger, harmonischer, organischer und eigentlich noch mehr retro als vorher. Tauchte sie 2009 noch in die 80er ein, versprühen diese neun Tracks althergebrachten Disco-Charme, beliefern einen mit funkigen Basslines, aalglatten Gitarrenlicks und rhythmischen Ausflügen in karibische Gefilde. Dass das einen Song über Aufstände in London hervorbringt, zeugt von ausgeprägtem um-die-Ecke-Denken, Uptight Downtown erfüllt aber mit lockeren Bläserparts und seinem bouncy Vibe aber alle Vorgaben für einen gelungenen Synth-Pop-Track.
Der Britin gelingt also zu Beginn allen voran der Beweis, dass der Durchbruch mitnichten nur Langmaid zu verdanken war. Jackson kann einiges, insbesondere stimmlich gibt sie sich stark verbessert, überzeugt mit akzentuierteren, vielfältigeren Performances, die diesmal auch die Up-Tempo-Tracks in mehrere Richtungen steuern lassen. Auch wenn das sympathische Falsetto großteils Geschichte ist, läuft mit dem rundum harmonisch-sanften Auftritt im sonnigen Disco-Song Cruel Sexuality viel richtig, auch die distanziertere Vorstellung im Reggae-inspirierten Tropical Chancer geht auf.
Was trotzdem schnell auffällt, ist die offensichtliche Zurückhaltung, die das Album zu großen Teilen definiert. Kein Platz mehr für die fast schon arroganten, dramatischen Dance-Hämmer des Debüts, stattdessen meldet sich vor allem die Gitarre viel öfter kleinlaut zu Wort, wird von vielfältiger, aber äußerst gemächlicher Synthie-Ausstattung in Schach gehalten. Das bedeutet allerdings auch einen Mangel an wirklich großartigen Momenten. Kämpfte das Debüt mit einem deutlichen Einbruch, sobald Hälfte zwei eingeläutet war, so wirkt "Trouble In Paradise" fast zur Gänze wie ein Schauspiel der angenehmen Töne. Wenig kann oder darf herausragen, die Harmonie scheint teilweise so sehr im Mittelpunkt zu stehen, dass Kiss And Not Tell und sogar das herausfordernd betitelte Sexotheque klare Hauptrollen vermissen lassen. Zwar machen die entspannt-sonnigen Melodien einiges her, vor allem der dezente Tropical House-Flair in Sexotheque verspricht anfangs sehr viel, das Haschen nach greifbareren Gefühlen gelingt aber weder hier noch da. Jacksons Texten, aber auch ihrer Gesangsperformance fehlen dafür schlicht die nötige Ehrlichkeit und Authentizität.
Am offensichtlichsten werden diese Versäumnisse naturgemäß in den großen Balladen, die im elektronischen Gewand oft so persönlich wirken wie ein Schreiben vom Finanzamt. Gelingen will auch nur eine davon halbwegs ordentlich, nämlich das dank Saxophon-Gastspiel und pochendem Beat durchaus dynamische Let Me Down Gently, das dramatische Allüren schnell genug aufgibt, um mit seiner guten Percussion noch durchaus ansehnlich zu enden. Trotzdem bleibt mit Paradise Is You ein mieser Kitsch-Schandfleck über, der theatralische Klavier-Parts mit der bei weitem unglaubwürdigsten Vorstellung von Jackson paart und damit kein Land sieht.
Dabei wäre es so einfach. Zumindest ist es das, was Silent Partner einem vermittelt. Der straighte Synth-Pop-Song, der noch am ehesten den 80ern und damit dem Debüt nacheifert, trägt mit seiner drückenden, treibenden Melodie und den in dezenter aggressiver Verzweiflung versinkenden Vocals mehr Emotion in sich als alle übrigen Songs zusammen. Zwar kratzt gerade der mit sieben Minuten und länglichem Instrumental-Outro auch an mühsamer Monotonie, doch der Verzicht auf die glitzernden Disco-Anleihen, die drumherum regieren, zahlt sich eindeutig aus.
Sexy ist es trotzdem nicht so wirklich. Also vielleicht schon irgendwie, zumindest unsexy ist das La Roux-Comeback nicht unbedingt. Aber die dominante Eigenschaft dieser Songs ist doch ihre Unentschlossenheit und fehlende atmosphärische Kraft. Das ist schade, denn musikalisch ist die LP vor allem für all jene eine gelungene Abwechslung, denen das Debüt mit seinen lauten Synthie-Exzessen zu aufdringlich war. Den nicht zu leugnenden Charme dessen findet man auf "Trouble In Paradise" weniger, stattdessen gibt es eine musikalische Erneuerung, die zuallermindest Türen für die Zukunft des Projekts aufstößt, ansonsten allerdings das Feld konstant ordentlichen Disco-Pops kaum verlässt.