Es gibt gute Gründe dafür, dass nüchterne Menschen weniger auf Partys zu sehen sind. Keshas Debüt zeigt eindrucksvoll warum.
Time for a little trash talk. Also nicht der Trash Talk, wie man ihn kennt. Aber die vorgelegte Musik ist Trash, geredet wird jetzt auch drüber, deswegen passt der Begriff irgendwie. Um das Niveau auch gleich ausreichend runterzuschrauben, sei folgendes gesagt: Es hat etwas Befreiendes an sich, ein Idiot zu sein. So ganz ohne Erwartungen von außen, so ganz ohne irgendetwas, dem man nicht gerecht werden könnte. Ja, noch viel mehr, ist man sich doch nicht einmal bewusst, was man alles nicht begreift oder verpassen könnte oder erreichen könnte oder nicht erreichen könnte. Wenn die kindliche Dummheit zur selbsterwählten Realität für den Rest des Lebens wird, dann kann schon nichts mehr schief gehen. Das macht die, gefühlt gigantisch große, sorglose Party- und Spaß-Meute mit der gedanklichen Reichweite bis zum nächsten Hangover um einiges verständlicher. Und doch ändert es nichts daran, dass die Musik für ebendiese wenig zur künstlerischen Bereicherung für genau irgendwen beiträgt, mit oft tumber Ausgestaltung sogar eher das Gegenteil provoziert. Dahingehend wagt auch Kesha nicht, mit ihrem Debüt irgendwen zu überraschen.
Man kann sich also denken, was einen erwartet, allein schon dank der ohrenbetäubenden Ausschlachtung der Hitsingle Tik Tok. Die hat ihre gute Seite, irgendwo, irgendwie und irgendwann. Blöderweise müssen diese drei Parameter doch ziemlich exakt zueinanderpassen, um dafür zu sorgen, dass der plumpe Beat und das Gemisch aus Gameboy-Synthies und dröhnenden Elektronik-Wänden nicht für dezentes Unwohlsein sorgt. Ansonsten wird's schwierig, auch weil die Texte vom ersten Moment wenig mehr versprechen als Tiraden über die wichtigste Sache der Welt, natürlich, das Partymachen. Das Ganze könnte gerettet werden, insbesondere im Lichte der Tatsache, dass der Track weder so stupid süßlich wie das Lavigne'sche Girlfriend, noch so unglaublich austauschbar wie Katy Perrys Hot 'n' Cold daherkommt. Doch auch die dafür nötige stimmliche Brillanz lässt sich nirgends finden, stattdessen muss man sich mit der zu Tode autogetuneten Stimme abfinden, die Kesha im Angebot hat.
Auf dieser Basis und in Kombination mit ihrem Auftreten verwundert es dann wenig, dass Songtitel a la Hungover, Boots & Boys und Blah Blah Blah eigentlich schon ganz gut die Substanz der LP wiedergeben. Es ist ein zäher Kampf mit einer Musikerin, die sich mit Freuden dafür hergibt, die fragwürdigste aller Herangehensweisen an ein Party-Album zu zelebrieren. Wie schräg das werden kann, zeigt das balladesque Hungover, das mit dezentem Beat, leichten Keys und melodramatischer Gesangsperformance eine reichlich schwierige Brücke vom Alkohol-Absturz zum großen Herzschmerz zu schlagen versucht. Zusammen mit der peinlich kindischen, vom Country inspirierten Nullnummer Stephen verdeutlicht das schnell, dass die tiefen Gefühle nicht die geeigneten Spielfelder sind. Kalt wie der sibirische Winter kommen die Minuten daher, lassen wenig Raum für irgendeine Atmosphäre, die nicht heuchlerisch draufgekleistert wurde, um die musikalischen Banalitäten mäßig verdaulicher Art zu kaschieren.
Man könnte nun glauben, auf anderen Betätigungsfeldern wäre mehr abzuholen. Weil der Gesang immer weniger Wert hat, weil man mit stampfenden Beats und dröhnenden Synthies vielleicht eher umgehen kann oder auch einfach nur, weil in der seichten Feierlaune irgendwo die wirkliche Kesha versteckt liegt. Doch die unglaubliche Stumpfheit von Blah Blah Blah mitsamt miserablen Rap-Versuchen, der altbekannten Auto-Tune-Maschinerie und träger musikalischer Melange tötet jegliches Interesse an unbeschwerten Minuten ab. Ähnlich betätigt sich auch Take It Off, das selbst die ohnehin allgegenwärtigen Stilmittel der LP bis auf das Allerletzte aus- und überreizt, damit in aller dröhnenden Synthetik ordentlich baden geht.
Dabei wird eigentlich kurzzeitig für eine ganz andere Erwartungshaltung gesorgt. Opener Your Love Is My Drug schafft es irgendwie, der unnatürlichen Ausgestaltung doch noch Spirit einzuhauchen, sorgt damit für sommerliche Lockerheit und den frühen Höhepunkt gesanglicher Vitalität, die aber sonst ohnehin selten zu spüren ist. Plötzlich stören die ganzen billigen Blips, die banalen Synthies und der gar einfach gestrickte Beat nicht mehr wirklich, stattdessen stehen tatsächlich ordentliche Vocals und ein Ohrwurm-Refrain im Mittelpunkt. Nach qualitativen Imitaten dieser Eröffnung sucht man dann länger, auch wenn das rockige Party At A Rich Dude's House als eigentlich schon ironiegefüllter Blick auf das Hot Topic von "Animal" nicht und nicht dazu kommt, einem wirklich auf die Nerven zu gehen, stattdessen vorzeigt, wie es auch gegangen wäre. Damit wird dann aber wenigstens eine quasi-Qualitätsexplosion eingeläutet. Mit Backstabber folgt nämlich plötzlich der beste auffindbare Track, der, würde er aller elementaren Elektronik beraubt werden, gar so etwas wie Swing und Motown in sich tragen könnte. Und mit Blind wartet sogar noch der Beweis dafür, dass eine ordentliche Ballade gar nicht so weit hergeholt wäre. Zwar klanglich überladen und mit der Percussion eindeutig am Thema vorbei, dafür aber das vielleicht einzige Mal, dass man der manipulierten Stimme im Songkontext tatsächlich etwas abgewinnen kann.
Wie unglaublich hart die darauffolgende Landung aber ist, es nähert sich der Unbeschreiblichkeit. Das grausame Machwerk, das dafür sorgt, ist mit D.I.N.O.S.A.U.R. solch grenzenlos grenzdebiler Art, dass das unbedarfte erste Hörerlebnis eigentlich nicht wirklich in Worte zu fassen wäre. Würde man diesen Song einem Kleinkind vorspielen, man könnte ihm damit vielleicht ein freudiges Lachen abringen. Wer allerdings das gigantische Handicap hat, diese Entwicklungsstufe hinter sich gebracht zu haben und tatsächlich die unglaublichen Textzeilen zu verstehen, der wird einem gewissen Schockzustand nicht entgehen. Beeindruckend auch: Dancing With Tears In My Eyes hat danach schon fast leicht emotionale Töne, was bei separater Betrachtung lächerlich anmutet, passable Rhythmen und guter Refrain hin oder her.
Wo soll das nur enden? Ah, hier. Nun gut, "Animal" als Wellenbad der Gefühle zu bezeichnen hätte bestenfalls satirischen Wert, sogar ihm ein ständiges qualitatives Auf und Ab zu bescheinigen wäre noch zu viel des Guten. Schaut man jedoch auf die Feinjustierung und sieht dann, dass ganz einfach das Mittelmaß hier nicht dort ist, wo das Mittelmaß normalerweise zu finden wäre, dann ist es doch ein bisschen Achterbahn. Auf niedrigem Level eben, aber so ganz ohne gute Momente lässt einen Kesha nicht zurück, auch wenn sie nicht darauf vergisst, einem im Gegenzug auch ein paar wirkliche Zumutungen zu präsentieren. Wer jetzt aber glaubt, man könnte ganz einfach die Tracklist zusammenstutzen und irgendwann würde schon eine starke LP rauskommen, dem sei gesagt, es würde nur eine magere EP übrig bleiben. Denn letztlich bleibt die Erkenntnis, dass die Welt der gedankenentleerten Party-Freunde doch weiter weg vom Musikhörer ist, als man es glauben möchte.