von Kristoffer Leitgeb, 09.08.2014
Zwischen Metal-Könnern und Hip-Hop-Posern. Vollkommen überzeugt, will man von ihnen nicht ganz sein.
Schon blöd, wenn man einen Review zu schreiben hat, und dann...keine Ahnung, welche Buchstaben man wie aneinanderreihen soll. Da macht sich das mit der gelungenen Eröffnung gleich doppelt und dreifach schwierig. Und wie ich so schreibe, frage ich mich gerade, wie außerordentlich witzlos man das als Leser erst finden muss. Ah, witzlos, gutes Stichwort, bin wieder in der Spur. Humoristischer Reichtum muss nämlich woanders, sicher nicht auf KoRn's Erfolgs-LP gesucht werden. Zu viel bedrückender Schmerz, zu düster das musikalisch Dargebotene und zu groß letztlich auch das Ego von Jonathan Davis, in dem er hier badet. Auch deswegen wurde sie ja damals zur Quintessenz des Nu-Metal mit all seinen halbgaren Weisheiten, den negativen Emotionen auf der Zunge und dieser fragwürdigen Mischung aus akustischer Weiterentwicklung und Anbiederung an den Massenmarkt.
Ein bisschen mehr 'Street-Cred' als die anderen Multi-Platin-Vertreter des Genres hatte die Band rund um Davis dann aber doch immer und so wird auch "Follow The Leader" zu einem der atmosphärischsten Alben des Genres. Bedrückende Riffs, oft abgemischt auf beste Industrial Metal-Manier, gepaart mit der eigenartigen Art von Davis, im gleichen Atemzug Beklemmung und einen leichten Seitenhieb auf den Hip-Hop zu verkörpern, und viele gute Minuten warten nur mehr gehört zu werden. Mit ausreichender Wucht startet man dann auch sinngemäß im Opener It's On, der einem auf willkommen banale Weise depressive Stimmung vermitteln will, auf vordergründigerer Ebene aber vor allem durch den knüppelharten Beat und den röhrenden, kaum aussetzenden Riff auffällt. Schon hier ein schwieriger Tanz zwischen Ultra-Headbang-Qualität und lautem Nervtöten. Vor allem auch dank der starken Gesangsperformance mit ordentlich Schmerz und Wut schlägt das Pendel noch auf die richtige Seite aus.
Aber was heißt hier 'noch'? Ein fabelhaftes Dreigespann lässt einen die gesamte verdrehte Welt der Band kennenlernen, bringt eine großartig inszenierte Mischung aus Unbehagen und eingängigen Hooks mitsamt mitschreibaren Refrains. Eröffnet vom Top-Gitarrenintro von Freak On A Leash steigert man sich zuerst über den ordentlich getexten Refrain bis zu Davis' schräger Beatbox-Einlage in der Bridge, die das Feld der gesunden Eigenheit eigentlich längst überschritten hat und doch nur mit jeder Sekunde zur Stimmung beiträgt. Ähnlich schaut's in Got The Life aus, das mit dem harten Einstieg plus großartigem Riff sofort ins Ohr findet. Dort erreicht einen auch die eher ungewöhnlich aggressive Rap-Performance bestens und summiert sich zu einem der wohl tanzbarsten Tracks der Band. Ein atmosphärisches Hoch wartet dann noch mit dem beklemmenden Dead Bodies Everywhere, bei dem dann kaum noch zu sagen ist, ob es am Spieluhr-Intro, der genialen Bass-Line oder dem wütenden Refrain liegt, dass man sich zum Schluss nicht gänzlich unberührt zeigt.
Wie das aber nunmal so ist, verschießen KoRn ihre Körner (sorry, der musste sein) hier doch zu früh. Oder auch nicht. Wie man da eben die Augen ausrichten will. Eindeutig ist aber, dass der Hip-Hop-Einfluss mitunter ungesund groß wird. Limp Bizkits Fred Durst gibt ein unbefriedigendes Gastspiel in All In The Family, in dem sich er und Davis allerlei angriffige Rhymes entgegenwerfen, nur um letztlich den familiären Zusammenhalt unter den langjährigen musikalischen Genossen zu besingen. Ähnlich oder sogar noch schlimmer gestalten sich die Gastspiele von Ice Cube und Tre Hardson. In Children Of The Korn ist es Ersterer der einen unvorteilhaften Counterpart zu einer wahrlich störrischen 'Gesangsvorstellung' bietet und so zu einer Mischung aus Langeweile und wenig gut gemeintem Kopfschütteln beiträgt.
Komisch nur, dass die Jungs zwischendurch eben doch zeigen, dass ihnen ihr Anzug irgendwo zwischen Industrial Metal und bizarren Hip-Hop-Anleihen so viel besser steht, wenn sie sich auf den ersten Part fokussieren. Das Duo B.B.K. und Pretty passt da perfekt ins Bild, gibt kraftvollsten Metal-Sound in durchaus stimmiger Form her und profitieren einerseits vom guten Sound, aber auch von den wieder starken Lyrics. Immerhin lassen einen folgende Zeilen doch nicht ganz kalt:
"So... so young.
Raped, but I don't realize.
Small white legs, broke,
the pain between her thighs
I see your pretty face,
Smashed against the bathroom floor!
What a disgrace!
Who do I feel sorry for"
Trotzdem langt die Luft nicht ganz für eine zweite Hälfte. Abseits der genialen Riffs in Reclaim My Place und Justin gibt's dort eher wenig zu holen, was euphorische Kritiken rechtfertigen könnte. Das müde wirkende Seed wird zur überlangen Rückholaktion von Dead Bodies Everywhere, Cameltosis gerät zum peinlich getexteten Rap-Track, in dem auch musikalisch dann nur wenig übrig bleibt abseits des unförmigen Beats und einer komplett unpassenden Vorstellung von Tre Hardson. Und auch die mäßig eingesetzten Bagpipes im Closer My Gift To You lassen dann nur mehr wenig von der anfänglichen Energie erkennen, die kurz vorher noch so überzeugt hat.
Wobei sie die Stimmung dann doch noch ansprechend morbid und düster halten und somit das Album würdevoll abschließen. Und gerade da bewegt sich die Band auf ihrem dritten Longplayer auch weiterhin erfolgreich herum. Auch deswegen bleibt man hier großteils auf der musikalischen Schokoladenseite und muss sich wenigstens nicht allzu oft den Kommentar gefallen lassen, dass neu eben nicht unbedingt auch gut sein muss. Die rappenden Kollegen hätte man sich sparen können, so wie überhaupt jede auf Hip-Hop getrimmte Minute hier. Solange aber David Silveria die Trommeln sprechen lässt, 'Munky' Shaffer die Saiten und Jonathan Davis seine gequälte Seele, solange liegt bei KoRn nicht viel im Argen.