von Kristoffer Leitgeb, 17.07.2015
Des Träumers dritte Entspannungsübung ist nicht umsonst auch seine erfolgreichste.
Das Leben ist schon ziemlich scheiße. Manche Optimisten werden vielleicht aufschreien, aber die Tatsache, dass sie sich Optimisten nennen, legt ja schon eine ambivalente Haltung zur Realität nahe. Alle anderen werden mit Zähneknirschen ob des vernichtenden Eingeständnisses dann aber doch zustimmen, dass die Waage, die Positives und Negatives im Leben abwiegt, sicher nicht auf der richtigen Seite runterhängt. Deswegen hat ganz offensichtlich positive Musik, die nicht ebenso offensichtlich mit Partylaune und also Alkoholkonsum verbunden ist, etwas stranges an sich. Ergo ist auch Jack Johnson mit seinem sonnigen Gemüt und der ewigen Lebensfreude nicht ganz koscher. Vielleicht ist aber auch einfach das Leben als Surfer so super, zur Ruhe gebracht von den Wellen, nur um mit anderen Leuten zu reden, die auch gerade von den Wellen zur Ruhe gebracht wurden. Noch dazu auf Hawaii, das kein angekratztes Image hat wie etwa das Bikini-Atoll, sondern eher traumhafte Bilder entstehen lässt, nur getoppt von den untergegangenen Wundern von Atlantis. Wenigstens für einmal kommen diese Bilder auch mit seiner Musik bis über die Ozeane.
Bei so viel wirrem Geschreibsel im eröffnenden Absatz gilt es jetzt, den Fokus zu finden. An sich einfache Sache, denn so 'fokussiert', wie der Johnson'sche Sound nun einmal ist, gibt es auch gar nicht viel in anderen Gefilden herumzurudern. Wo er nämlich ist, da ist zumeist eine Akustikgitarre und sonst nicht viel mehr. Quasi wie der gute, alte Bob Dylan. Also der wirklich alte Dylan zu Zeiten als JFK gerade erst frisch unter der Erde lag. Ganz so mutig ist Surfer-Boy dann doch nicht, um sich alleine hinzustellen, deswegen präsentiert schon Opener Better Together das magere Drumherum. Eine Rhythm Section hat er sich geholt und ein bisschen Klavier drunter gemischt, damit die G'schicht auch was hergibt. Und sie gibt was her, sogar so viel, dass man den romantischen Anflug zu Beginn gar als beste Vorstellung in Johnsons Karriere bezeichnen möchte. Vielleicht nur weil seine Arbeit an der Gitarre graziler wirkt, vielleicht nur weil in den ersten Minuten eben noch alles frisch ist, vielleicht nur wegen des perfekt gewählten Tempos und der aufs Sympathischste reduzierten Gesangsperformance. Das wär dann aber eh nicht mehr nur, ein starkes Gesamtpaket mit nettem Text als Bonus eben.
Warum genau diesmal die Konservierung der anfänglichen Güte besser gelingt als bei seinen übrigen Alben bleibt ein bisschen im Dunkeln. Wo doch alles so gleich ist, wie es immer schon war. Aber halt doch auch alles einen Tick besser. Ein bisserl scheint er dazugelernt zu haben in puncto Songwriting und auch was die passenden Tempowechsel angeht. Variantenreichtum ist bei einer Fortsetzung mit Tracks wie Banana Pancakes, Never Know oder Sitting, Waiting, Wishing nicht angesagt, doch die Arrangements wirken dann doch raffiniert genug, dass die Sache teigartig aufgeht. Ist dann wieder eine mehrschichtige Erfolgsstory. Denn Jack the Surfer hat für sich eine nicht unwichtige stimmliche Balance gefunden, die ihm mehr Melodie verleiht, aber jegliche strapaziöse Dramatik ausspart. Das steht Single Good People mit ihrem lockeren Gezupfe schon mal äußerst gut, hilft auch Breakdown über das gar banale Musizieren hinweg. Diese Banalität wird aber netterweise zumindest sporadisch etwas unterbrochen. Vor allem die wachere Percussion tut da ihren Teil zu einem Album, das sich insgesamt ums Eutzerl rockiger zeigt als der Rest der Diskographie. Dahingehend darf sich vor allem Staple It Together feiern lassen. Starker Beat, prägnante Bassline und wache, angriffige Akkorde ergeben da ein wohlbekömmliches Rezept.
Etwas schwieriger tut man sich mit den gar ruhigen Momenten. Dort soll dann plötzlich Emotion abseits der Generalfröhlichkeit rein und das sorgt für gespaltene Ergebnisse. Bei No Other Way ist das dank starker Zeilen noch löblich, auch wenn man sich direkt an die monotonen Spielereien von "On And On" erinnert fühlt. Doch der Melancholiker steht Johnson nicht so gut zu Gesicht, so sehr er sich in der zweiten Albumhälfte auch an der Aufgabe abmüht. Weder If I Could, noch Constellations und schon gar nicht das charakter- und leblose Situations punkten da wirklich. Plötzlich ist wieder gähnende Leere, die von den eigentlich emotionalen Lyrics insbesondere deswegen nicht aufgefangen werden, weil noch kein Song des Hawaiianers jemals Anstalten gemacht hätte, wirklich emotional zu klingen. Inmitten monotoner Mäßigkeit und weniger machen dann nur mehr der wache, lautere Anti-Kriegstrack Crying Shame und die verträumt romantische Nostalgiker-Ode Do You Remember mehr her, ansonsten ist ein bisschen die Luft draußen aus der anfangs überraschend aktiv wirkenden LP.
Macht aber gar nicht so viel. Langweilig wird einem nämlich diesmal weniger. Der Hundling schafft's irgendwie einem das um ein paar Prozent verbesserte Songmaterial als gute Musik zu verkaufen, behält sich zusätzlich das Schäuferl Grundsympathie, das man für irgendwo in sich finden kann. Und siehe da, schon steht ein Album zu Buche, das trotz unleugbarer Verschleißerscheinungen noch genug Material für sonnige Tage an traumhaften Sandstränden, in gemütlichen Hängematten und sogar in aufgeheizten Städten bietet. Viel mehr will der Typ wohl eh nicht und selbst wenn doch, das Nichtgelingen möglicher anderer Anstrengungen wird ihm relativ wurscht sein. Immerhin sitzt er auf Hawaii herum und dort ist das Leben ja bekanntlich um Lichtjahre besser als überall sonst. Also: Entweder ab nach Hawaii und nie wieder zurückkommen oder wenigstens "In Between Dreams" hören. Das könnte auch ein klein wenig helfen.