Green Day - DOS!

 

¡Dos!

 

Green Day

Veröffentlichungsdatum: 09.11.2012

 

Rating: 3 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 29.01.2019


Mit Garage Rock ohne Punch, ohne Witz und ohne Leben direkt in die Drittklassigkeit.

 

Natürlich könnte man eine Albumtrilogie, die einem drei Dutzend Songs innerhalb von drei Monaten präsentiert, durchaus als eine Art Husarenritt oder Sprung ins kalte Wasser bezeichnen, bei dem durchaus auch etwas Geniales herauskommen kann. Das mag an und für sich auch stimmen, immerhin haben es The Clash mit "Sandinista!" auch geschafft, ein einzige LP mit entsprechender Trackzahl zu veröffentlichen, ohne dabei unterzugehen. Doch die Absurdität hinter diesem dezent größenwahnsinnigen Projekt von Green Day ist spezifisch auf die Band bezogen. Sie hatte nämlich zu dem Zeitpunkt, als plötzlich Album auf Album folgte, ohne dass man wirklich mitgekommen wäre oder das wollte, eigentlich keine Grundlage dafür. Womöglich schon, wenn man sich auf das Standing der Mitglieder als chartsdominierende Rockstars versteift, aber künstlerisch nicht wirklich. Unabhängig davon, dass die Ambitionen immer mehr ausgeufert sind, war die Phase, in der die Band neue Ideen oder Billie Joe Armstrong relevante Texte herzuzeigen hatten, damals schon knapp ein Jahrzehnt vorbei, der Zenit ziemlich lange überschritten. Und so etwas bricht einem gleich einmal gewaltig das Genick, wenn man nicht weiß, wann es genug ist und die eigenen Stärken den latenten Mangel an Ideen und die spürbare Lustlosigkeit nicht mehr abfedern können.

 

Hier übrigens Teil 2 der Green Day'schen Absurdität dieser Tage, die sich für mich wohl nie gänzlich klären lassen wird: Wie passt es zusammen, dass die Band auf ihrer Trilogie meistens so gelangweilt und kraftlos klingt wie nie sonst, das Trio aber gleichzeitig anscheinend die Motivation aufgebracht hat, 37 Songs aufzunehmen und albumfertig zu machen? Keine Ahnung, nicht die allergeringste. Jetzt ist "¡Uno!" dem Schlimmsten entgangen, weil es so herkömmlich geklungen hat, dass man nie das Gefühl hatte, man müsste sich von den Songs wahnsinnig stören lassen, abgesehen vielleicht von den Gelegenheiten, wo eine Powerballade zum fünfminütigen Schlaflied ausartet. "¡Dos!" tut einem diesen Gefallen nicht, weil es zumindest in den Augen der Band eine Brücke zum eigenen Alter Ego, den Foxboro Hot Tubs, sein und dementsprechend einigermaßen den Garage Rock verkörpern sollte. Natürlich hat das nicht funktioniert, was damit zu tun haben könnte, dass die Kalifornier in dem Genre nicht das Geringste verloren haben und die Kombination aus vermeintlich dreckigerem Sound kein bisschen mit der ultraglatten Produktion zusammenpasst. Ob es wirklich vornehmlich daran liegt, dass schon vom lahmenden Schmalz im eröffnenden See You Tonight weg so ziemlich alles gleichermaßen kraftlos wie fern jeglicher Tiefe oder Substanz klingt, ist debattierbar. Dass aber fast nichts den Eindruck macht, als wäre man mit dem Anspruch eines einigermaßen naturbelassenen Sounds an die Sache gegangen, hilft beim Projekt Garage Rock garantiert nicht.

 

Am härtesten trifft das womöglich Armstrong selbst, der mit seinem wenig involvierten Gesang viel zu sehr in den Mittelpunkt gezerrt und jeglicher Kanten beraubt wird. Vielleicht wollte man sich wirklich an den alten Größen des Genres orientieren, es bleibt aber ein Klang, der sich anfühlt, als hätten Kings Of Leon "Insomniac" neu aufgenommen. Dementsprechend sind schon noch Spuren von Punk oder zumindest dem, was Green Day darunter verstehen, herauszuhören. Das allerdings auf die platteste und einfallsloseste nur denkbare Art, was dazu führt, dass Zeug wie Fuck Time oder das grenzdebil betitelte Wow! That's Loud in ihrer monoton dahinstolpernden Art nur dazu geeignet ist, die Reißfestigkeit der eigenen Nerven zu testen. Da sind schon potenziell ordentliche Riffs drinnen, aber sie werden hemmungslos getötet durch die Produktion und den damit verbundenen Mangel an Durchschlagskraft. Das führt zu der bizarren Erkenntnis, dass Wow! That's Loud eigentlich nichts anderes ist als eine hässliche Version von Jackass, was insofern merkwürdig ist, als dass letzterer auf "Warning" und damit der vermeintlichen Antithese zum hier zum Besten gegebenen Garage Rock zu finden ist. Ähnlich wie in diesem Fall, kann man sich auch bei den meisten anderen Songs sicher sein, dass man nicht von neuen Ideen erschlagen wird. Wäre auch nicht unbedingt nötig, wenn die Band wenigstens darauf verzichten würde, auf einer vermeintlich dreckigen und angriffigen LP mit banalsten Balladen wie dem trägen Power-Chord-Stehwalzer Wild One oder der zumindest nur teilweise geschmacksverirrten Ode an Amy Winehouse, Amy, aufzufüllen. Allerspätestens bei dieser jeglicher Emotion fernen Huldigung, immerhin erst dem Closer,  kann man sich dann auch sicher sein, dass von Armstrong keine Zeile mehr kommen wird, für die sich das Zuhören lohnen würde.

 

Möglicherweise wird man genau dieses Symptom darauf zurückführen müssen, dass der Trilogie ein aufgeblähtes, melodramatisches Epos vorausgegangen war, das sich in seiner eigenen Wichtigkeit verstrickt hat. Insofern ist der mondäne Zugang hier vielleicht kein Achsbruch, der Mittelweg ist der Band aber anscheinend genauso unbekannt wie das Auskosten der Freiheiten, die der Mangel an echten Themen musikalisch mit sich brächte. Deswegen klingt trotzdem alles wie immer und man ist tatsächlich gezwungen, als einzigen wirklichen Lichtblick auf diesem Album das in Wahrheit in Richtung Power-Pop abdriftende Lazy Bones herauszufiltern. Dass es ausgerechnet diese semidepressive, in trockenem, fast zurückhaltendem Gitarrengeschrammel ihre größte Stärke findende Vorstellung sein muss, darf als zusätzlicher Hinweis auf den riesigen Haufen an Fehlern in der Konzeption des Ganzen betrachtet werden. Für sich genommen ist der Track allerdings der formvollendste der LP, was auch damit zu tun hat, dass sich die lauten Riffausbrüche im Refrain zwar keiner Härte hingeben, dafür aber eine der seltenen lohnenden Melodien mitbringen, die das Album hat. Zwei andere kann man noch finden, wobei man bei Stop When The Red Lights Flash bereits dahingehend Abstriche machen muss, dass dieses Ding auch auf zweieinhalb Minuten unglaublich eintönig wirkt. Dem knackigen Main Riff schadet das trotzdem nicht wirklich. Die einzige Single, Stray Heart, kann wiederum darauf verweisen, dass der Hauch von Motown, der die Strophen durchzieht, ein rhythmisches Lebenszeichen ist, dem man schwerer entgeht.

 

Der Rest ist verzichtbar. Tatsächlich gehöre ich zu den wenigen, die nicht einmal den schrägen, trippy Reggae-Sound von Nightlife wirklich grausam finden, auch wenn kein Mensch unter mittlerweile weit über 7 Milliarden jemals nach einem Gastrap von Lady Cobra gefragt hat. Der zieht zusammen mit den unterirdischen Zeilen dann auch den Song ganz ordentlich nach unten, anstatt der Band irgendeine Gelegenheit zu geben, aus dem wenigstens neuen, wenn schon nicht sonderlich glücklich gewählten Sound, etwas Anständiges zu machen. Trotzdem sei für den Song, auch als einem der schlechtesten des Albums, insofern eine Lanze gebrochen, als dass das im Gegensatz zum Gros der übrigen Tracklist immerhin partiell interessant und wie ein Stück verarbeiteter Kreativität wirkt, was da geboten wird. So etwas wie Wild One oder Wow! That's Loud bekommt nicht einmal das hin.

 

Realistisch betrachtet, schafft es eigentlich so ziemlich nichts auf "¡Dos!" sonderlich originell, interessant oder neu zu klingen. Das allein wäre verschmerzbar, würde nicht auch die Reproduktion alter Ideen in meinetwegen neuem Gewand äußerst zäh und langweilig klingen. Mehr noch, das alles fühlt sich einfach komplett sinnlos an, was im Kern nicht damit zu tun hat, dass man sich von bedeutungsschwangeren Rock Operas mehr denn je distanziert und entsprechend äußerst seicht unterwegs ist, sondern vor allem damit, dass man dabei nicht im Geringsten so wirkt, als würden da Energie, Spaß oder sonst etwas in der Art dahinterstecken. Stattdessen klingen Green Day so fadisiert, wie man selbst es beim Anhören des Albums ist. Sieht man vom einzigen wirklich lohnenden Song, Lazy Bones, ab, findet sich keine erinnerungswürdige Aussage, keine wirklich stimmige oder kurzweilige Performance. "¡Dos!" ist schlicht und einfach das Verzichtbarste, was Green Day bieten konnten und womöglich jemals zu bieten haben werden.

Anspiel-Tipps:

- Lazy Bones

- Stray Heart


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