von Kristoffer Leitgeb, 27.02.2014
Bayerns personifizerter Mix aus Dylan und Marley verkommt als ruhiger Solist zum Langweiler.
Packen wir doch einmal alle Klischees aus, die wir so über die Bayern zusammenkratzen können: Sie haben einen Durchschnitts-BMI von über 25, Nationalgericht wäre die Weißwurst mit einer zünftigen Maß Bier, religiöser als er Papst, ständig im Clinch mit den ungeliebten Nachbarn im Norden, die nur rudimentär die gleiche Sprache sprechen, und musikalisch gibt's Polit-Kommentare zwischen Dylan und Marley. Äh, was, wie, wer? Na, der Söllner Hans natürlich. Zugegeben, selbst wenn man obige Beschreibung als weithin falsch erkannt hat, der Mann hinter Songs wie Der Charlie oder Hey Staat ist mit Sicherheit nicht der Parade-Bayer. Dafür aber ein kultisch verehrter Gesellschaftskritiker und leidenschaftlicher Freidenker, der einem ganz abseits seiner Musik über die Jahre sympathisch geworden ist. Das hat nun aber fast ein Ende.
Denn ohne Begleitband, ohne bissigen Humor und ohne ein neues Hey Staat, was bleibt da noch von ihm? Tja, ein Mann in seinen Vierzigern mit bestenfalls rudimentären Gitarren-Fertigkeiten und einer Stimme, die selbst Österreichs ewig krächzenden Wolfgang Ambros lieblich klingen lässt. Das war aber eigentlich immer schon so, nur scheint er diesmal allzu selten Texte anbieten zu können, die einem das Auge Zudrücken wert erscheinen. Über siebzig Minuten quält man sich so mitunter durch das Album, wird öfter, als man es Söllner zutrauen will, ziemlich enttäuscht. Schon zu Beginn, mit dem Titeltrack und dem elendiglich langen Koana Von Uns, geht die Rechnung hinter "A Jeda" nur mäßig auf. Ersterer kann zwar immerhin mit dem durchaus ordentlichen Refrain punkten, beide plagt aber die Tatsache, dass die vier Akkorde, die Söllner zur Verfügung hat, schnellstens alt werden.
Da bleiben einem aber noch vierzehn Tracks. So wartet man in der ersten Hälfte der LP die längste Zeit auf irgendetwas wirklich Erwähnenswertes. A Jeda gibt den Ton im Großen und Ganzen vor. Es gibt recht viel an lauwarmer Gesellschaftskritik, die ihn in Mi Schatt Da Scheriff über gewaltbereite Polizisten, dann gleich über unverbesserliche Alkoholiker und deren nach Zuwendung lechzenden Frauen oder im so allgemein wie möglich gehaltenen Ohne Mi über das selbstständige Denken referieren lässt. Alles ok, nichts davon ist mehr. Da hilft es auch wenig, dass man in Mi Schatt Da Scheriff mit seiner bestenfalls mäßigen Mundharmonika-Einlage konfrontiert wird.
So dauert es bis A Groußa König, damit dem ganzen Leben eingehaucht wird. Musikalisch brennt zwar auch hier niemand ein Feuerwerk ab, dafür bietet Söllners Version der unbefleckten Empfängnis in Bayern den ersten Anflug von Humor, tieferem Sinn und an Bob Dylan erinnernden Erzählstil in einem Song. So in etwa, wie man es von ihm gerne öfter hören würde. Leider, ja, leider beginnt aber spätestens dann die Phase, in der beim Hörer die Luft draußen ist. Sich mit den durchschnittlichen Melodien und den auch nicht oft an beste Zeiten herankommenden Texten abzufinden, wird zunehmend schwieriger. Die erste Hälfte bot viel Mäßiges, aber eben abseits vom Siebenminüter Koana Von Uns auch keine Ausreißer nach unten. Mit Stinga Deaf Ma Ned muss man sich dann aber endgültig damit abfinden, dass auf diesen Beginn eine sehr ähnlich geartete Fortsetzung folgt, die immer schwerer zu verdauen ist.
Unter anderem begegnet einem da der miese, komplett sinnfreie Text von Drah Di A Weng oder die wirklich miserable Gesangsdarbietung von Dad I Liagn, in dem Söllner schlicht und einfach zu sehr versucht Sänger zu sein als viel mehr der Erzähler, der er ist.
Jetzt kommt's doch, das große ABER: Dreizehn Songs haben wir hinter uns gebracht und, so ehrlich muss man sein, viel ist nicht übrig geblieben von den anfänglichen Erwartungen an Bayerns bekanntesten Polit-Rebellen. Dann begegnet einem aber Runda Disch und Vieles, vom vorher Dargebotenen ist verziehen. Söllners großartiger Text über seine eigene Vorstellung vom Leben nach dem Tod, in dem er seinen früheren Weggefährten begegnet, macht schon mit der Eröffnungszeile "Jo, I glaub echt, dass I erst frei bin, wenn I tot bin / He, wenn I tot bin, dann geht's Leb'n erst richtig los" alles richtig, weicht kaum noch davon ab. Die positive Fortsetzung folgt sogleich mit Hey Liaba God, dem etwas anderen Treffen mit dem Allmächtigen, und dem Closer Für Meine Buam, gewidmet seinen Söhnen.
Lange hat man sich gewundert, denn der Hans ist diesmal alles andere als bissig, dafür ruhig, introvertiert und nachdenklich. Das geht über den Großteil des Albums nicht auf, vor allem, weil kritischere Texte fast ohne Schärfe daherkommen. Mit dem starken Abschluss, vor allem dem sentimentalen Höhepunkt Für Meine Buam, in dem sich auch der Mundharmonika-Spieler Söllner etwas rehabilitiert, wird klar, dass er auch abseits von politischen Versagern durchaus etwas zu sagen hat und das ansprechend verpacken kann.
Nichtsdestotrotz bleibt die Erkenntnis, dass der entspannte Hans Söllner nicht an den aufmüpfigen herankommt. Ein gelungener Abschluss macht kein gutes Album, vor allem bei über einer Stunde an Material. So bleiben drei wirklich gute Songs, dazu das etwas untergehende A Groußa König und sonst eine Masse an Liedern, die kaum das Durchschnittsniveau überschreiten, oft auch darunter bleiben. Trotz allem bleibt Söllner, dem ein Österreicher allein schon wegen seines Dialekts wohlgesonnen sein muss, auch weiterhin eine sympathische Figur in der Musikwelt. Künstlerische Sternstunde ist das aber keine.