Georgie Chapple - One

 

One

 

Georgie Chapple

Veröffentlichungsdatum: 20.10.2017

 

Rating: 6 / 10

von Kristoffer Leitgeb, 13.10.2017


Romantische Vergangenheitsbewältigung als Katalysator für die musikalische Selbstfindung.

 

Man könnte natürlich der Einfachheit halber einfach einmal behaupten, eine Debüt-EP wäre dazu da, einen Künstler seiner zukünftigen Fanbase vorzustellen und ihn möglichst wirkungsvoll der Welt zu präsentieren. Diese Idee dahinter ist jetzt auch verdammt schwer wegzuleugnen. Nicht vergessen darf man dabei allerdings den künstlerischen Wert all dessen. Und damit ist jetzt nicht das Dasein als großer Meilenstein der Kunstgeschichte gemeint, sondern der Wert dieser ersten im Verbund veröffentlichten Songs für den Künstler selbst. Das ist nicht nur ein erster musikalischer Stempel in der eigenen Vita, es ist - allein wegen des dafür sehr günstigen Formats - auch die ideale Gelegenheit, sich auf die hoffentlich erfolgreiche Suche nach dem eigenen Profil, der eigenen klanglichen Duftnote, die in naher Zukunft das Erfolgsrezept sein soll. Unter diesem Gesichtspunkt mehr als unter allen anderen könnte auch der erste Auftritt von Singer-Songwriterin Georgie Chapple zum Erfolgsprodukt werden.

 

Denn man kann ihr auf alle Fälle nicht vorwerfen, dass sie die Aufnahme-Chance nicht ausgiebig für das Ausloten ihrer musikalischen Heimat, des Folk-Pop, genutzt hätte. Eine Handvoll Songs versammeln sich und trotz eines einenden Themas kann nicht wirklich davon die Rede sein, dass die Stoßrichtung nicht von Track zu Track unterschiedlich anmuten würde. Was dazu führt, dass man die Single Met You Yet vielleicht nicht unbedingt dem Folk zurechnen würde. Mit der gesetzten Piano-Ballade betritt die gebürtige Deutsche - man hört ihr diesen Umstand glücklicherweise nicht im geringsten an - ein Terrain, das gerade wegen der relativen Risikolosigkeit tückisch ist. Sprich: Es könnte leicht zäh und kitschig werden. Solcherlei passiert nicht wirklich, der gesanglich durchaus überzeugende Erstauftritt, die gekonnt spärlich eingestreuten Einsätze drückender Blues-Akkorde an der Gitarre verschaffen da einiges an Luft. Dass die Sache trotzdem ein Stück zu sehr in Richtung postmillenialer Alanis-Morissette-Balladen abdriftet, liegt womöglich auch an der unglücklichen Glätte, die vor allem durch die unterstützende Background-Stimme im Refrain vom emotionalen Inhalt ablenkt. Andererseits, es gibt schlimmeres als Morissette-Vergleiche.

 

Und außerdem ist ein gut gezimmertes Klavierstück einiges wert, wenn es mit dem passenden Inhalt kommt. Und der nunmehrigen Londonerin dient mit den melancholisch-bedrückenden Nachwehen einer gescheiterten Beziehung gleichermaßen althergebrachter wie effektiver Stoff als Katalysator für die charakterstarken stimmlichen Darbietungen. Zumindest gilt das hier und im Fall des fast komplett auf die Akustikgitarre gestützten Why Do I, das vor allem davon profitiert, dass sich in der Einfachheit des Arrangements die beste Hook der LP entfaltet. Ganz abgesehen davon, dass die durchaus "amerikanische" Stimme Chapples im radikal reduzierten Sound umso mehr Eindruck macht und fast, aber dann doch nur fast, im Alleingang für den nötigen atmosphärischen Gehalt sorgt.

Etwas, das in den aktiveren, musikalisch sonniger wirkenden Long Gone und Destroy The Evidence ziemlich deutlich misslingt. Da betritt sie dann relativ rasch das Feld der Austauschbarkeit und landet an einem Punkt, wo vor allem das musikalische Gemisch von Destroy The Evidence, dem allerdeutlichsten Zugeständnis an den leicht verdaulichen Pop, nichts dazu beiträgt, ein klareres Bild von einer empfehlenswerten Marschrichtung für die nächsten musikalischen Aufgaben zu zeichnen. Von einem emotionalen Beitrag zur davor durchaus gelungen aufgebauten Atmosphäre gar nicht zu reden.

 

Die findet überhaupt leider allzu früh ihren Höhepunkt, wobei auf diese Art wenigstens der allererste Eindruck von der Dame mit dem roten Haar ein äußerst überzeugender ist. The One That Got Away löst sich als durchaus angriffige Abrechnungsnummer erfolgreich vom sentimentaleren Rest und vereint vor allem die vorher angesprochene Charakterstimme mit einem passenden, ähnlich amerikanischen Sound, der zugleich den lauten Höhepunkt der LP markiert. Dass Chapple, umrahmt von kernigem Blues-Rock mitsamt kratzig runtergespielten Riffs, am besten funktioniert, wird da verdammt schnell deutlich. Vielleicht aber liegt es gar nicht an der Instrumentierung in dem Sinne, sondern schlicht und einfach an der stark beleuchteten anderen Facette der besungenen romantischen Vergangenheit. Da hat es dann sehr viel für sich, die aufgestaute Wut zu kanalisieren und sie nicht zügellos, aber eben doch spürbar in den entsprechenden Sound einfließen zu lassen.

 

Da hätten wir sie also, die Formel für den nächsten großen Wurf im fast schon bedenklich umkämpften Feld der jungen, stimmlich beschlagenen Singer-Songwriterinnen. Also es soll und muss jetzt nicht nur diese eine sein, aber das ist einmal ein überzeugender Anfang. Und wenn der gemacht ist, sind die Zweifel daran, dass es noch besser wird, auch gleich minimiert. Insoferne alles in Butter bei Georgie Chapple, vor allem wenn ihr die Freiheit gelassen wird, Folk-Pop und gesunde Americana-Einflüsse mit Ecken und Kanten aufzunehmen und nicht irgendwann jemand daherkommt und meint, man müsse erfolgreich und also möglichst charttauglich glatt sein. Solange das nicht passiert, besteht Hoffnung für die Musikwelt im allgemeinen und für diese Dame im speziellen.

 

Anspiel-Tipps:

- The One That Got Away

- Met You Yet


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