von Mathias Haden, 12.08.2017
Der vielseitige Mini-Klassiker der späten 60er tönt phasenweise zu gefällig.
Als White Bird am 4. Oktober 1969 veröffentlicht wurde, war die Flower Power-Bewegung kurz davor, sich nach einer kurzen, aber intensiven Ära zu verabschieden. Es dauerte zwar noch bis Dezember, ehe das berühmte Altamont Free Concert den Hippie-Traum endgültig platzen ließ und noch einmal einige Monate, bevor sich Protagonisten wie Jimi Hendrix, Janis Joplin oder Jim Morrison aus dem diesseitigen Leben verabschiedeten, trotzdem war das heiße Eisen Psychedelia mit der Rückbesinnung vieler renommierter Verfechter auf die Wurzeln amerikanischer Musik in diesem Jahr schon ein wenig abgekühlt. Und obwohl die Single es nicht in die Top 100 der amerikanischen Single-Charts schaffte, ist sie heute jedem im Ohr, der sich mit Psychedelic-Rock und San Francisco nur im periphersten beschäftigt hat. Heute gelten White Bird und das dazugehörige, selbstbetitelte Debütalbum It's A Beautiful Day für nicht wenige Herrschaften als wichtigste und beste Veröffentlichungen der Band und auch generell ihrer Szene.
Dem kann man sich gerne anschließen, vor allem ist anzumerken, dass man auf den sieben Tracks der LP schon viel von dem findet, was kurze Zeit darauf als Prog-Rock seine prägendsten Jahre erleben würde. Daneben stehen mit Einflüssen aus Folk und klassischer Musik sicher nicht die schlechtesten Vorzeichen, Ende der 60er Abnehmer zu finden. Dafür muss freilich keine Blanko-Jubelrezension herausspringen, doch legen es Multiinstrumentalisten-Frontpaar David und Linda LaFlamme, Hal Wagenet, Mitchell Holman, Val Fuentes, Pattie Santos und Bruce Steinberg in den vierzig Minuten des Debüts mit ihrem Zusammenspiel das eine ums andere Mal nahe, ein Wort des Lobes auszusprechen. Besonders eben für Signatursong White Bird, der mit romantisch schöner Bildsprache ("White bird / Dreams of the aspen trees / With their dying leaves / Turning gold") zu einem lässigen Bass, fast Flamenco-angehauchten akustischen Gitarren und ungestümen Streichern abrauscht, um immer wieder zu seinem Leitmotiv zurückzufinden: "White bird / In a golden cage / Alone..." Zwar findet sich auf It's A Beautiful Day kein zweiter Track dieser Güte, wann immer es aber in dieser eleganten, leicht unheilvollen Gangart vorwärtsgeht, öffnen sich Türen der ästhetischen Wirkung. Gleich Hot Summer Day im Anschluss schunkelt zu einer düsteren Bass-Line, röhrender Harmonika und entfernten Gitarren, prolongiert den gehaltvollen Auftakt mit Würde und Grazie.
Beim Rest dürfen sich die Geister meinethalben scheiden. Der Union Wasted Blues etwa macht seinem Namen alle Ehre, wildert in amerikanischem Blues-Rock, driftet mit seinen aufdringlich kreischenden Gitarren aber zu sehr in Richtung der zweiten Komponente des Genrebegriffs ab. Im Kontrast dazu steht Girl With No Eyes, das auch wegen dem Gesangsdialog der beiden Protagonisten und Eheleute in Richtung der Folk-Rock-Nummern im Repertoire der frühen Jefferson Airplane geht, trotz seiner monotonen Streicher locker zu den besseren Tracks der LP gehört. Auf der zweiten LP-Seite geht das wilde Treiben weiter. Das fernöstlich angehauchte Instrumental Bombay Calling ist neben White Bird zwar der bekannteste Track, aber lediglich aufgrund der Tatsache, dass sich Deep Purple bei ihrem Epos Child In Time daran offenkundig bedient hatten. Mit seinem Orgel-Intro und den psychedelischen Klangteppichen eigentlich ziemlich hübsch, hier aber nicht weiter erwähnenswert.
Damit ohnehin wesentlich lohnender als die anderen beiden Stücke, die eine mutigere, experimentierfreudige zweite Hälfte abrunden. Während sich auf Bulgaria nämlich wimmernde Streicher mit hämmernden Drums ein finales Stelldichein geben, ufert das fast zehnminütige Time Is endgültig zu einem exzessiven Jam mit dicken Hosen und schepperndem Gitarrengewichse aus. Würde David LaFlammes Stimme hier ein wenig mehr die Ohren schmeicheln oder seine Gattin einmal ans Mikro lassen oder generell die Sequenzen nicht ganz so mackerhaft ineinanderfließen, ich könnte mich so daran laben wie an den Darbietungen vieler anderer Acts, die in diesen Jahren selbiges Geprotze an den Tag legten.
So aber bleibt in meinen Ohren eine LP, die auf ihren lediglich sieben Tracks ein paar erfreuliche Highlights bereitstellt, ansonsten aber recht gefällig vorbeirauscht. Wann immer Linda LaFlamme mit ihrem sanften Gesang jenen ihres an Bowie erinnernden, aber ohne dessen nuancierte vorgetragenen kontrastiert, leistet It's A Beautiful Day einen sehr brauchbaren Beitrag in der Verschmelzung von Psychedelic-, Folk- und Progressive-Rock. Ist das nicht der Fall, bleibt nicht sonderlich viel hängen, denn auch die Songs halten mit dieser überlebensgroßen Vision der eigenen Musikalität nicht wirklich Schritt. Dem kleinen Klassiker der späten 60er fehlt es abgesehen von seinem nicht zu Unrecht hochgehaltenen Signatursong doch an Erkennungsmerkmalen und nachhallenden Momenten.