von Kristoffer Leitgeb, 26.10.2018
Der lange vermisste einheitliche Sound formt eine LP, so unspektakulär wie inhaltslos.
Geschichte wiederholt sich. Das war immer so und wird immer so bleiben. Ein wenig fehlgeleitet ist die Feststellung zwar allein deswegen, weil historisch bedeutsame Wiederholungen ziemlich oft direkt von dem inspiriert oder ausgelöst worden waren, was denn dann kopiert wurde, aber grundsätzlich kann man dem Satz kaum widersprechen. Die größten Fehler der Geschichte wurden beinahe nie nur einmal gemacht, sonst hätten die Russen auch nicht zwei Mal die Gelegenheit bekommen, eine übermächtige Armee zu stoppen, die gerade ganz Europa niedergewalzt hat, und Chinesen hätten ihr Kaiserreich nicht unzählige Male wieder zusammensetzen müssen, nachdem es in handliche Häppchen geteilt wurde. Jetzt ist aktuell kaum zu klären, ob der Name Damon Albarn irgendwann in den Geschichtsbüchern dieser Welt stehen wird, aber zumindest ist der Brite mittlerweile selbstbewusst genug, um mit einem reproduzierten Fehltritt immerhin die Aufnahmebedingungen zu erfüllen. Denn "The Now Now", das ist der direkte Nachfahre von "The Fall" und das kann nichts Gutes bedeuten.
Einschränkungen sind allerdings angebracht. "The Fall", dieses immerhin gratis den Fans überlassene Experiment, hat die Ambition des Futuristischen vor sich her getragen, allein schon wegen der Entstehungsgeschichte rund um Basteleien am iPad während einer Tour. Das war innovativ, es war mutig. Zwar war die Musik am Ende ein bescheidenes Häufchen form- und zusammenhangloser Elektronikbits, aber selbst darin hat sich ein Hauch alter Magie eines exzentrischen, musikalischen Tausendsassas verborgen, wenn auch ganz selten. So fehlgeleitet das damals war, es war nicht wirklich langweilig, sondern einfach nur ein kaum verdaulicher Murks. 2018 ist das ganz anders, denn die diesmal kredenzten Tracks sind allesamt sehr zahm in ihrer Ausrichtung und belästigen einen nicht sonderlich mit ausgefallenen Ideen oder Aufnahmepraktiken. Im Gegenteil, "The Now Now" ist die konventionellste aller bisherigen Gorillaz-LPs, mit der Albarn nicht nur auf den exzessiven stilistischen Eklektizismus von "Plastic Beach" und vor allem "Humanz" verzichtet, sondern gleich auch noch auf die zum Alltag gewordenen Featurings diverser Hip-Hop-, R&B- und anderer Musiker.
Das kann man als befreiend interpretieren, weil dieses Zusammenmischen unterschiedlichster Genres und Künstler zunehmend unkonstant und zwanghaft gewirkt hat. Und Albarn hat mit einer Solo-LP auch schon bewiesen, dass er, auf sich allein gestellt, auch albumumspannend starke Musik und vor allem entsprechende Texte abliefern kann. Gelingen will ihm davon diesmal nichts, weil die Songs vom ersten Moment an nicht einmal den Anschein erwecken wollen, als würde in ihnen ein tieferer Sinne oder eine einende Botschaft stecken, genauso wie man keine emotionale Substanz findet, wie sie auf dem Vorgänger Busted And Blue oder Hallelujah Money geboten haben. Stattdessen bekommt man es hier mit einer Mischung aus Synth-Pop, Funk und R&B zu tun, die zwar in puncto Tempo ordentlich streut, rein klanglich aber wenig an Varianten bereit hält und je nach Einstellung zum Album auf spacige Art entspannt oder aber auf synthetische Art bequem klingt.
Die Entscheidung, was es denn nun ist, wird einem aufgrund des starken Anfangs nicht gerade leicht gemacht. Zwar ist der Reggae-Rhythmus von Humility, den Drums und Gitarre beisteuern, nur sehr bedingt mit den sphärischen Synthesizern und Albarns ausdruckslosem Gesang in Einklang zu bringen, George Bensons Gastauftritt als Gitarrist fruchtet aber durchaus. Und außerdem heißen die eigentlichen Treffer auch Tranz und Hollywood, die sich mit der schimmernden Elektronik, dem pochenden Bass und dem nicht zu leugnenden Retro-Chic wie Artverwandte von Stylo hören. Vor allem Hollywoods smoother Beat und die monoton dahinschwebenden Vocals, unterbrochen von Snoop Doggs Rap, lassen den Funk-Einschlag der LP mit relativer Nähe zu Daft Punk in starkem Licht dastehen, während Tranz mit dem höheren Tempo und der eher erratischen Songstruktur und Elektronikbausteine auf bestem Weg zum geradlinigen Synth-Pop ist und als solcher die bei weitem beste Hook des Albums präsentiert.
Blöderweise ist es das dann aber eigentlich. Die restlichen Tracks schleppen sich mal mehr, mal weniger mit müden Beats und leblosen Synthie-Fetzen durch. Kansas und Magic City sind dahingehend kaum voneinander zu unterscheiden und trotten unrhythmisch und ziemlich richtungslos dahin, während Albarn kaum einzuordnende Zeilen darüber ausbreitet, die so nicht und nicht dazu geeignet wären, zusammen mit der Musik Atmosphäre aufzubauen. Überhaupt ist es bezeichnend, dass das Album zwar musikalisch ausgelassener ist als der Vorgänger und hauptsächlich von grellen, sprunghaften Synths bestimmt wird, gleichzeitig aber melancholisch-verträumte Songs dominieren, die wiederum absolut keine Stimmung aufkommen lassen, weil sich klanglich nichts aufgebaut wird. Fire Flies wirkt in dieser Hinsicht beispielsweise wie ein Outtake der Sessions für "Everyday Robots" und als solches genauso undynamisch und steril wie One Percent.
Dazwischen wartet irgendwann einmal Lake Zurich und damit ein funkiges Instrumental, das zwar aufgeweckt genug daherkommt, um einen nicht zu langweilen, letztlich aber doch kaum mehr ist als ein 5-Sekunden-Synth-Loop und ein Haufen Soundeffekte, die von Vocoder-Vocals bis zu unterschiedlichster Percussion reichen. Wirklich gut klingt dann aber erst wieder Souk Eye und damit der Closer. Dem wohnt noch einmal die nachdenkliche und gleichzeitig verträumte Aura inne, die schon so manchen starken Gorillaz-Track ausgemacht hat. Musikalisch wirkt die Sache zwar als Gemisch aus luftiger Percussion, Klavier, hellen Synthesizern, mitunter im Streicher-Format, eher chaotisch, aber immerhin vollwertig und aussagekräftig.
Das sind zwei Adjektive, die sich sonst verdammt wenig hier verdient. "The Now Now" ist tatsächlich nicht in solchem Maße eine Ansammlung von Soundfragmenten, wie das "The Fall" war. Aber die Songs sind mit wenigen Ausnahmen letztlich genauso nutzlos und hinterlassen immer wieder einen unfertigen oder schlicht uninspirierten Eindruck. Wann immer Albarn dem entkommt, findet er zwar nichts Weltbewegendes, aber immerhin angenehme Erinnerungen an die Stärken der Gorillaz, wie sie sich seit "Plastic Beach" präsentiert haben. Hauptsächlich ist es aber eine lahme Übung in Synth-Pop, der es viel zu oft an wirklichen Ideen und Aussage mangelt. Das stellt dann schon ein bisschen infrage, warum es die LP überhaupt gibt und ob es Damon Albarn mittlerweile doch ein bisschen an der Fähigkeit mangelt, auch ohne einen Haufen musikalischer Gäste interessant zu klingen.