von Mathias Haden & Kristoffer Leittgeb, 30.04.2015
Das Debüt des Ex-MCR-Leaders überzeugt mit gitarrenreichem Pop.
Emo is dead, long live Britpop! Gerard Way, einst König der black parade, setzt zum nächsten Karriereschritt an. Statt schwarzen Fingernägel und Tonnen an Kajal gibt es Ziggy Stardust'sche rote Haare und die dazugehörige Androgynität frei ins Haus. Wenn das der alte Noel (Gallagher) nur wüsste, aber der ist ohnehin viel zu sehr mit sich selbst und seinem Bruderzwist beschäftigt. Wie auch immer, der Ex-My Chemical Romance-Frontmann verabschiedet sich nun endgültig vom Sound, der ihn berühmt gemacht hat, und schielt mit einem Auge in Richtung 90er, mit dem anderen in Richtung 70s-Glam.
Was dabei herauskommt, ist ein verspieltes Album zwischen (Brit-)Pop, Glam und Rock, das ordentlich die Gitarren sprechen lässt. Bereits der wuchtige Opener The Bureau zeigt einen mittlerweile auch schon auf die 40 zugehenden Künstler, der das Emo-Image endlich zur Gänze abschütteln möchte; mit seinen unruhigen, kantigen Riffs bietet er zudem eine gute Bühne für die folgenden zehn Stücke. Mit Vorab-Single Action Cat schlägt Way die Brücke vom anvisierten Gitarrenrock zur emotionalen Vergangenheit, beweist vor allem, dass er auch im Jahre 2014 sein Gespür für eingängige Melodien nicht verloren hat und richtet ein paar Worte an die alten Fans: "Do you miss me? / 'Cause I miss you". Auch die folgenden beiden Singles, No Shows und Millions bewahren den Spirit der LP. Während Erstere mit einer einladenden Hook ihre Stadiontauglichkeit unter Beweis stellt und mit ihren fuzzy Gitarren doch überzeugt, verliert sie sich gegen Ende etwas in ihrem verschroben verzerrten Gesangsteil und im etwas trägen, nie besonders zwingenden Zusammenspiel der Band. Millions dafür, ist einer der großen Gewinner auf dem Bowie-esque betitelten und mit passendem Artwork versehenen Hesitant Alien. Diese Nummer veranschaulicht erneut Ways Pop-Affinität, punktet mit einer mitreißenden Melodie und den wiederum sehr effektiv eingesetzten Gitarren und liefert einige der besten Zeilen der LP: "I'm keeping score / A million reasons but I need a million more".
Danach verliert sich das Album allerdings zunehmend in biederer werdendem Rock. Zero Zero wird mit seiner treibenden Rhythmussektion zur pulsierenden Härtehoffnung, bleibt als Song allerdings gänzlich auf der Strecke, Juarez setzt auf die selbe Karte, kann sich mit seinem leicht kryptischem Text aber noch etwas aus der Affäre ziehen; etwas besser gelingt die rockende Darbietung beim dreckig eingespielten Get The Gang Together und seinem packenden Riff.
Letztlich dominiert aber wieder der Pop und so läuft das Debüt sicher ins Ziel. Drugstore Perfume wird zum gefühlvoll vorgetragenen Rettungsanker zwischen den harten Tönen, How It's Going To Be zum mitreißend schwungvollen Highlight und Closer Maya The Psychic zur finalen, catchy Ode auf die Gitarre und ordentlich Strom.
Etwas über ein Jahr nach der (offiziellen) Trennung von My Chemical Romance kehrt ein Ex-Emo der Vergangenheit den Rücken zu, liefert überwiegend überzeugenden Gitarrenpop mit dezenten Schwächen, wenn es in Richtung Rock und Härte geht, und lässt auf viel Gutes hoffen. Da ist eine letzte Frage doch legitim: Did you miss us? ‘Cause we missed you!
M-Rating: 7.5 / 10
Zwischen poppigerer Comfort-Zone und ureigener theatralischer Selbstfindung.
Also den Plural hätte der Kollege da nicht reinschmeißen müssen. Meinetwegen hätte Monsieur Way auch gern sein Post-Emo-Leben ohne eine musikalische Wiederauferstehung genießen können, überhaupt mit den Haaren. Aber es hilft ja nichts, jetzt ist die mit mehr oder weniger Begeisterung erwartete LP nun einmal da, da kann man sie auch nehmen als das, was sie ist: Gerard Ways Solo-Auftritt.
Schon klar, für die meisten sprudeln aus dieser Kurzbeschreibung keine großen Details. Aber wer den Amerikaner kennt, weiß um dessen Hingabe für einen Mann namens Bowie und um die Tatsache, dass er in der Todeskapelle My Chemical Romance sicher der größte Pop-Liebhaber war. Zwei Puzzlestücke, die sich hier finden und die der Kollege eh hinlänglich zusammengefügt hat, sodass ich seine Ausführungen einfach mal unterschreibe. Nicht aber, ohne ein paar Zusatzklauseln einzubauen. Ein bisserl schwer tut er sich nämlich anfangs schon mit seinem Abschied vom Punk-Dasein. Er braucht eben Anlauf und deswegen sind die ersten Versuche, im unheilschwangeren Hard Rock mit Stampfer-Beat (The Bureau) oder der vollkommenen Ungefährlichkeit eines musikalischen Britpop-Gedenkmoments (No Shows) aufzugehen, keine Enttäuschungen, aber auch keine Animationsbomben. Zusammen mit dem Überbleibsel aus 'längst vergangenen' Pop-Punk-Tagen, Action Cat, ist das ein Anfang, der sich zwischen bemühtem Abstrampeln, einem überraschend vielschichtigen und anheimelnden Soundmix und einer Way nicht zuträglichen Angriffslosigkeit wiederfindet. Genauso wie er qualitativ zwischen Fisch und Fleisch bleibt.
Nachdem das Abtasten gegessen ist, zeigt sich aber ein bisschen eher, dass das Alter ihm vielleicht nicht gerade Weisheit, aber eine eindeutig verbesserte Stimme und das Wissen um die richtigen Settings für ebendiese eingebrockt hat. Des Kollegen "großer Gewinner", Millions, schlägt nämlich mit seinem sonnigen Riff und der Exzentrik des Sängers im Areal des Ohrwurms zu, gibt sich zwar textlich der Verschrobenheit der Platte hin, macht aber mit seinen Rhythmen allzu viel richtig. Und weil direkt davor der eigentliche Gewinner, nämlich die eindrucksvolle, theatralische Piano-Show von Brother kommt, zeigt der Daumen schnell nach oben. Dort beweist Way dann für einmal wirklich, dass er sich selbst mit großem Pomp treu bleiben kann, dabei aber genug Selbstdisziplin besitzt, um die dezenten Strophen und das dramatische Anschwellen im Refrain nicht der Übertreibung preiszugeben, sie vielleicht gar abzutöten.
Und so findet er sich ein bisschen selbst zur Albummitte. Klar, er verliert sich mit dem Versager Zero Zero und der voll aufblühenden Merkwürdigkeit von Juarez bald wieder, doch einmal Fahrt aufgenommen, kommen die guten Ideen auch wieder leichter zurück. Zuerst zaghaft mit dem überbordenden Kitsch von Ballade Drugstore Perfume, mit dem abschließenden Duo aber dann doch noch mal auf für ihn beste Art. Der treibende Beat von How It's Going To Be funktioniert da zusammen mit Ways wohl lockerstem Auftritt genauso gut, wie es die druckvolle Rock-Hymne Maya The Psychic kann.
Was zu einer dieser LPs führt, die es ob ihrer Verneigung vor den Helden vergangener Tage, ihres exzentrischen Naturells oder aber einfach nur wegen der gewinnenden Pop-Hooks zu respektieren gilt. So wirklich mögen will man sie teilweise nicht, weil Gerard Way zwar liebevoll und mit aller verfügbaren Hingabe gearbeitet hat, sein schwieriger Charakter sich aber eben deswegen ganz ordentlich in der rückwärtsgewandten, kitschigen Größe so manches Moments niederschlägt. Vielleicht haben wir also nicht so wirklich ihn als Ganzes vermisst, aber zumindest den Teil von ihm, der ein starker Sänger und Songwriter ist, nimmt man doch immer wieder ganz gern.
K-Rating: 6.5 / 10