Green Day - Father Of All Motherfuckers

 

Father Of All Motherfuckers

 

Green Day

Veröffentlichungsdatum: 07.02.2020

 

Rating: 4.5 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 19.09.2020


Jugendliche Scheißdrauf-Mentalität in bemühtester, müdester Art.

 

Es gibt verschiedene Stadien einer Karriere mit unterschiedlich positiven oder negativen Nebeneffekten und Assoziationen. Da wäre der bescheidene oder auch nicht so bescheidene Anfang, in dem man in weniger kommerziellen Sphären noch probieren darf, in den kommerzielleren immerhin so etwas wie Frische mitbringt und kurz einmal so etwas wie überrascht. Es gibt die Hochphase, in der alle hin und weg und in Feierlaune sind. Nachweislich etwas, das nicht jeder Interpret erleben darf. Und natürlich gibt es auch die Tiefs, die oft einmal nach der Hochphase warten und von unterschiedlicher Länge sein können. Im Falle Green Days handelt es sich um ein Tief mittlerer Schwere, mit dem ein Haufen bescheidener, aber kaum grausamer Alben einhergeht. Allerdings auch der Umstand, dass sich mit jedem neuen Auftritt der Band, jeder neuen, großspurigen Ansage die Frage nach dem Wieso, dem Weshalb und dem Warum so sehr aufdrängt, dass man sie auch mit dem fertigen Album in den Ohren kaum noch aus dem Kopf bekommt. Die Sinnfrage ist aber dann doch eine essenzielle, die ja eigentlich die Musik selbst beantworten können sollte. "Father Of All Motherfuckers" eröffnet für das Trio allerdings auch das neue Jahrzehnt,  wie das alte gelaufen ist, nämlich ohne irgendeine spürbare Antwort auf diese Frage.

 

Oberflächlich betrachtet sollte ja  etwas Rockiges, Rotziges, Energiegeladenes herausschauen, in den Worten des unehrenwerten Billie Joe "The real shit", "The baddest rock band on the planet that gives a shit" oder "Dangerous songs for dangerous kids!" Großspurige Ansagen? Vielleicht. Peinliche Statements? Jedenfalls! Ob das äußerst kurz, aber kaum knackig gehaltene Album wirklich ähnlich lächerlich geraten ist, kann man debattieren. Dass es sich mit den zitierten Aussagen nicht legitim schmücken kann, sondern weit eher einer Mischung aus Karikatur des dreckigen Rock und müder Rezitation einer etwas fragwürdigen Vision davon gleichkommt, ist aber unbestreitbar. Tatsächlich gelingt es wahrscheinlich nur ein einziges Mal, ausgerechnet mit Opener, Leadsingle und damit auch dem Titeltrack, der sich als Falsett-geprägter Garage Punk entpuppt und also die White Stripes in schnellerer, weniger durchdachter oder filigraner Form in Erinnerung ruft. Und das zündet, weil der Riff passt, die Power passt, das Tempo passt und sich sogar Armstrongs höchst untypische Stimmlage wirklich gelungen dazu gesellt. Inhalt gibt es natürlich keinen, aber der wäre bei dem Titel auch verfehlt. Als Statement ist der Song aber dann doch irgendwie gelungen, zwar nicht gerade als Rettung des Rock - wie oft wurde die jetzt eigentlich schon von allen Seiten versucht? -, aber zumindest als ein Weckruf für Green Day selbst, die hier für einmal das zusammenbringen, was sie Jahre vorher mit "¡Dos!" tun wollten.

 

In weiterer Folge beweist die Band dagegen, dass selbst 10 Songs und nur knapp 27 Minuten zu viel des Mühsamen sein können. Denn das Album ist genuin langweilig, auch wenn sich da vielleicht irgendwo der Versuch versteckt, die Wände einzureißen und ein dreckiges, dröhnend lautes Feuerwerk zu zünden. Sollte das wirklich die Intention gewesen sein, ist es dann doch schon fast peinlich, was für ein laues Lüftchen daraus geworden ist. Wohin man auch schaut, bekommt man zwar schnell einmal röhrende Riffs, die sind aber oft genug dann doch streichelweich und ummanteln einen ohne jede erwähnenswerte Textzeile eher fadisiert als energiegeladen dahinsingenden Armstrong. Die daraus resultierende Belanglosigkeit springt einem eher ins Auge und Ohr als alles andere. Fire, Ready, Aim! zählt in puncto Hook noch zu den erwähnenswertesten Minuten, ist aber trotzdem nicht mehr als eine Erinnerung daran, dass ja mal die Hives existiert und einen mäßig unterhalten haben. Stab You In The Heart ist eine sterile Annäherung an klassischen Rock 'n' Roll, der mit seinen aalglatten Claps und Riffs nichts ausstrahlt. Und Graffitia ist in seiner hymnischen Durchschnittlichkeit ungefähr das, was man zu Zeiten von "21st Century Breakdown" vorgesetzt bekommen hat, wäre da nicht der etwas zu raue Riff. Aber immerhin sind da ein bisschen Klavier und ein paar ruhig, schmalzige Passagen, die auch ein paar daran angepasste, bedeutungsschwangere und doch irgendwie leere Worte mitbringen:

 

"Are we the last forgotten?

Are we the long lost love?

 

This city isn't big enough for dreamers

We were all believers

It's the perfect crime

(Only the lonely and wasted)"

 

Das alles summiert sich natürlich zu einem Haufen Nichts, umso mehr wohl deswegen, weil dieser eine, ziemlich antiklimatische und allgemein gehaltene Schwenk über die Gesellschaftspolitik im Closer hier die Ausnahme darstellt, ansonsten der politische Kommentar, der die Band 2004 zurück ins Rampenlicht und 2009 halb zu Fall gebracht hat, keinen Platz findet. Ausgerechnet in Trump-Zeiten frönt man dagegen dem Party-Modus, der sich in einer unbequemen Inhaltsleere äußert, die nicht treffender zu beschreiben wäre als damit, dass der erfolgreichste Song des Albums schlicht und einfach Oh Yeah! heißt. Nun gut, das muss nichts heißen, tatsächlich käme man aber auch kaum auf die Idee, bei diesem merkwürdigen, zwischen Glam Rock und Synth Pop steckenden Song, dessen grausamer Refrain eine synthetische, irgendwie versucht psychedelisch anmutende Masse ist, die mit einem miserablen Queen-esquen Chant des Songtitels abgeschlossen wird. Der Song ist miserabel, dabei belassen wir es mal. Auf dieses Niveau begibt sich sonst nur das unpackbar dämliche I Was A Teenage Teenager, das ein bisschen so klingt, als würden die US-Amerikaner plötzlich ihre eigene Vergangenheit parodieren.

 

Der Rest ist ein Ausbund an Durchschnittlichkeit, der zwar klanglich an sich gar nicht einmal so unbequem ist, aber einfach so müde und doch angestrengt wirkt, dass er kein wirkliches Interesse wecken kann. Eine merkwürdige Annäherung an Motown - whyyyy?! - mit Meet Me On The Roof oder eine rockigere Version der Imagine Dragons - whyyyyyyyyy?! - mit Junkies On A High animieren einen zumindest nicht zu sonderlich viel, außer man will es möglichst unspektakulär haben. Insbesondere die stilistische Ausrichtung von Junkies On A High, die so sehr nach aktuellem Mainstream-Elektronik-Rock klingt, wie es nur geht, ist so nebenbei natürlich auch ideal dazu geeignet, um es den ganzen verweichlichten Pseudo-Rockern da draußen so richtig zu zeigen....
Einen Ausbruch aus dieser lethargischen Musikansammlung bietet in Wahrheit nur mehr das diesmal tatsächlich auch knackige, nur knapp zwei Minuten lange Sugar Youth, das wieder den nötigen Punch mitbringt, einen aber nicht grundlos insbesondere im Refrain verdammt schnell an She's A Rebel aus den Tagen von "American Idiot" erinnert.

 

Wofür, frage ich da, soll das eigentlich reichen? Das Aufwecken eines eingeschlafenen Genres? Eine wirklich gute Party? Einfach nur ein bisschen sinnbefreites, aber unterhaltsames Abrocken? Nichts davon passiert hier, nicht einmal annähernd. "Father Of All Motherfuckers" ist, je nach Blickwinkel, entweder einfach ein fades, müdes und inhaltsloses Rockalbum, das zwar soundtechnisch ein bisschen was hinbekommt, aber sehr selten die richtige Richtung damit einschlägt. Oder aber es ist sogar eine Karikatur dessen, was es laut Frontmann Billie Joe Armstrong sein will, nämlich ein wirklich dreckiges, böses, gefährliches Rockalbum. Niemand, rein gar niemand könnte auf die Idee kommen, dass diese 10 Songs sich wirklich zu so etwas in dieser Art summieren. Und es ist das große Glück von Green Day, dass das trotz der großsspurigen Ankündigungen wahrscheinlich genau niemand auch wirklich erwartet hat, sonst wäre jedes positive Wort fehl am Platz. Losgelöst von dieser surreal anmutenden Ambition bleibt eine LP, die kurz genug ist, um nicht weh zu tun, die ihre ein, zwei notwendigen Momente hat und ansonsten immerhin das Gesicht einer Band zeigt, die genug Erfahrung hat, um klanglich nicht komplett daneben zu greifen, sondern einen mit Durchschnittsrock in mitunter merkwürdigen Ausformungen zu beglücken. Das ist nicht viel, aber immerhin weit mehr, als beim ähnlich von Garage Rock inspirierten "¡Dos!" drinnen war. Ja, die Ansprüche sind so tief gesunken, wenn sich die Frage nach dem Warum einfach nie beantworten lässt.

 


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