von Kristoffer Leitgeb, 12.12.2013
Altbekanntes dominiert, Neues fügt sich nahtlos ein. Und doch geht die Rechnung nicht voll auf.
Es ist ein schmaler Grat, der zwischen Erfolg und Misserfolg des so wichtigen zweiten Albums entscheidet. Was soll man machen? Großspurig Neues wagen, sich in bisher unbekannte Gewässer werfen, oder dann doch lieber auf die alten Stärken vertrauen und eine 2.0-Version des Debüts abliefern? Die Wahrheit liegt dann wohl doch irgendwo in der Mitte. Das Altbekannte ist noch nicht ausgelutscht genug, um die Fans wirklich zu langweilen, und doch, ausprobieren will man ja auch ein bisschen was. So oder so ähnlich dürfte der Denkprozess vor dem zweiten Radin-Album abgelaufen sein. Denn "Simple Times" bringt das, was man an ihm mag: Dezente Gitarren-Arrangements mit gehauchtem Gesang und einem Talent für die Balance aus Kitsch und sympathischer Emotionalität.
Und doch ist eben nicht alles gleich. Allen voran die Stimmung hat sich offensichtlich grundlegend gewandelt. Denn der Mann, dessen Arbeit die meisten aus zig Fernsehserien kennen, ohne davon zu wissen, war auf seinem Debüt noch ein Ausbund an Melancholie. Diesmal scheint er sich mehr der Sonnenseite des Lebens zuwenden zu wollen und so steuert er munter seinen "Simple Times" entgegen. Überzeugen kann der Erfinder des 'Whisper Rock' auch damit allemal. Nur an Top-Material scheint es dem sympathischen Ami zu mangeln. Denn nach einer fabelhaften Eröffnung scheint dann wiederum ein guter Teil des Pulvers verschossen zu sein.
Aber die ersten Minuten lassen noch ein Feuerwerk erahnen, das das Top-Debüt "We Were Here" in den Schatten stellt. Hat er zwei Jahre vorher mit den schwächsten Tracks begonnen, bieten One Of Those Days und I'd Rather Be With You ein ganz anderes Bild. Vor allem der Opener funktioniert als einziger Song mit wirklich gedrückter Stimmung großartig, übertrifft mit seinem noch poppigeren Sound und dem helleren Klang alles bisher von ihm Gebotene. Mit der depressiven Stimmung war's das dann aber schon bei I'd Rather Be With You. Als Lovesong in seiner einfachsten Form erinnert das Ganze an Jack Johnson mit etwas mehr TV-wirksamem Schmalz, der dem lockeren Arrangement aus Gitarre und Drums aber nichts anhaben kann.
Nun aber zum großen Rest. Nein, so schlimm ist es dann doch nicht. Wer glaubt, von da an wäre die Platte ein kompletter Langweiler, der täuscht sich. Denn vor allem eine nicht unwichtige Addition zum altbekannten Klang des Folk-Poppers hilft so manchem Song hier. Um einen helleren Sound und schlicht mehr Lebensfreude auf dieser LP bemüht, hat sich Radin nämlich intelligenterweise die Unterstützung so manch talentierter Frau gesichert. Meiko, Erin McCarley und Patty Griffin heißen die drei Damen, die ihrerseits Sky, They Bring Me To You und You Got Growin' Up To Do stimmlich aufpeppen und die drei Duette so mit zu den besten Minuten hier machen. Vor allem Griffins Performance im nicht wirklich traurigen Trennungssong You Got Growin' Up To Do erweist sich als gelungene Kollaboration. Die renommierte Folk-Musikerin hat nämlich dem gehauchten Gesang Radins eine ähnlich ruhige, um nichts schwächere Darbietung entgegenzusetzen.
Jetzt wird dann die Luft aber doch dünner. Auf ohnehin nur 33 Minuten geht ihm nämlich irgendwann zwingendes Material aus. Lieder wie Friend Like You oder Free Of Me besitzen nichts, was als erinnerungswürdig herauszuheben wäre, finden sich in absoluter Belanglosigkeit wieder, deren einzige Rettung der unverändert sympathische 'Feel Good'-Vibe der Songs ist. Trotzdem können ihm weder dezente Keyboard-Sounds noch die befremdliche Mandoline im Closer irgendwie aus einer latenten Langeweile im Sound helfen. Als kurzfristige Aufhellung dient da ganz eindeutig Up-Beat-Track We Are Okay, dessen etwas fülligeres Arrangement als einzige wirkliche Neuerung zum Debüt heraussticht. Dort bringt Radin zwar mit "We are okay, we are alright / We sing very loud" die vielleicht unvorteilhafteste Zeile für seinen manchmal kaum hörbaren Gesang unter, traut sich mit dem quirligeren Sound, der vor allem der umfangreichen Percussion zu verdanken ist, aber einen Schritt weg vom puristischen Klang seiner übrigen Arbeit.
Tja, fast, aber eben doch nur fast. So weit weg vom Erstling ist "Simple Times" nicht. Aber vor allem, weil man dem Motto 'In der Kürze liegt die Würze' nicht zwingend zustimmen kann, wenn es um Albumlängen geht, und da mit dem positiveren Grundton auch eine größere Anzahl an charakterlosen 08/15-Nummern einhergeht, bleibt Album Nummer 2 auch im Qualitätsranking vorläufig auf dieser Position. Es fehlt an Substanz, sonst kann man sich eigentlich auch diesmal nicht beschweren, bekommt man doch auch diesmal genug serviert, was auf die bekannten Stärken des Mr. 'Whisper Rock' hindeutet.