Imagine Dragons - Smoke + Mirrors

 

Smoke + Mirrors

 

Imagine Dragons

Veröffentlichungsdatum: 17.02.2015

 

Rating: 3.5 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 03.03.2017


Der Versuch gerockter, weltumspannender Extravaganz wird zur kräftezehrenden Farce.

 

Man könnte es dieser Tage fast als Grund zu feiern bezeichnen, wenn sich eine erfolgreiche Band aus freien Stücken vom bombastischen Elektronik-Pop den ein oder anderen Schritt wegbewegt und sich stattdessen versuchsweise rockigerem Liedgut zuwendet. Natürlich kann synthetisierter Pop schon auch spitze klingen, nur kommt er dann erfahrungsgemäß von Chvrches und nicht von Imagine Dragons, von der Insel und so ziemlich nie aus Las Vegas. Umso mehr Anlass für die laut Eigenaussage radioaktiven Chartstürmer des 12er-Jahres, nicht mehr so sehr nach Hip-Hop-Beats und Computerdröhnung zu klingen. Was aber, wenn man das anstrengende Debüt ad acta gelegt hat, nur um in der Folge noch schwerer zu ertragen zu sein? Dann, tja, wird es vielfarbig, emotionslos und zäh.

 

Vorerst ist es vielleicht noch angebracht, für Leadsingle I Bet My Life ein kleines Lob auszusprechen. Natürlich, die ist im Endeffekt nur eine optimierte Version von It's Time, aber erstens war das schon der beste Track am Debüt und zweitens ist optimiert ja dann doch kein negativer Begriff. Die Folge ist so ein Song, den Mumford & Sons auch schaffen hätten können, wären sie nicht noch mit den 2% Country und 18% Folk beschäftigt, die in deren Formel drinsteckt. Die Imagine Dragons klingen zwar mit helleren Riffs und laut pochendem Beat schon auch im Allerentferntesten dort zu verorten, wenn sie eine Leadsingle zimmern, haben aber den Vorteil, dass sie die Stadiongröße so sehr zu ihrem ureigenen Wesensmerkmal gemacht haben, dass der dröhnend laute Refrain effektiver tönt. Trotz Kitsch-Chor. Und Kitsch-Claps. Und Authentizität ermangelnder kerniger Gitarrenarbeit. Ein trotziges Stück also, das aber immerhin der Überlebensgröße des Las-Vegas-Gehabes mit dem Optimismus begegnet, der solch ein Spektakel rechtfertigen kann.

 

An vielen anderen Stellen ist "Smoke + Mirrors" allerdings gleichermaßen niedergeschlagen, kryptisch und steril, was dazu führt, dass die Songs nicht nur wegen ihrer wüsten Gesamtmischung einer Daseinsberechtigung entbehren. Man hört schon heraus, welche Emotion da aufzuspüren sein sollte, wenn einem brachial stampfende Drums und dröhnende Riffs entgegenkommen. I'm So Sorry ist trotz alledem aber immer noch ein nerviges, substanzloses Etwas, das wirkt wie der Sieger im Wettbewerb für den undynamischsten White-Stripes-Soundalike-Song. Eindrucksvoll konterkariert durch eine verweichlichte, allerdings immer noch gefühllose Schnulzen-Bridge, die endgültig für einen Zusammenbruch aller hehren Ideen der Band sorgt. Auch die umgebenden Minuten lassen erahnen, dass hier ein ambitioniertes Kartenhaus in sich zusammenfällt. Tatsächlich ist die LP nämlich dahingehend ehrenwert, als dass Dan Reynolds und seine Mitmusikanten mit beinahe jedem Song ein anderes Genre anreißen und beinahe sogar globalen Charme aufzubauen versuchen. Ein bisschen archetypischen und komplett belanglosen Indie-Pop gibt es mit Shots oder It Comes Back To You zwar, daneben spielen sich aber durchaus mutige Ausflüge ab.

Mit Gold kommt dank der Produktion von Alex da Kid noch einmal ein bisschen Hip-Hop ins Spiel, insgesamt bewegt man sich gleichzeitig allerdings in Richtung von sphärischem, leicht gespenstischem Art Pop, dessen manipulierte Gesangs- und Elektronikbits immerhin einen interessanten Sound garantieren. Aufgebläht und durch eine suboptimale Wahl der eingespeisten Klänge potenziell anstrengend wirkt die Sache immer noch, aber Interesse ist auf alle Fälle geweckt. Und während Dreams erwartungsgemäß grandios daran scheitert, Coldplay'sches Klavier-Melodram effektiv zu reproduzieren, kann die Band gleichzeitig mit den überraschend gut umgesetzten orientalischen Klängen von Friction für durchaus frische Rock-Minuten sorgen.

 

Natürlich steckt in diesen Versuchen, sich des recht engen musikalischen Korsetts des Debüts zu entledigen, etwas sehr Nobles, Ratsames und Begrüßenswertes. Und mir ist es absolut nicht möglich zu wissen, ob es dem Quartett an Talent für diese Experimente oder einfach am Geschmack für klanglich gute Entscheidungen mangelt. Auf alle Fälle geht bei all dem Hin und Her und der dezenten stilistischen Erdumrundung, die nach Asien und fast auch in afrikanische Gefilde führt, nichts wirklich glatt. Ausgerechnet die wenig mutigen, aber immerhin harmonisch und ausgewogen klingenden I Bet My Life und Summer, beide dann doch ähnlich dem seit Jahren erfolgreichen Indie-Pop-Rock, hinterlassen noch am ehesten einen angenehmen Eindruck, der einen zum Repeat-Knopf lugen lässt.

 

Der Rest ist im Endeffekt in zwei Kategorien einzuteilen: Hier die gescheiterten Extravaganzen, die zwar Leben einhauchen, einem als Hörer aber ob ihrer Langatmigkeit und soundtechnischen Verirrungen gleichzeitig das Leben schwer machen. Dort die nicht zu durchbrechende Belanglosigkeit der Songs, die so etwas wie nachdenkliche und sentimentale Stimmung aufbauen sollten. Da kann man noch so viel herumdoktern an den Reglern und für stadiongroße, ohnehin meistens wieder elektronische, Klänge sorgen. Das Ergebnis klingt immer noch genau nach dem, was Snow Patrol, The Fray und Coldplay schon vor zehn Jahren geboten haben. Nur träger und fernab jeglicher emotionaler Tiefe. Dan Reynolds scheint auch viel zu unbeholfen beim Texten, um seinen Zeilen erkennbare Tiefenwirkung zu verleihen, und genauso desinteressiert daran, die Musik mit den Lyrics in Einklang zu bringen - oder umgekehrt, wenn es sein muss.

 

Ergo muss "Smoke + Mirrors" einfach nicht sein. Wenn die Songs dieser LP als Argumente für oder gegen die Band herhalten müssen, dann sind sie ungefähr so gehaltvoll und gut ausformuliert wie die von Heinz-Christian Strache. Und das ist ein Urteil, das nicht einmal Strache selbst als Lob für die Männer aus Las Vegas bezeichnen würde. Die Imagine Dragons nerven schlicht und einfach die meiste Zeit und wenn sie es nicht tun, dann langweilen sie einen. Noch nicht einmal, weil sie es nicht genug versuchen würden, das Gesamtergebnis ist aber schlicht und einfach so glatt und abweisend, dass selbst die zwei besten Songs, die die Band bisher hervorgebracht hat, an der Schwäche des Albums etwas ändern könnten. Gelungen ist ihnen eigentlich nur, eine noch unnötigere LP als ihre erste unter die Leute zu bringen.

 

Anspiel-Tipps:

- I Bet My Life

- Summer


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