Gorillaz - Gorillaz

 

Gorillaz

 

Gorillaz

Veröffentlichungsdatum: 26.03.2001

 

Rating: 5 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 21.03.2015


Ideale Ideen, keine umwerfende Umsetzung.

 

Manchmal, aber nur manchmal da springt einem die Inspiration ja so dermaßen ins Gesicht, dass man sie kaum festhalten und ausformen kann. So wie bei mir gerade, der zum fünften Mal einen Beginn für diesen Review schreibt und ihn noch immer schlecht findet. Deswegen beginnt man dann manchmal, aber nur manchmal eben mit einer Refrainzeile von Bela B. Andere wissen aber wohl doch wirklich, wie das ist, wenn einen die Eingebungen gerade zu erschlagen drohen. Die kann man unglaublich gut raushören. Dass sind nämlich die, die sich auf ihren Alben nie für eine Richtung entscheiden können. Und irgendwie wäre man geneigt, den Blur-, Gorillaz-, Rocket Juice & The Moon- und eigentlich eh unser aller Frontmann Damon Albarn da dazu zu zählen, hätte er nicht gerade kürzlich sein äußerst starkes und äußerst einheitliches Solodebüt abgeliefert. Ist aber auch nur ein Zeichen der ewig währenden Veränderung, denn ein musikalischer Wendehals war er einmal wie kein anderer. Und nirgends schlägt das so durch wie auf dem Debüt unserer gezeichneten Lieblinge.

 

Was ihm nicht nur zum Vorteil gereicht. Denn damals, als die Welt noch in Ordnung und das World Trace Center noch da waren, hieß für den Mann experimentieren nicht etwa: 'Ich such mir mal einen neuen Sound.' Sondern eher: 'Ich such mir mal zehn neue Sounds.' Jetzt hat diese an kompletten Narzissmus grenzende Selbstüberschätzung etwas Anheimelndes an sich, allein weil jeder Hobbyheimwerker genauso denkt, wenn er sich vornimmt, ein Regal ohne Anleitung zusammenzubauen. Und natürlich auch, weil Clint Eastwood dabei rausgekommen ist. Das hat eben Vorteile, wenn so aus dem Nichts ein Welthit da ist. Ergebnistechnisch ist dann eine LP schon mal gerne aus dem Schneider. Was man bei aller Freude dazusagen muss, ist, dass der beste Part des Songs das Mundharmonika-Sample im Outro und somit nicht Albarns Arbeit ist. Das kann man ihm aber verzeihen, denn der smoothe Beat sorgt mitsamt den unheilvollen Keyboard-Sounds nicht nur für eine Landmarke des Trip-Hop, er bietet auch den idealen Unterboden für den großartigen Del the Funky Homosapien, der sich perfekt mit Albarns seelenlosem Stimmchen ergänzt.

 

Jetzt wo dieser Teil geklärt wäre, bleibt aber der Blick auf das, was dahinter läuft. Und da gibt's Baustellen, ein Vorarbeiter würde ins Schwitzen kommen. Was dem Briten das Genick anknackst, sind nicht etwa seine Ideen. Nein, die wecken Interesse an allen Ecken. Doch er schafft es, ebendas auch bald wieder im Keim zu ersticken. Viel zu viel läuft hier zurückgelehnt und untätig vor sich hin, folgt einer Marschroute, die spätestens nach einer Minute vorgegeben ist. Im Opener Re-Hash ist das noch wenig problematisch, denn der Song erfreut sich dank des vergleichsweise hohen Tempos, dem lockeren Riff und dem nachhallenden Refrain noch ziemlich guter Gesundheit. Doch Tracks wie New Genious (Brother) oder Latin Simone (Que Pasa Contigo) wissen einfach nicht wohin, wenn man sie einmal in die Freiheit entlässt. Natürlich ist es ganz nett, Ibrahim Ferrer auf Spanisch vor sich hin singen zu hören. Doch dessen gute Vorstellung geht Baden, wenn dahinter ein vor Trägheit strotzendes Gemisch aus fadem Beat, müdem Bass und einem unnötigen Klavier-Loop herumstolpern. Da gibt's klarerweise noch anderes in dem Song, doch auch über Percussions oder Trompete lässt sich nichts wirklich Gutes berichten. Ferrer steht ein bisschen im Regen. New Genious klingt dagegen als ruhiger Song mit Albarns weicher, heller Stimme in der Theorie nicht so schlecht, doch sein zu weit nach oben abdriftender Gesang und die wirr zusammengestückelten Streicher-Samples, Percussion-Fetzen und Scratches lassen jegliche Dynamik vermissen.

 

Zwei symptomatische, aber dann doch nicht ganz beispielhafte Titel. Mit dem grausig uninteressanten Double Bass liegt der Tiefpunkt zwar anderswo, der Großteil des Albums ist jedoch nicht allen Lebens beraubt. Sound Check (Gravity) findet sich im selben Eck wie New Genious wieder, kann aber dank der starken Bassline und Albarns ungleich charismatischerer Performance weit eher punkten. Nichtsdestotrotz hapert es auch am Hirn der Gorillaz selbst, schafft es der Blur-Frontmann doch zu selten, sein großes stimmliches Potenzial in atmosphärische und emotionale Darbietungen umzumünzen. Punk ist als kurzer, tja, Punk-Song eher eine Erinnerung an Song 2, kommt aber trotz ordentlicher Inszenierung eher als durchschnittliche Parodie des Genres daher. M1 A1 überzeugt dagegen zu Beginn mit seinem eingeflochtenen Stimm-Ausschnitt sehr, schafft es Stimmung aufzubauen, nur um sie mit dem einsetzenden Garage Rock wieder stückchenweise abzutragen, bis zum Ende ein gespaltenes Bild bleibt.

Potenziell großartig ist auch Starshine, dessen karger Sound die perfekte Bühne für eine düstere Gesangseinlage wäre. Daran versucht sich Albarn auch, macht mit verloren klingendem Krächzen sogar viel richtig. Auf dreieinhalb Minuten holt den Song die Monotonie aber doch unweigerlich ein.

 

Es riecht also schon nach Totalschaden und doch weiß jetzt jeder, dass doch noch ein 'doch' kommen muss. Doch, doch. Übliche dramaturgische Masche eben. So bleibt aber wenigstens das Beste bis zum Schluss. Das heißt sicher nicht 19/2000, obwohl der lockere Party-Track mit seiner entspannten Aura stark punktet, dazu natürlich Miho Hatoris legendäres "Here you go! Get the cool, get the cool shoeshine" für sich verbuchen kann. Aber auch Albarn fühlt sich da ohrenscheinlich - eigene Wortschöpfung - weit wohler und passt sich perfekt in den Track ein. Und doch wird anderswo so wirklich auf den Putz gehaut. Der trockene Rocker 5/4 schlägt mit seinem banalst-abgehackten Beat und dem genialen Riff voll ein. Der Zampano tritt in alter Blur-Manier auf und bestätigt kurz, dass noch nicht alles in ihm elektronikaffiner Trip-Hopper ist, sondern noch etwas für den Liebhaber organischen Sound übrig bleibt. Die andere Seite schlägt aber umgehend zurück. Tomorrow Comes Today findet sein Heil in der Vollendung der Trip-Hop-Formel Albarns. Sein zurückhaltender Beat schmiegt sich perfekt an die aufeinanderfolgenden Passagen von Klavier, Mundharmonika und zumindest nach Streichern klingendem Keyboard ein. Viel wichtiger, gesanglich findet einer der herausragendsten Momente der Gorillaz-Geschichte statt, die unter den starken Melancholikern des Band-Kanon die wohl kargste Atmosphäre aufbaut.

 

Gerade noch vor der Klippe aus dem Auto gesprungen. Es gibt ja so manchen, der das selbstbetitelte Debüt der Affenbande als Meisterwerk, Meilenstein oder schlicht als verdammt starkes Album sieht. Warum dem so ist, lässt sich wahrscheinlich schnell begründen. Das Album ist ein einziges Experiment, bestehend aus 16 oft komplett unterschiedlichen Tracks, die weder Langeweile aufkommen lassen, noch im ersten Moment viel Raum zum Nachdenken geben. Das macht Eindruck, für viele auch Spaß und hat ja auch etwas Ehrenhaftes an sich. Doch der allzu noble Versuch bietet letztlich auch wüst durcheinander geworfene Ideen, die null Fluss bieten und viel zu oft den Eindruck vermitteln, ein Denkprozess wäre schon zu früh vom nächsten abgelöst worden. Deswegen ist wenig zu Ende gedacht. Die Momente, die aber so weit kommen, können sich dann auch wirklich sehen lassen.

 

Anspiel-Tipps:

- 5/4

- Tomorrow Comes Today

- Clint Eastwood


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