von Kristoffer Leitgeb, 21.10.2016
Ensemble und Repertoire wachsen, nur Laurie scheint ein bisschen kleiner zu werden.
Ich bin ziemlich sicher, dass Hugh Laurie bisher noch nicht dazu gekommen ist, meinen Review über sein Debüt zu lesen. Ich bin mir ähnlich sicher, dass meine Sicherheit dahingehend sehr gut begründet ist. Nicht, dass ich unsere Reichweite unterschätzen will, aber bis ins UK und in die USA ist es ein weiter, weiter Weg. Und Hugh Laurie war immerhin bis vor nicht allzu langer Zeit in aller Munde, ist immer noch in den Mündern vieler. Der gibt sich nicht mit sowas wie uns ab. Meinetwegen, so nebenbei beherrscht er kein Deutsch, aber ein bissl anstrengen könnte er sich schon...
So kann ich allerdings jetzt nicht behaupten, meine wahnsinnig konstruktive Kritik wäre der Ursprung mancher Verbesserung gewesen, die sich auf Album #2 seiner Wenigkeit finden lässt. Dabei kann es doch sonst fast nichts gewesen sein, das ihn in die richtige Richtung führt. Meinetwegen, der Review für "Let Them Talk" wurde über zwei Jahre nach dem Release des Zweitwerks geschrieben, aber ein bissl Credit sollt ich schon auch bekommen...
Keine Sorge, das geht jetzt nicht so weiter. Aber es musste ein wenig geübt werden, ich geh nämlich zu Halloween als Beleidigte Leberwurst. Außerdem hat sich Laurie mit den moderaten Änderungen, die "Didn't It Rain" kennzeichnen, auch nur bedingt einen Gefallen getan. Den überbordenden Respekt vor dem mitunter altehrwürdigen Material, das er sich zur Brust nimmt, scheint er aber abgelegt zu haben. Das zweite Mal geht offenbar leichter von der Hand, auf alle Fälle traut man sich diesmal musikalisch mehr. Wo zwei Jahre zuvor noch ganz speziell dem bluesigen Vermächtnis New Orleans' gehuldigt wurde, präsentiert der Brite sich diesmal mit mehr Drang in andere geografische Welten. Nicht nur das, dem Blues gehört die Bühne diesmal nicht allein, Rock, Gospel und Tango mischen sich immer wieder sehr erfolgreich und zur Erleichterung all jener, die keinen Blues-Fetisch besitzen, mit ein. Und diese Innovation im Sound des Briten beflügelt bereits die erste und einzige Single, Wild Honey. Dass sich Laurie bei Dr. John bedient, macht sich bezahlt, dass er sich am Klavier angriffiger und freimütiger gibt, gleich noch viel mehr. Weil er sich außerdem mehr denn je mit seinen Backgroundsängern versteht und die Rhythm Section ihrem Namen alle Ehre macht, wird der Track ohne Anlaufschwierigkeiten zum beinahe in den Pop vordringenden Ohrwurm.
Doch manches bleibt beim Alten. Auch diesmal lässt sich Laurie zu einem länglichen Instrumental-Intro hinreißen, klanglich breiter aufgestellt und damit vermeintlich lebendiger als am Debüt, aber vielleicht gerade deswegen weniger wirksam. Das Gemisch aus Klavier, Percussion, Oboe und Klarinette wirkt gleichermaßen anziehend wie dezent ermüdend, wenn man auf Songlänge aus dem leichten Tango-Trott und dem trotz starkem Aufwallen in Hälfte 2 schleppenden Tempo nur bedingt herausfinden will. Aber Interesse ist geweckt, das sich vor allem daran nährt, dass Varianten möglich scheinen. Erst dadurch lässt sich jedoch eine für Laurie schwierig zu knackende Nuss erkennen: Beschränkt er sich auf fast gemächlichen Blues, angereichert vielleicht noch mit einem Saxophon-Solo wie im Junkers Blues, ist er insbesondere stimmlich in seinem Element, macht klar, warum sein Name am Cover steht. Allerdings gehen einem da die Ausbrüche ab, das Interessante findet sich insbesondere in sentimentalen Minuten nicht so leicht. Das kitschige Careless Love oder aber One For My Baby muten blass an und entbehren in ihrer Trägheit anziehenden Facetten.
Dem gegenüber stehen musikalische Ausritte, die allerdings Laurie selbst nicht im besten Licht erscheinen lassen. Zumindest bleibt ihm trotz seinen gleichermaßen filigranen wie hemdsärmligen Klavierspielereien ein eher schattigeres Plätzchen. Mehr als auf dem Debüt dürfen die Gäste und unterstützenden Fachkräfte in Hauptrollen schlüpfen. Der erfrischend kantige Tango Kiss Of Fire überzeugt nicht nur dank Akkordeon und starken Gitarrenzupfern mit Latin-Charme, sondern insbesondere auch wegen des Gesangs von Gaby Moreno, deren samtige Stimme im Duett den Briten locker aussticht. Vielleicht lässt er deswegen manchmal überhaupt gleich das Singen bleiben. Kraftvoll und charakterstark darf dagegen Jean McClain im old-school Footstomper Send Me To The 'Lectric Chair klingen, der ohne ihr Organ kaum ansprechend wäre. Während der Gastauftritt von Taj Mahal im Vicksburg Blues markig, aber schwierig ausfällt, verleiht auch The Weed Smoker's Dream erst eine helle Frauenstimme das großartige Etwas. Laurie ist, wie es sich auf seiner LP gehört, immer und überall dabei, doch er wird vielleicht etwas öfter zum Backgroundmusiker, als es sich für ihn als Main Artist geziemt.
Was aus Sicht des Lauschenden egal ist, weil er einerseits im R&B-angehauchten Evenin' den traditionellen Klang stark verkörpert, andererseits ein Closer wie Changes sehr deutlich macht, dass gut und gerne beides sein darf. Anfangs ein überzeugend-melodisches Laurie-Solo, ein für die LP untypischer Fokus nur auf Klavier und Gesang, wird der Track alsbald zum lockeren Bar-Jam, dem das klassische Gewusel aus Piano, Bläsern, Drums, Backgroundchor und Keys gut steht. Ähnlich voll beladen ist sonst nur das auf hohe Drehzahl gebrachte Gospel-Stück Didn't It Rain. Das wirkt zwar erwartbar kitschig und außerhalb dessen, was man dem Ex-Dr. House wirklich als Betätigungsfeld empfehlen würde, allein der energiegeladene Sound und das weibliche Gesangsduo gibt aber schon genug her, dass man sich auch mit diesem Ausflug bald anfreunden kann.
Nicht alles, was Laurie & Company anzubieten haben, kommt wirklich so weit. Was ihm auf dem Debüt an Mut zur Abkehr von Konventionen gefehlt hat, fehlt es dem Briten diesmal an Balance. Den Grat zwischen fokussiertem Maßhalten und freimütiger, kollaborativer Vielseitigkeit, auf dem er wandern müsste, hat er zumindest nicht albumumfassend im Blick. Das macht "Didn't It Rain" mit seiner leichten Tendenz zum zusammenhanglosen Hin und Her etwas holprig und den ein oder anderen Fehler allzu offensichtlich. Dafür bekommt man auch das gewachsene Studio-Selbstvertrauen des Schauspielers mit. Ihm allein ist das sicher nicht zu verdanken, die um ihn versammelten Musiker sind wichtiger und auch besser als zwei Jahre zuvor. Grund genug eigentlich, auch diesmal mit einem positiven Urteil zu enden, dem ein paar Verbesserungsvorschläge angehängt sind. Er kann sie sich ja für das dritte Album zu Herzen nehmen.