von Kristoffer Leitgeb, 29.01.2019
Der ultimative Sound wird noch gesucht, der Weg dorthin birgt trotzdem souverän druckvolle
Hymnen.
In Anbetracht dessen, dass man trotz mehrfachem Frontmannwechsel bei Iron Maiden durchaus davon sprechen kann, dass sich schon vom Debüt weg ein charakteristischer Sound herauskristallisiert hat, der natürlich in den folgenden Jahren verfeinert, in kleinen Dosen modifiziert wurde, der aber trotzdem die Jahre überdauert hat, macht die Suche nach einem Höhepunkt in der Diskografie etwas schwierig. Wobei sich viele schnell einig sind, in welcher Ära er zu finden ist und es ist meistens nicht die von Paul Di'Anno, der ohnehin nur zwei Alben mit der Band überlebt hat. Schon dort bekommt man es aber mit einem problematischen Zwiespalt zu tun, in dem nicht ganz klar ist, ob man der Band nun zugestehen soll, schon immer ihren eigenen Stil gehabt zu haben, oder ihr eher eine damals noch andauernde Suche danach zuschreiben muss. Gerade "Killers" zeigt aber besonders gut auf, von welchen Wurzeln man sich alsbald verabschiedet hat und welche lohnenderweise über viele Jahre ausgeschlachtet wurden.
Denn das zweite Album der Band hält beides bereit und wäre wohl dementsprechend der Inbegriff eines Übergangsalbums, wenn man nicht eingestehen müsste, dass sich im Vergleich zum Debüt so ziemlich nichts verändert hat und auch die Unterschiede zu späteren Großtaten in den 80ern eher subtiler Natur sind. Iron Maiden waren vom ersten Tag an gut für Riffgewitter zwischen Hardcore Punk und Heavy Metal, mit dezentem Hang zur Theatralik von Black Sabbath, aber vor allem hier auch noch mit direktem Draht zum dreckigen Hard Rock von AC/DC. Daran sollte sich nie wirklich viel ändern, auch wenn man sich erfolgreich daran gemacht hat, die Vorzüge des eigenen Schaffens zunehmend deutlicher herauszuarbeiten. Hier begegnet man ihnen eigentlich sehr schnell, weil Wrathchild mit seiner aggressiven Gangart, den frenetischen Gitarrenexzesse mitsamt Hochgeschwindigkeitssoli, vor allem aber dank Di'Annos Fähigkeit, aus dem wutgetränkten Song mit dem Refrain eine großartige Hymne werden zu lassen. Dafür braucht es keinen Kitsch, kein Abbremsen, sondern einfach nur den unnachahmlichen druckvollen Gesang.
Wobei man berechtigterweise einwenden könnte, dass man, will man ausgerechnet auf den hymnischen Qualitäten im Schaffen von Iron Maiden herumreiten, sicher bessere Beispiele finden kann als Wrathchild. Das ist auch richtig, wobei man im Falle von "Killers" womöglich doch darauf verweisen muss, dass die punkigen Anleihen im Falle dieses Songs und so manch anderer noch präsent genug sind, dass keine Zeit bleibt für die Art Refrain, die man sich womöglich für das Mitjaulen Tausender begeisterter Fans im Stadion wünschen würde. Allerdings kann, wer nüchtern genug ist, um mit Di'Anno mitzuhalten, gern bei Murders In The Rue Morgue oder dem großartigen Purgatory mitsingen und wird darin seine Erfüllung finden.
Andererseits ist es eine Schande, ob des ganzen Fokus' auf Eingängigkeit und eventuellem Karaoke-Potenzial einzelner Songs darauf zu vergessen, was die von Steve Harris geschriebenen Stücke musikalisch eigentlich so alles draufhaben. Und das ist einiges, wenn auch vielleicht weniger im Hinblick auf die stilistische Bandbreite. "Killers" bietet harten Rock und Metal, von der ersten bis zur letzten Sekunde. Ohne relevante Pausen oder Gnade irgendeiner Art, allerdings durchaus in Abstufungen. Schon der Anfang, das kurze Instrumental The Ides Of March, ist eigentlich eine solche, wenn auch überdeutlich wird, dass die quietschende Gitarre trotz virtuoser Spielart als Alleinunterhalter über den harten Military Drums weniger glänzt und sich umso schlechter mit den sphärischen, dezent psychedelischen Riffs zum Abschluss ergänzt. So und dank des zweiten gesanglosen Spektakels Genghis Khan kommt man auch zu dem Schluss, dass Iron Maiden dank Adrian Smith und Dave Murray auf der Sechssaiterebene verdammt gut ausgestattet sind, deswegen aber trotzdem nicht unbedingt auf Instrumentals umsatteln sollten, wenn sie wirklich glänzen wollen. Deretwegen könnte man nämlich zu dem Schluss kommen, dass es so mancher Komposition ein bisschen an Abwechslung mangelt, um der durchdringenden Härte eine lohnende Ergänzung zur Seite zu stellen. Die phasenweise auftauchenden langsameren, zwischen Black Sabbath und glorreichen Metallica-Minuten Passagen, in denen die Gitarren zu voluminösen, aber eben gesetzteren Akkorden gezwungen werden, sind auf jeden Fall keine. Das gilt übrigens auch für diese eine Schwachstelle, die sich das Album in Form von Prodigal Son erlaubt. Nicht nur, dass man dem keine sechs Minuten lang lauschen will, diese dank eingestreuter Akustik- und lockerer Rockriffs offensichtliche Nähe zu Led Zeppelin et al. überzeugt schon innerhalb der ersten 120 Sekunden so gar nicht. Es ist der mit Sicherheit größte Ausreißer auf dem Album, dementsprechend allerdings auch der eindeutige Beweis dafür, dass Iron Maiden fernab der schnellen, in ihrer Härte und druckvollen Art unnachgiebigen Songs kaum eine Heimat finden könnte.
Insofern sollte man eben lieber genau dort bleiben, wo man sich genüsslich austoben kann, ohne groß von bekannten Vorzügen Abstand zu nehmen. Tatsächlich ist es auch so, dass das auf den meisten Songs, die man hier zu hören bekommt, genau so zelebriert wird, sei es Killers, Another Life oder die erst nachträglich für spätere Releases in die Tracklist eingefügte SingleTwilight Zone. Sieht man davon ab, dass man mitunter Anstalten macht, in ein manisches Soundgewitter zu verfallen, in dem Drums, Gitarren und der Bass um die klangliche Vorherrschaft kämpfen, an anderer Stelle dagegen ein traditionelles Gitarrensolo in Form eindrucksvoller Riffkunststücke eingeflochten wird, marschiert man generell zielstrebig dem mehr oder weniger genialen Refrain entgegen, den man netterweise mit der gleichen Energie runterspielt wie auch den Rest. Problematisch ist diese relative Formelhaftigkeit an und für sich nicht, diese Tracklist hat allerdings mit der Schwierigkeit zu kämpfen, dass abgesehen von drei beeindruckenden Ausreißern das gebotene Material meist überzeugend, aber nicht überwältigend ist. Es irritiert etwas, dass man bei so kompromisslos eingespielten Songs dann hinnehmen muss, dass diese trotzdem nur in Maßen überzeugend und das definitiv vage, aber schlicht notwendige gewisse Etwas fehlt.
Anders formuliert: "Killers" klingt ein bisschen zu oft nach Standardmaterial für das, was Iron Maiden insgesamt so anzubieten haben. Daraus folgt unweigerlich, dass es sich auch mit Album Nummer zwei nicht für den großen Klassiker ausgeht, sondern man weiterhin eine Band hört, die grundsolide und definitiv nicht ohne mächtige Minuten auftritt. Allein, diese Minuten sind zu selten, um den Eindruck von der LP wirklich zu prägen. Stattdessen nimmt man noch etwas eher mit, dass da vor allem gigantisches Potenzial zu hören ist, dem man mit einer Spur mehr Finesse beim Komponieren zu ungleich höheren Weihen verhelfen kann. Rückblickend betrachtet, ist ja auch genau das passiert, effektiv nur ein Jahr später, auch dank der klugen Entscheidung, manche Einflüsse, die hier noch allzu direkt verarbeitet wurden, lieber ruhen zu lassen. Dass es hier noch nicht ganz dazu gereicht hat, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das britische Quintett mit einer imponierenden Souveränität durch die Tracks rauscht und dabei insbesondere dank der beiden Gitarristen das eine oder andere Gustostückerl bereithält.