Jefferson Airplane - After Bathing At Baxter's

 

After Bathing At Baxter's

 

Jefferson Airplane

Veröffentlichungsdatum: 27.11.1967

 

Rating: 8 / 10

von Mathias Haden, 20.05.2015


Der psychodelische Flug in berauschte Sphären wird zum improvisierten Leckerbissen.

 

Ein dreifaches Hip-Hip-Hurra auf unsere liebste Emotion. "Liebe ist die stärkste Form der Zuneigung und Wertschätzung", behaupten unsere Freunde von Wikipedia, Hermann Hesse meint: "Glück ist Liebe, nichts anderes. Wer lieben kann, ist glücklich". Wie auch immer, auch wir von MusicManiac haben gerne Schmetterlinge im Bauch, proklamieren den Frühling als beste Jahreszeit und kriegen nicht genug von Filmen mit Hugh Grant. Aber was hat das nun mit Jefferson Airplane, den LSD-Überfliegern der 60er zu tun? Ich bringe dezentes Kerzenflackern ins unendliche Dunkel und wage einen kleinen Zeitsprung in glorreiche Zeiten, in den Sommer 1967. Während es im Vietnam gerade drunter und drüber ging, kamen im prüden Amerika von überall die Leute nach San Francisco und schmiedeten Pläne, die Welt zum Besseren zu verändern. Auch wenn wir heute wissen, dass das nicht so ganz funktioniert hat, erfreuen wir uns immer noch an den musikalischen Früchten dieser Ära. Während sich Beatles, Jimi Hendrix, Mamas & Papas und Co. darum matchten, das kreativste Album aus dem Hut zu zaubern, setzten sich die Lokalmatadore von Jefferson Airplane mit ihren Hits Somebody To Love, vor allem aber mit dem epochalen White Rabbit die Krone auf. Auch die dazugehörige LP Surrealistic Pillow wurde mit seinem sanften Mix aus Psychedelia und Folk-Rock zum Klassiker.

 

Hier endet die Geschichte der Kalifornier und dem Jahr 1967 aber noch nicht, denn noch ein Album sollte das Licht der Welt erblicken. Anstatt aber mit der Erfolgsformel zu arbeiten, um zugehörigen zu prolongieren, nutzte das Sextett seine künstlerischen Freiheiten, die ihm das dankbare Label RCA für den Erfolg des Vorgängers zukommen ließ und zeigt sich auf After Bathing At Baxter's, ihrer dritten LP, von ihrer unkonventionellsten Seite. Aufgeteilt auf fünf Suiten, bietet die LP viele klangliche Experimente, Jorma Kaukonens harte, aber herzliche Gitarrenimprovisationen und alles, was sich nur ja nicht den Vorwurf gefallen lassen dürfte, irgendwie Hitpotenzial zu verströmen.

So kommt Baxter's besonders nach dem eingängigen Folk des Sommers auf den ersten Blick etwas spröde und uneinladend daher. Den Höhepunkt der überambitionierten Exzentrik erreicht etwa der neunminütige, instrumentale Jam Spare Chaynge, auf dem sich Kaukonen und seine Kollegen Jack Casady (Bass) und Spencer Dryden (Drums, Percussions) zwar richtig austoben dürfen, den Pop-affinen Hörer aber zumindest in erster Instanz doch verstören. Besser macht es die kurze Klangcollage A Small Package Of Value Will Come To You, Shortly, dessen avantgardistisches, perfektes Spiel mit den Percussions großen Eindruck hinterlässt, die klassische Zeile "No man is an island!" aufgreift, sie mit "he's a peninsula" kontert und schließlich in schallendem Gelächter und dem schleichenden Übergang zum Young Girl Sunday Blues endet. Dieser, vergleichsweise konventionelle Pop-Song, verdeutlicht in seinem Status als einzige vom frühen Bandleader Marty Balin geschriebene Nummer die große Dominanz des Duos Grace Slick und Paul Kantner in Sachen Songwriting und Gesang. Wahrscheinlich besser so, denn Balin gehört nun wirklich nicht zu den Stimmen, die uns an die legendären - früher war alles besser - Sechziger erinnern. Am dankbarsten ist man dieser Degradierung in Slicks epischer Ode an Literatur und James Joyce, im mit himmlischem Gesang und perfekt inszenierter Hornsektion zusammengewürfelten Rejoyce, dessen melodische Dramatik und mitreißender Spannungsbogen sich im hellsten Lichtblick einer über weite Strecken höhepunktarmen LP manifestieren.

 

Darin liegt aber auch der Charme dieses Albums, das sich selbst nicht zu ernst nimmt und das in erster Linie wohl dem eigenen Vergnügen geschuldet war. Im Gegensatz zum mit formidablen Pop-Granaten geladenen Vorgänger gibt es hier beinahe nichts, das zum Tanzen oder Mitsingen animiert, letztlich aber in seiner konstanten Verspieltheit und Experimentierfreudigkeit überzeugt. Freilich hat es auch seine Schwächen: Kaukonens dominantes Gitarrengewitter ist immer wieder erschöpfend, Kantner singt zwar besser als Balin, geht in der Funktion als männliches Pendant zur starken Slick aber nicht immer auf und nicht jeder Track weiß zu glänzen, wie im trockenen Gitarrengefrickel von Spare Chaynge oder im etwas überambitionierten Closer Won't You Try/Saturday Afternoon.

Dennoch reichen die überschwängliche Spielfreude und seine wenigen Höhepunkte locker aus, um den kernigen Acid-Rock-Trip zu den essenziellen Darbietungen der Kalifornier zu zählen. Wild Tyme (H) steht stellvertretend für die überschwängliche Euphorie einer Generation, punktet wiederum mit der kraftvollen Performance des Gesangstrios und dem flüssigen Zusammenspiel von Kaukonens Leadgitarre mit der Rhythmussektion der Truppe. Auch das mit östlichen Einflüssen versehene Two Heads muss an dieser Stelle vorbehaltlos gelobt werden; dessen psychedelische Marschrichtung mit Slick in Topform und seinen halluzinogen angehauchten Textzeilen bieten das Musterbeispiel eines Albums, einer Ära, eines Weltgefühls: "Your lions are fighting with chairs / Your arms are incredibly fat / Your women are tired of dying alive / If you've had any women at that."

 

Im Sommer 1967 machten sich Jefferson Airplane zu Legenden des Summer of Love, im Winter trampelten sie so laut auf ihrem eigenen Denkmal, dass eigentlich nur was Gutes rauskommen konnte. After Bathing At Baxter's mag in erster Instanz zwar nicht besonders verführerisch anmuten, ein Blick hinter seine raue Schale birgt aber faszinierende Entdeckungen und die Essenz der Psychedelia. Welche war es denn nun? Die rote oder die blaue Pille?...

 


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