Guadalajara - Weapons Of Mass Seduction

 

Weapons Of Mass Seduction

 

Guadalajara

Veröffentlichungsdatum: 22.02.2008

 

Rating: 6.5 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 05.09.2015


Man hat die richtigen Waffen für die Massen, man will nur nicht immer gerade die einsetzen.

 

Wäre man nur Mexikaner. Ah, wie wäre das wunderbar. Man könnte spanisch, hätte eine trockene Hitze, bei der einem die Sonne auf den Schädel knallt wie sonst nirgends, und könnte in der hoffnungslos gigantischen Hauptstadt durch gesundheitsgefährdende Slums marschieren. Aber man könnte spanisch, nicht vergessen! Und die zweitgrößte Stadt des Landes würde Guadalajara heißen, nicht einfach nur Graz. Ok, immerhin beginnt Graz auch mit einem G, klanglich liegen da aber Welten zwischen den beiden Namen. Andererseits ist es von Graz auch nicht so weit bis zu Guadalajara, zumindest wenn man damit nicht mehr die Stadt, sondern nur die steirische Band meint. Die hat auch was, viel sogar. Immerhin acht Musiker, was einen in den Genuss bringt, das relativ seltene Wort Oktett zu verwenden, wenigstens ein Mal. So nebenbei sind die sonnigen Gemüter aus dem verschlafenen Feldbach aber auch ein ziemlich zündendes Ensemble, das sehr wohl die richtigen Waffen auszupacken weiß.

 

Allen voran den Namen natürlich, Guadalajara. Ok, der war schon dran, kommt nicht wieder vor. Trotzdem bleibt er wichtig, es kommt einem nämlich unweigerlich der Gedanke, die Wahl könnte - wenn sie auch einem Filmzitat entstammt - geographisch etwas irreführend sein, sind doch Mariachi- oder Latin-Klänge weniger das, was die Band mitbringt. Stattdessen macht man einen kurzen Stopp in der Karibik und flößt dort dem eigenen Pop-Punk den nötigen Reggae-Vibe ein, damit am Ende Ska rauskommt. Mit diesem begibt man sich sogleich auf große Eroberungstour, allen voran mit dem Opener Dreamcatcher. Anreißen könnte man kaum besser als mit dem höchsten Tempo der LP, den stärksten Drums und der flüssigsten Gesangsperformance. Gewichtiges Detail am Rande: Die Bläser. Gleich im Quartett gekauft, holt man aus den Blechinstrumenten die eingängigen Hooks heraus, die man an der Gitarre nicht unbedingt erzwingen will. Das passt gut, der helle Sound tut dem Song ohnehin gut, verleiht ihm eine lockere Leichtigkeit, die nur zu gut das übrige Album beschreibt.

 

Wobei es dann doch recht anders wird. Als bisweilen poppigster und glattester Auftritt für die Steirer ist es auch gleichzeitig der farbenfrohste, der sich zwar stimmungsmäßig kaum vom Früher abhebt, dafür aber weit mehr verschiedene Abzweigungen einbaut. Das lernt man schon mit dem swingenden No Matter, das sich mit Klavier vorstellt und die Brass-Section noch mehr in die Mitte rückt, ihr im Refrain fast mehr Platz einräumt als dem Sänger, sodass überhaupt gleich ein Saxophon-Solo überbleibt. Schön, schön, bald wird aber auch klar, dass das mit den vielen Richtungen der Band, dem Album, den Songs oft eher im Weg steht. Tempowechsel sind Pflicht, Balladen müssen sein, punkig will man nicht überall sein. Ist ok, nur verpasst man da viel öfter den Absprung, als man das gern hätte. Der vor sich hin dümpelnde Bass von Case Of Sympathy spricht da Bände, wird noch dazu von einem der vielen eher lauwarmen Refrains begleitet. Da zeigt sich dann am ehesten, wie speziell der unablässige Energieausbruch des Openers war, so wie bei I'll Be Alright mit seiner unförmigen Rock/Swing-Kombi, die nicht weiß wohin. Da helfen auch die ganz eindeutigen Zugeständnisse an den Reggae in Goodbye oder Rock 'n' Roll To The World wenig. Letzterer gehört immerhin dann zu den Gewinnern, wenn er die Gitarren sprechen lässt, allen voran im Outro, bei der länglichen Ballade Goodbye wird es dafür mit der großen Freude schon schwieriger.

 

Aber keine Sorge, die Rettung kommt, überdeutlich teilweise sogar, was diese eklatanten mittelmäßigen Löcher gleich viel kleiner werden lässt. Mittendrin landet da mit Attacked From All Sides so ein allzu lebendiger Ausreißer, der sich mit seinem präzisen Arrangement gleich viel natürlicher ins Gesamtbild einfügt. Und der Bass lebt doch, heißt es dort, immerhin legt der gleich ein paar Gänge zu und reißt da die Bläser unweigerlich mit, die sich da schon im harten Intro überschlagen und dann in den Refrains genau richtig Dampf machen. Ähnliches gedenkt auch der Closer The Circumstances Collide zu tun, muss doch zum Ende noch einmal ein Statement her. Das wird auch gleich ein lautstarkes mit Riffs, die auch Hardcore-Bands ganz gern mal einstreuen, vor allem im Intro schon Metal-Allüren und dazwischen den unvorteilhaft isolierten Counterparts in Form der Bläser, die zumindest den Refrain im Vergleich etwas brustschwach ausschauen lassen. Auf musikalisch heimatlichem Terrain wird es dann doch gleich viel einfacher, wie Single Turn Up klar beweist. Der kann überhaupt schon kaum verlieren, ist doch die simple Botschaft vom "greatest song of all time" eine, die in den Strophen mit stark zusammengeschnipselten Bandnamen auskommt.

 

Bis dahin haben die Texte ja auch weniger Platz gehabt, was gut verdeutlicht, wie sehr sie die meiste Zeit an einem vorbeigehen. Im Positiven einfach weil die Musik den Großteil der Aufmerksamkeit auf sich zu lenken versucht, im Negativen weil es lyrisch trotz manch netter Spielerei doch an der nötigen Substanz mangelt, um damit wirklich Tiefschürfendes zu verbreiten. Auch deswegen gelingt all das, was langsamer und ruhiger wird, weit weniger. Die die Regel bestätigende Ausnahme heißt hier The Ultimate Note und beginnt merkwürdigerweise mit synthetischem Drum-Loop, nur um sich mit dem harmonischen Allerlei, das danach kommt, produktiv zu zeigen. Vielleicht auch, weil man in Wahrheit eh weder ruhig noch langsam wird, trotzdem fließt dort alles ordentlich, stimmen die Übergänge bis zum kleinsten Detail perfekt.

 

Ganz kurz tun wir jetzt mal so, als wäre das überall der Fall, und geben nicht enden wollende Standing Ovations für die Steirer zum Besten. Der Rest der Zeit sollte aber besser mit dem weit weniger euphorischen, aber wirklich verdienten Applaus verbracht werden. Immerhin laufen einem die Ohrwürmer, die Guadalajara hier im Wissen um ihre Stärken eingestreut haben, noch lange genug nach. Es ist dann der eigenen 'Eitelkeit' zu verdanken, dass davon nicht mehr zu finden sind, dafür als Ersatz die weniger zündenden Vielseitigkeitsbeweise der Band auf einen warten. Dort gelingt zwar der Beweis des eigenen Talents, dafür aber weniger, was als musikalisch wertvoll zu deklarieren wäre. So bleibt als Endprodukt also selbsterwähltes Stückwerk mit der ein oder anderen Delle hier und da und großartigen Ausreißern dazwischen.

 

Anspiel-Tipps:

- Dreamcatcher

- Turn Up

- The Ultimate Note


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