von Mathias Haden, 14.09.2015
Das finale Album des begnadeten Songwriters birgt noch so manchen Schatz - und eine talentierte Musikerin.
Inspiration ist in der Welt der Musik bekanntlich das Pendant zum Glück. Wie ein verschrecktes Vogerl setzt es sich vorsichtig auf die Schultern der Auserwählten, verharrt und beobachtet oftmals sogar neugierig ausgelebte Drogeneskapaden und elenden Liebeskummer, nur um sich irgendwann wieder unbemerkt aus dem Staub zu machen. Dem Musiker selbst fällt dies meistens erst auf, wenn es viel zu spät ist, etliche mit heißer Luft gefüllte Platten bereits die Geduld und Gutmütigkeit der Fans überstrapazierten. Wo soll sich der bemühte Songschreiber aber auch seine Inspiration holen, wenn er entweder sein Hirn an Geld und Drogen verloren hat und nichts mehr zu erzählen hat, oder sein Pulver überhaupt früh verschossen hat.
Einer, den dieses Schicksal bis zu seinem frühen Tod nicht ereilte, ist Gene Clark. Woher diesem in einfachsten Verhältnissen aufgewachsenen Künstler die Worte so zufielen, darüber rätseln selbst ehemalige Wegbegleiter wie Chris Hillman (Byrds) bis heute. Zwar war der Bursche aus Missouri immer wieder mit Drogen- und insbesondere Alkoholproblemen beschäftigt, trotzdem wollte bis zu seinem Ableben 1991 kein wirklich schlechter Song den Weg aufs Papier finden. Selbiges gilt auch für seine letzte Studiowerk So Rebellious A Lover, ein Duettalbum mit Textones-Leaderin Carla Olson. Und ob er einfach rechtzeitig verstarb, bevor seine kreativen Kapazitäten aufgebraucht waren oder ihm die Zusammenarbeit mit der talentierten Musikerin wieder frische Kreativität einflößte, Clark hat hier noch einige seiner besten Stücke zu bieten.
Allen voran natürlich Gypsy Rider, auf dem der männliche Part des Duos zu hingebungsvoller Höchstleistung aufläuft und nur von zurückhaltender Akustikgitarre und sanften Pedal Steel-Tupfern begleitet seine traurige Geschichte erzählt:
"And the workings of sunshine and rain
And the visions they paint that remain
Pulsate from my soul through my brain in a spanish guitar."
Dazu das verwegene Del Gato, dem der offensichtliche Protagonist eine wehmütige Stimme verleiht und dem die Musiker einen Hauch Wüstenflair einhauchen: "And I just ride in from a hard southwestern drive / The hanging tree is waiting for me to arrive". Hier verschmelzen die Stimmen zwischen Meister, der sich im Vergleich zu Vorgänger Firebyrd drei Jahre zuvor stimmlich deutlich verbessert und präsenter zeigt, und Schüler zu einer harmonischen Symbiose, die sich unter der schwebend zarter Akustik erst richtig entfalten kann. Und selbst die letzte seiner drei Kompositionen, Why Did You Leave Me Today, ist in ihrer resignierenden Melancholie pures Gold.
Auf ebenso viele kommt beim fairen Sportsmann Clark auch sein weibliches Gegenüber und siehe da, auch Olson zeigt nicht nur als erfreulich fähige Duettpartnerin, sondern auch als vielversprechende Songwriterin auf. Opener The Drifter wird mit ihrem kraftvollen Gesang und der lebhaften Melodie zum heimlichen Favoriten, funktioniert in seiner beschwingten und spielfreudigen Natur besonders als Kontrast zum schwermütigen Material des Ex-Byrds und verleiht der LP damit eine angenehm facettenreiche Note, indes ihr Soloausflug Every Angel In Heaven mit seinem smoothen Bass und ihrem bemühten Gesang noch Punkte sammelt und das arg weinerliche Are We Still Making Love nicht mehr an die beiden Vorgänger heranreicht.
Um die Sache abzurunden, greift das Duo auf ein paar Fremdkompositionen zurück. Dem rockigen John Fogerty-Hit Almost Saturday Night verpassen die beiden einen schwungvollen Country-Anstrich mit hübscher Mandoline von Chris Hillman und schönem Harmoniegesang. Und während Olson und Clark am grandiosen Woody Guthrie-Klassiker Deportee (Plane Wreck At Los Gatos) einen souveränen Job machen und sich Clark an Gram Parsons' I'm Your Toy (Hot Burrito #1) etwas die Zähne ausbeißt und nicht dessen gequältes Herzblut in seinen Gesang zu verpacken vermag, so mausert sich das traditionelle Fair And Tender Ladies zum großen Auftritt Clarks, der seine ambitionierte Kollegin mit einer passionierten Performance in unvorteilhafter Blässe zurücklässt, sein gefühlvolles Mundharmonika-Solo zum Ausklang nur sein Übriges zur Gänsehautstimmung beiträgt.
Ebenfalls erfreulich, dass So Rebellious A Lover im Gegensatz zu Firebyrd, das in seiner Produktion doch deutlich die Achtziger durchschimmern lässt, wieder etwas zeitlosere Charakterzüge annimmt. Die Begleitmusiker spielen wie auf allen Clark-Alben souverän, die Arrangements sind wohl die besten seiner wenig produktiven, letzten Dekade als Musiker und die Harmonie zwischen den beiden Sängern stimmt. Man darf sich natürlich keinen Illusionen hingeben und auf dieser finalen LP kreative Wunderwerke wie etwa auf seiner besten Solo-LP No Other erwarten, trotzdem hat dieser Mann auch nach über zwanzig Jahren als Musiker und Songwriter genug Ideen, um mit einer bis dato unbekannten Sängerin ein Album voller hübscher Songs zwischen Country und Folk aufzunehmen. Selbst als dieser Typ wohl selbst keine Perspektiven mehr sah, endlich (s)ein Hitalbum zu landen, so half er doch schon wieder unterbewusst dabei, einer neuen Stilrichtung ein paar Konturen zu verleihen - bald darauf war die große Ära des beliebten Alternative-Country geboren...
"All I can say / why did you leave today..."